Nanomedizin für alle

Während hierzulande heftig über die Gesundheitreform und die überbordenden Kosten der Medizintechnik gestritten wird, sollten wir uns jetzt schon Gedanken machen, wie die Nanomedizin unser Gesundheitssystem verändern soll.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Niels Boeing

Noch wird hierzulande heftig über die Gesundheitreform und die überbordenden Kosten der Medizintechnik gestritten, doch allmählich zeichnen sich schon die Konturen einer künftigen Nanomedizin ab. Während der Patient heute in teure Maschinen eingebettet wird und an Kabeln und Schläuchen hängt, könnte man eines Tages die Maschinerie in den Patienten einbetten – also maßgeschneiderte Nanopartikel (nicht zu verwechseln mit Nanorobotern), die über direkte Injektionen oder die Blutbahn in erkrankte Organe geschickt werden. Ich sage bewusst Maschinerie, weil die Nanomedizin die konsequenteste Anwendung des mechanistischen Weltbildes auf den Körper ist: Dessen Fehler werden mit molekularer Präzision bekämpft. Ob dieser Ansatz der Natur des Menschen entspricht, sei hier einmal dahingestellt. Die ersten Prototypen von Nanopartikeltherapien zeigen jedenfalls beeindruckende Ergebnisse, und Monat für Monat werden neue Ansätze veröffentlicht.

Spannender finde ich die Frage, wie sich unser Gesundheitssystem verändern könnte, wenn Experten wie Mauro Ferrari von der Nanotech-Initiative des amerikanischen National Cancer Institute Recht haben. Ferrari sagte mir vor einiger Zeit, dass er einen breiteren Einsatz von derartigen Nanotherapien vielleicht noch fünf Jahre entfernt sieht. Und: „Im Jahr 2015 wird jede Krebsart mit speziellen Nanopartikeln bekämpft werden.“

Angenommen, das stimmt. Dann wird die Behandlung gerade von schlimmen Krankheiten wie Krebs deutlich einfacher. Die Diagnose erfolgt stationär mit Hilfe von Nanosensoren auf Biochips in der Arztpraxis, die ungleich genauer und schneller reagieren können als viele heutige Analyseverfahren. Weil eine Nanopartikel-Therapie sehr präzise und gut lokalisierbar ist, werden sich die Nebenwirkungen in Grenzen halten. Auch hier müsste der Patient vielleicht gar nicht mehr ins Krankenhaus.

Man sollte dann annehmen, dass eine derartige Nanomedizin die Kosten des Gesundheitssystems drastisch senken kann. Die Produktion der Diagnose-Nanowerkzeuge und die Präparation von Nanopartikeln sollte, wenn wir den Nanovisionären Glauben schenken, in der Medizintechnik endlich eine ähnliche kontinuierliche Verbilligung auslösen, wie wir sie seit Jahren in der Informationstechnik bei Prozessoren und Speichermedien gewohnt sind.

Eine solche Nanomedizin für alle müsste deshalb eines der großen Ziele jeder Gesundheitsreform sein. Gehört habe ich davon bisher noch nichts. Zwar hat das Bundesforschungsministerium 2004 unter den fünf Nanotech-Leitinnovationen auch eine namens „NanoforLife“ für medizinische Anwendungen gestartet. Die bekommt aber nur ein Sechstel der Förderung von „NanoFab“, bei der es um neue Halbleitertechnologien geht – als ob Rechner und Gadgets nicht schon absurd billig wären. Eigentlich müsste das Verhältnis umgekehrt sein. Oder wird im Gegenteil die Nanomedizin am Ende zu einer Luxusmedizin aufgeblasen, die sich nur Privatpatienten werden leisten können?

Die Möglichkeiten der Nanomedizin sind – etwa neben dem Problem von Toxizitäten – eine von mehreren drängenden Fragen zur Nanotechnik, die öffentlich erörtert werden müssten. Aber eine breite gesellschaftliche Debatte findet immer noch nicht statt. Wollen wir wirklich solange warten, bis in zehn Jahren Kassenpatienten zu hören bekommen, für sie sei nur eine gewöhnliche Chemotherapie drin? (wst)