Tonspion

Es war nur so ein Gefühl. Als der japanische Spielzeughersteller Takara ein Übersetzungsgerät für Hundeempfindungen vorstellte, mochte man das für eine der vielen Variationen des Wow-Effekts (sic!) halten, die sich schnell verbrauchen.

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Von
  • Peter Glaser

Es war nur so ein Gefühl. Als der japanische Spielzeughersteller Takara ein Übersetzungsgerät für Hundeempfindungen vorstellte, mochte man das für eine der vielen Variationen des Wow-Effekts (sic!) halten, die sich schnell verbrauchen. Um das bedrückende Verständigungsdefizit zwischen Hund und Halter abzubauen, nahm ein im Halsband untergebrachtes Mikrofon das Bellen auf und analysierte es. Per Infrarot wurde dann der “Emotion Pager” von Herrchen oder Frauchen angesteuert. Dessen LC-Display zeigte an, wie der Hund sich fühlt. Etwa 200 Begriffe standen zur Verfügung, um die ermittelten Gemütsverfassungen zu verbalisieren. Ein Tagebuch-Modus gab Auskunft über den Gefühlswandel im Lauf eines Tages. Offen blieb die Frage, weshalb das Gerät nur einseitige Kommunikation zuließ.

Die britische Firma Blissful Babies Ltd (auf deutsch etwa: Wonneproppen) hat die Idee nun ins Humanoide hochgehoben. Für 66 Pfund kann man dort das Babyschrei-Analysegerät “Why Cry” kaufen. Der elektronische Monitor ermittelt aus 20 Sekunden zunehmenden Geschreis die jeweils wahrscheinlichste zugehörige Empfindung - Hunger, Langeweile, Mißbehagen, Müdigkeit, Streß. Da Eltern, die mehr als ein Kind haben, die Unterschiede bereits unzweifelhaft selbst heraushören können, wird der Apparat Paaren empfohlen, die das erste Mal Elternglück erleben. Vielleicht gibt es dann auch bald einen dazupassenden Elternglücks-Emulator, damit man sich mit dieser Art von emotionalem Aufwand gar nicht mehr auseinandersetzen muß und stattdessen vernünftige Dinge tun kann.

Für die Phase vor der Schwangerschaft gibt es inzwischen ebenfalls Stimm-Hilfe. Falls ein verzweifelter Partnersuchender sich bei einem Anbahnungstelefonat über die Reaktion seines Zielsubjekts im Unklaren sein sollte, kann er seit kurzem über den gebührenpflichtigen Telefonservice des israelischen Unternehmens Nemesysco Entertainment einen “Love Detector” zuschalten. Die Software analysiert die Stimme der Person am anderen Ende und ermittelt, wie vergnügt, aufmerksam, erwartungsvoll oder betreten sie ist. Auf dem Bildschirm einer ebenfalls erhältlichen Version für Pocket-PCs erscheint eine Blume, deren Blätteranzahl Auskunft über die in der Stimmfrequenzmischung ausgedrückte Liebesmenge gibt. Verfügbar ist der Dienst derzeit nur in England, Ungarn und der Türkei. Wobei sich an dieser Stelle die Frage stellt, ob die Möglichkeiten rechnergestützter Paarungshilfe in Ungarn als bisher einzigem EU-Land als Hinweis auf die mit zunehmender Ernsthaftigkeit diskutierten Probleme der Bevölkerungsentwicklung zu sehen sind.

Emotionsanalyse ist im übrigens nichts Neues. Das prominenteste Produkt des Genres ist der Lügendetektor oder Polygraph, der 1932 erstmals in einem Experiment in den USA getestet wurde. Die dem Gerät zugrundeliegende Theorie gilt zwar längst als unwissenschaftlich, was der Anwendung der Apparate aber keineswegs Abbruch getan hat. Da ein Lügendetektor keine Lügen mißt, sondern körperliche Erscheinungen - subjektiv sehr unterschiedlicher - emotionaler Reaktionen, ist beispielsweise jemand, der auf eine Frage nervös reagiert, in Gefahr, für einen Lügner gehalten zu werden - auch, wenn er die Wahrheit gesagt hat. (wst)