Ein öffentlich-rechtliches YouTube muss her

Die Rundfunkgebühren wären gut angelegtes Geld, wenn die TV-Sender sie zeitgemäß verwenden würden. Dafür müssten allerdings auch anachronistische Budget-Beschränkungen aufgehoben werden.

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Von
  • Niels Boeing

Vor kurzem erzählte mir jemand von einem Beitrag im ZDF-Magazin „Frontal 21“ vor einigen Wochen, in dem die verschärften Sicherheitskontrollen an Flughäfen als purer Aktionismus entlarvt worden waren. Sprengstoffexperten hatten mit Hilfe von Trockenchemikalien und Produkten aus Duty-Free-Shops eine veritable Bombe zusammengebaut, mit der sie hinterher einen Kleinwagen in die Luft jagten. Ich machte mich im Frontal-21-Archiv auf die Suche nach dem Beitrag und wurde auch fündig. Der Link zum entsprechenden Video-Clip ging allerdings im anachronistischen Seitenlayout des ZDF unter.

Nun zahlen die meisten von uns Rundfunkgebühren, um den Sendeauftrag der Öffentlich-Rechtlich mit abzusichern. 2005 waren es insgesamt 7,123 Milliarden Euro. Schon lange fragen sich viele, ob dieses Finanzierungssystem noch zeitgemäß ist, und die Debatte gewann zuletzt an Schärfe, als beschlossen wurde, Computer ebenfalls GEZ-pflichtig zu machen. Kein Wunder, dass es etliche Aktionsseiten im Netz gibt, die die komplette Abschaffung der Rundfunkgebühren fordern.

Die Wut ist durchaus nachvollziehbar, aber doch ziemlich kurzsichtig und nur eine Variante der unseligen neoliberalen Staatsschelte. Die GEZ-Milliarden ließen sich durchaus sinnvoll verwenden: zum Aufbau eines „öffentlich-rechtlichen YouTube-Systems“.

Es ist ja erstaunlich, dass wieder einmal ein Startup kommen musste, um dem etablierten Medienbetrieb zu zeigen, wie man ein einfach zu nutzendes Video-Portal aufbaut. Die Geschichte wiederholt sich: So wie die Musiklabels jahrelang nicht begriffen, welchen Schatz sie in ihrem Back-Katalog liegen hatten, hocken auch die TV-Sender auf Millionen von interessanten Sendeminuten zur Zeitgeschichte, die zum größten Teil in Offline-Archiven vor sich hin gammeln.

Der Unterschied bei den Öffentlich-Rechtlichen ist nur, dass wir ihre Sendeminuten mitfinanziert haben. Zwar bieten sie verschiedene Mediatheken an (z.B. Tagesschau, WDR, ZDF), in den ausgewählte Beiträge als Online-Clips zu sehen sind. Aber das Angebot ist doch reichlich beschränkt und reicht nur wenige Jahre zurück. Hinzu kommt, dass man diese unsägliche Vorauswahl zwischen Real oder Windows Media Player treffen muss. Das ist längst nicht mehr state of the art: Man kann heute verlangen, dass ein Video sofort abspielbar ist, so wie es eben bei YouTube, Google Video oder auch Spiegel online funktioniert. Die gezielte Suche nach Beiträgen ist außerdem meilenweit von der Einfachheit bei den gängigen Videodiensten entfernt.

Die Öffentlich-Rechtlichen sind bislang allerdings durch die Rechtslage geknebelt. Sie dürfen maximal 0,75 Prozent ihres Gesamtbudgets für Online-Dienste ausgeben, wie Thomas Gruber, Intendant des Bayerischen Rundfunks kürzlich in einem SZ-Interview noch einmal herausstellte. Die Regelung dürfte wohl aus den Zeiten des rein textbasierten Web stammen, als zu Recht moniert wurde, Öffentlich-Rechtliche Nachrichtenportale wären im Wettbewerb mit privaten durch ihren GEZ-Geldsack begünstigt. Diese Zeiten sind längst vorbei. Die Deckelung der Online-Ausgaben sollte deshalb für audio-visuelle Eigenproduktionen sofort aufgehoben werden.

In der Bundesrepublik wird seit Jahren über die Notwendigkeit von Innovationen und breiten Bildungsangeboten lamentiert. Ein öffentlich-rechtliches Videoportal à la YouTube würde einen herausragenden Beitrag zu beidem leisten. Dann wären die Rundfunkgebühren endlich wieder gut angelegtes Geld. (wst)