"Grüne Nanotechnik" statt dröger Standortlogik

Die Nano-Initiative des Bundesforschungsministeriums packt die heißen Eisen der Nanotechnik richtig an. Das einzige, was ihr fehlt, ist eine echte Vision.

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Von
  • Niels Boeing

Am Montag hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) die „Nano-Initiative Aktionsplan 2010“ vorgestellt. Darin werden erstmals systematisch sämtliche Programme zu Forschungsförderung, Technologietransfer, Risikobewertung und Öffentlichkeitsarbeit in der Nanotechnik aufgeführt. Das Papier kommt zur rechten Zeit: Die noch junge Nanotechnik tritt gerade in eine entscheidende Phase – raus aus dem Hype, rein in die Realität. Soll sie ihr volles Potenzial entfalten, genügen nicht mehr spektakuläre Prototypen, die bislang vor allem aus den Laboren von Forschungseinrichtungen und Hightech-Konzernen gekommen sind.

Jetzt geht es zum einen darum, den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – dem berühmten Mittelstand, Rückgrat der deutschen Wirtschaft – den Einstieg in Nanotech-Anwendungen zu erleichtern. Eine echte Herausforderung, denn: „Das größte Problem ist zurzeit, dass die Nanotechnologie noch nicht in die Produktionsprozesse integriert ist“, sagte mir kürzlich Regine Hedderich, Leiterin des in Karlsruhe ansässigen, auf Nanowerkstoffe ausgerichteten Kompetenzzentrums Nanomat. „Das liegt zum Teil daran, dass die Produktionsmaschinen noch nicht für die neuen Nanomaterialien ausgelegt sind.“ Während die Mittelständler auf die Maschinenbauer warteten, sähen diese angesichts der guten Konjunktur der Branche noch keine Notwendigkeit, auf den Zug aufzuspringen.

Zum anderen muss Nanotechnik endlich ein öffentliches Thema werden, das sich nicht im Staunen über die „Wunderwelt des Nanokosmos“ erschöpft, sondern als das rübergebracht wird, was sie ist: die Technik des 21. Jahrhunderts, die wir nicht ohne potenzielle Risiken geschenkt bekommen.

Beides packt die Nano-Initiative mit Programmschwerpunkten an. Gut! Besonders erfreulich sind dabei die geplante Einrichtung eines „Nanoportals der Bundesregierung“ und der angekündigte Aufbau von öffentlich zugänglichen Datenbanken über Risikobefunde bei Nanopartikeln.

Ganz zufrieden bin ich aber nicht (wann sind Journalisten je zufrieden zu stellen?).

Mir fehlt die große Vision. Es muss nicht das Pathos der US-„National Nanotechnology Initiative“ von 2000 sein. Aber die Hauptmotivation der BMBF-Nano-Initiative, die sich wie ein roter Faden durch das Papier zieht, ist Standortpolitik. Immer wieder ist von Märkten, die erschlossen oder gehalten werden müssen, die Rede und von der harten Konkurrenz aus Asien und Nordamerika. Das erinnert mich ein wenig an die für viele Bürger paradoxe Beschwörung der Globalisierung, die uns nur Gutes bringen soll, aber im Namen der Konkurrenzfähigkeit zuallererst Opferbereitschaft verlangt. Begeisterung lässt sich damit nicht wecken.

Dabei zeigen der britische Stern-Report zum Klimawandel und der aktuelle „World Energy Outlook“ der Internationalen Energie-Agentur einmal mehr, welches Überthema es in den nächsten Jahrzehnten geben wird: die moderne Zivilisation endlich auf einen nachhaltigen Entwicklungsweg zu bringen. Ressourcen müssen geschont, Energie gespart, der Klimawandel verlangsamt und gemeistert werden (verhindern lässt er sich nicht mehr). Die Nanotechnik mit ihren neuen Werkstoffen für Produktion und Energiegewinnung könnte uns auf diesen Pfad bringen, wenn wir sie richtig pushen. Die Themen Umwelt und Energie gehen in dem BMBF-Papier jedoch unter.

Und wenn wir schon in der Standortlogik denken: warum dann nicht die Bundesrepublik zum Vorreiter einer grünen Nanotechnik machen und die Programme unter dieser Perspektive aufhängen? Stattdessen wird überproportional viel Fördergeld etwa in die „Leitinnovation“ NanoFab gesteckt – 323 Millionen Euro –, um in der Elektronik wieder in die Weltspitze zu gelangen (fairerweise muss man erwähnen, dass NanoFab bereits seit 2001 finanziert wird). Aus der hat sich Deutschland aber schon vor 15, 20 Jahren verabschiedet. Darüber kann man so manches Lamento auch in der Nanotech-Gemeinde hören.

Diese Entwicklung ist auch in der Energie- und Umwelttechnik nicht undenkbar. Die wird gerade unter dem Etikett „Cleantech“ in den USA hip. Wer die beim Thema Umwelt für rückständig hält, weil er an die Klimapolitik von George W. denkt, liegt falsch. Ein Beispiel sind Nanosolarzellen: Ein großer Teil des Knowhows wurde in Europa entwickelt, bei der Umsetzung in reale Produkte haben aber nun einige junge US-Unternehmen die Nase vorn, zum Beispiel Konarka Technologies, das 2004 die Forschungsabteilung für Nanosolarzellen von Siemens gekauft hat.

Aber der Nano-Aktionsplan des BMBF reicht ja auch nur bis 2010. Bis zur nächsten Auflage bleibt genug Zeit, die Vision einer grünen Nanotechnik „made in Germany“, besser noch „made in EU“ zu entwickeln. (wst)