NT ernst genommen

Die Folgenabschätzung der Nanotechnik bekommt endlich Schwung. Ein kleiner Überblick über Projekte und Reports, die die potenziellen Risiken der neuen Technik analysieren.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Niels Boeing

Die Folgenabschätzung der Nanotechnik bekommt endlich Schwung. Fast wöchentlich finde ich in meinen Emails Ankündigungen neuer Risikoforschungsprojekte oder -reports. Daran kann der NT-Community nur gelegen sein. Denn auch wenn der Wirbel um durch das Produkt „Magic Nano“ geschädigte Kunden am Ende ein Fehlalarm war, weil in der Keramikversiegelung überhaupt keine Nanopartikel enthalten waren: Derartige Meldungen untergraben das Vertrauen der Verbraucher in künftige Anwendungen der Nanotechnik dennoch. Denn das Gebiet ist für die meisten Zeitgenossen nach wie vor so unüberschaubar, dass sich schnell die simple Gleichung „nano = gefährlich“ festsetzen kann. Zumal Laborstudien in den vergangenen drei Jahren gezeigt haben, dass die winzigen Teilchen durchaus eine toxische Wirkung entfalten könnten.

Deshalb hier ein kurzer Überblick, was in der NT-Folgenabschätzung derzeit läuft:

  • Das Bundesforschungsministerium hat im Februar das Projekt INOS („Identifizierung und Bewertung von Gesundheits- und Umweltrisiken von technischen nanoskaligen Partikeln“) gestartet. Es läuft drei Jahre, wird mit 1 Million Euro gefördert. Beteiligt sind das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, das Max-Bergmann-Zentrum in Dresden, das Fraunhofer-Institut für keramische Technologien und Systeme, die Namos GmbH und das Universitätsklinikum Dresden.
  • Der bereits 2005 gestartete „Dialog Nanopartikel“ arbeitet in Diskussion mit Verbraucherschutzgruppen und Experten im Auftrag von Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt an einer Strategie für den sicheren Umgang mit Nanopartikeln. Die wird im September von Umweltminister Sigmar Gabriel vorgestellt. Auch bei Nanotechnik in der Lebensmittelproduktion wird nun genauer hingeschaut: Die britische Food Standards Agency hat den Entwurf eines Berichtes vorgelegt, der bis zum 14. Juli kommentiert werden kann.
  • Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat gerade die Uni Stuttgart mit einer Expertenbefragung zu potenziellen Risiken von Nanomaterialien in Lebensmitteln, Kosmetika und Textilien beauftragt, die im November mit zwei Workshops abgeschlossen wird. Durchgeführt wird die Befragung vom Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung an der Uni Stuttgart.
  • Das Schweizer Büro für Technikfolgenabschätzung TA-Swiss führt derzeit einen „Publifocus Nanotechnologie“ durch, in dem – ähnlich wie in der 2005 in Großbritannien durchgeführten Nanojury – interessierte, zufällig ausgesuchte Bürger mit Experten diskutieren. Das Ergebnis wird im September vorgestellt.
  • Als erste deutsche Umweltorganisation hat der BUND im Mai ein Memorandum für einen Nano-Dialog vorgestellt.
  • Einen Report zu Nanomaterialien in Kosmetikia hat im Mai die US-Umweltorganisation Friends of the Earth vorgestellt: "Small Ingredients, Big Risks“.
  • Einen guten Überblick über weitere Nanotechnikfolgenreports gibt es auf der Seite zu „Nano Safety, Risk & Regulation“ der Innovationsgesellschaft St. Gallen, die ihrerseits im März den Bericht „Nano-Regulation. A multi-stakeholder-dialogue-approach towards a sustainable regulatory framework for nanotechnolgies and nanosciences“ vorgelegt hat.

Bislang untersuchen Länder wie Deutschland, USA, Schweiz oder Großbritannien die Risiken parallel. Es wird nun darauf ankommen, all diese Projekte miteinander zu verknüpfen und gewisse internationale Standards auszuarbeiten. Zumindest in der EU müsste dieser Prozess bald in eine gesamteuropäische Nano-Sicherheitstrategie münden. Immerhin ist das Räderwerk der Technikfolgenabschätzer nun angeworfen – ein großer Fortschritt gegenüber 2003, als die ETC Group die Nanotech-Szene mit ihrer Forderung nach einem Moratorium für die neue Technik aufrüttelte. (wst)