BRICKLIN, DIE ZWOTE

Ist Dan Bricklin also eine Art Don Quixote, wenn er sich noch mal daranmacht, die Tabellenkalkulation neu zu erfinden?

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Von
  • Peter Glaser

Dan Bricklin arbeitet an einer Tabellenkalkulation. Sie heißt “wikiCalc” und vereint die einfache Online-Produktionsweise eines Wikis mit den Möglichkeiten einer Tabellenkalkulation. In seinem Blog berichtet Bricklin über die Fortschritte.

Bricklin hat die elektronische Tabellenkalkulation erfunden. Gemeinsam mit Bob Frankstone, einem Komilitonen der Harvard Business School, schrieb er 1979 “VisiCalc” und damit ein Stück Computergeschichte. Die Transformation zuvor papierener Rechenbögen ins Digitale ermöglichte nicht nur schnellere Kalkulationen. Es entstand ein neues Instrument für Ideen. Die damals so genannten Mikrocomputer, bislang in der Geschäftswelt als Bastlerstücke belächelt, wurden plötzlich zu ernsthaften Werkzeugen.

Ich habe mal in den frühen Achtzigerjahren mit VisiCalc und meinen Punk-Freunden in Hamburg St. Pauli einen angenehmen Abend verbracht. Keiner von uns hatte auch nur den Hauch einer Vorstellung davon, was eine Tabellenkalkulation war. Im Nebenzimmer bei meinem Mitbewohner Klimperkutte stand unter einer aufgespannten Tarnplane auf dem Schreibtisch ein Apple II.

Klimper war so mit Metall behängt, dass man ihn schon einen Block weit hören konnte, wenn er kam, daher der Name. Überall in seinem Zimmer lagen aufgeklappte Musikgeräte herum – Radios, Lautsprecher, Verstärker. In den ersten Wochen, nachdem ich eingezogen war, dachte ich, Klimper repariert Geräte. Es brachten auch immer wieder Leute weitere Geräte in sein Zimmer. Klimper klappte sie auf. Nach einer Weile fiel mir auf, dass Staubwolle im Inneren der Geräte nistete. Mit Klimper und den Geräten war es wie mit dem Mann in dem chinesischen Märchen, der auf den Markt Käfige mit Singvögeln kauft, um sie freizulassen. Klimper klappte die Geräte auf, um die Musik darin freizulassen.

Aber ich schweife ab.

Irgendjemand hatte eine Diskette mit einem Programm namens VisiCal mitgebracht. Wir sahen Kästchen am Bildschirm und gingen davon aus, dass es sich um ein Spiel handelt. Jemand tippte etwas ein und drückte so lange auf der Tastatur herum, bis sich etwas veränderte, dann war der nächste dran. Wer das nicht mehr unterhaltsam fand, hatte verloren.

1983 wurde VisiCalc von Mitch Kapors Firma “Lotus” für den PC weiterentwickelt und hieß nun “Lotus 1-2-3”. Von Borland stammt das 1987 entwickelte “Quattro Pro”, das 1994 an Novell, später weiter an Corel verkauft wurde. Die erste Tabellenkalkulation von Microsoft hieß “Multiplan”. Bei der Überarbeitung des Microsoft-Betriebssystems DOS wurde besonderes Augenmerk darauf gelegt, der Firma Lotus und ihrem erfolgreichen "1-2-3" die Tour zu vermasseln. Die Programmierer von Microsoft wurden angewiesen, ein paar Macken in DOS 2.0 zu verstecken, die jedesmal, wenn das konkurrierende Programm geladen wurde, einen Absturz verursachten. 1987 kam “Excel” auf den mitbewerberverdünnten Markt.

Ist Dan Bricklin also eine Art Don Quixote, wenn er sich noch mal daranmacht, die Tabellenkalkulation neu zu erfinden? Bill Gates ist ein reicher Mann, Dan Bricklin ein schöpferischer. (wst)