Kupfer auf Draht

Für einen schnellen Internetzugang gibt es nichts Besseres als ein Glasfaserkabel. Aber der flächendeckende Ausbau ist teuer – darum machen die Provider ihren betagten Kupferkabeln mit neuen Technologien Beine.

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Von
  • Christian Buck

Für einen schnellen Internetzugang gibt es nichts Besseres als ein Glasfaserkabel. Aber der flächendeckende Ausbau ist teuer – darum machen die Provider ihren betagten Kupferkabeln mit neuen Technologien Beine.

Die Bundesregierung hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2018 sollen alle deutschen Haushalte über einen Breitbandanschluss mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) auf das Internet zugreifen können. Dafür gibt es keine bessere Technologie als Glasfaserkabel in jeder Wohnung und in jedem Unternehmen. Allerdings würde der flächendeckende Ausbau 93 Milliarden Euro kosten, so Schätzungen des TÜV Rheinland und der TU Dresden. "Darum setzen viele Anbieter darauf, weiter ihre vorhandene Infrastruktur zu nutzen und mithilfe neuer Technologien trotzdem Datenraten im hohen zweistelligen Mbit/s- Bereich zu erreichen", erklärt Reinhard Strebler, Abteilungsleiter Netze- und Telekommunikation am Steinbuch Centre for Computing (SCC) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Tatsächlich ist es Forschern und Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, die Übertragungsgeschwindigkeit auf den betagten Kupferleitungen fürs Telefon dramatisch zu steigern (siehe Kasten): Die neueste Variante VDSL2 (Very High Speed Digital Subscriber Line) kommt bereits an die Marke von 50 Mbit/s heran. Werden die Unternehmen es künftig schaffen, noch höhere Datenraten aus ihrer vorhandenen Infrastruktur herauszuholen?

Das kann nur gelingen, wenn die Internetanbieter weitere Frequenzbereiche für die Datenübertragung in den Telefonkabeln erschließen. Das führt jedoch zu einem Problem: Die Signale auf den parallel verlaufenden Kupferleitungen beeinflussen sich gegenseitig. Es kommt zu Störungen, die Datenrate sinkt.

Dieses "Übersprechen" nimmt mit wachsender Frequenz zu. Hinzu kommt die unvermeidliche Dämpfung des Signals längs der Übertragungsstrecke. Die Folge: Je höher die Datenrate ist, desto kürzer wird die Strecke, die Bits zurücklegen können. Während sich mit ADSL noch bis zu fünf Kilometer überbrücken ließen, schafft die neueste Variante VDSL2 maximal zwei Kilometer. Darum müssen die VDSL-Anbieter die Elektronik für die schnelle Technik mittlerweile in großen grauen Kästen am Straßenrand nahe bei ihren Kunden unterbringen.

Um das Übersprechen zu bekämpfen, setzt die Deutsche Telekom auf "Vectoring". Die Technik arbeitet ähnlich der Geräuschunterdrückung in Kopfhörern: "Ein Computer im grauen Kasten ermittelt, welche Störungen ein Signal auf dem Weg in die Wohnung erfahren wird", erklärt Wolfgang Fischer von Cisco. "Mithilfe eines Kompensationssignals gleicht er die Störungen dann aus. So lassen sich kombiniert mit VDSL bis zu 100 Mbit/s über mehrere Hundert Meter übertragen."

Dahinter steckt komplizierte Mathematik: Mit Messsignalen ermitteln die Betreiber die Eigenschaften der einzelnen Kupferleitungen. Zudem kennen sie alle Daten, die gerade zum Versand anstehen. Daraus können die Algorithmen in Echtzeit das Kompensationssignal berechnen, sodass am Ende ein störungsfreies Signal ankommt.

Allerdings hat das intelligente Verfahren eine Eigenschaft, die derzeit die Telekom-Konkurrenz auf die Barrikaden treibt: Nur wenn ein Vectoring-Anbieter den gesamten Datenverkehr auf einem Telefonkabel kontrolliert, kann er das Übersprechen herausrechnen. Nach den Vorstellungen der Telekom sollen ihre Wettbewerber die Leitungen zu den Kunden künftig über das ehemalige Staatsunternehmen mieten. Der Bundesverband Breitbandkommunikation unterstellt der Telekom daher, durch den Ausbau von Vectoring eine Re-Monopolisierung anzustreben.

In der Tat könnte die Telekom-Idee geltendem Wettbewerbsrecht widersprechen: Ihm zufolge muss jeder Anbieter – sei es nun für den Festnetzanschluss oder den Internetzugang – Zugang zur "letzten Meile" vom Verteiler bis zum Kunden bekommen. Die Bundesnetzagentur muss die Methode daher genehmigen, was sie bis jetzt noch nicht getan hat. Die Telekom hofft, dass der Antrag durchgeht, wenn sie ihren Wettbewerbern faire Bedingungen zur Miete der Leitungen anbietet. Unterdessen arbeiten Kommunikationsexperten bereits an der nächsten Stufe der DSL-Beschleunigung: G.fast erweitert den Frequenzbereich für die Übertragung abermals auf bis zu 212 MHz. Wegen des Übersprechens lässt sich das Verfahren nur mit Vectoring nutzen – erreicht aber maximal ein Gbit/s bei einer Reichweite von bis zu 100 Metern. Und die Nachfolgetechnologie XG-Fast nutzt sogar Frequenzen bis 500 MHz, um maximal zehn Gbit/s über rund 30 Meter zu übertragen.

Schärfster Konkurrent der DSL-Varianten ist Docsis (Data over Cable Services Interface Specification), die Spezifikation für Breitbanddienste über das TV-Kabel mit ebenfalls zunehmenden Datenraten. Doch auch die Kabelbetreiber müssen mit ihren Verteilerkästen immer näher an die Kunden heranrücken. Und hier kommt das Glasfaserkabel wieder ins Spiel: Sowohl die Kästen mit DSL-Technik als auch von Docsis müssen mit möglichst hohen Übertragungsraten an die schnellen Datenautobahnen für den Langstreckentransport der Bits (Internet-Backbone) angeschlossen werden.

Dafür gibt es keine Alternative zur Glasfaser. Der Ausbau der Kupfertechnologien führt also ironischerweise dazu, dass die optische Datenübertragung immer näher an die Wohnungen heranrückt: Bei G.fast ist der nächste Kasten beispielsweise nur noch maximal 100 Meter von der Hauswand entfernt. So ganz ohne Glasfaserkabel ist der Breitbandausbau eben doch nicht zu haben. (bsc)