Hacker 3.0

Eine Mikrosozialgeschichte des subversiven Computerns.

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Von
  • Peter Glaser

"Defacements" - Webseiten zu verunstalten - gehört heute, folgt man der Publikumspresse, zum kleinen Einmaleins des Hackens. Was gern als dramatische Attacke dargestellt wird, erfordert allerdings kaum Können, und gefährlich ist es auch nicht besonders. Peinlich für den Systembetreiber bleibt es allemal. Wer als richtiger Hacker respektiert werden will, macht Sicherheitslücken ausfindig und und veröffentlicht sie in Expertenforen, einschliesslich der zugehörigen Scripts; zuvor wird dem betroffenen Systembetreiber noch eine faire Reparaturfrist eingeräumt. Grünschnäbel, die einfach nur fertige Scripts abgreifen, um damit schlecht gesicherte Server zu knacken, gelten in der Szene als pubertäre Script-Kiddies.

Früher war (selbstverständlich) alles besser. 1961 bekam das MIT einen damals unfaßbar fortschrittlichen PDP-1-Rechner. Der MIT-Modelleisenbahnbastlerclub machte ihn zu seinem Lieblingsspielzeug und umgab ihn mit einer eigenen Kultur. Dieser digitalen Ursuppe entstiegen die ersten Hacker - Männer wie Seymour Cray, der den Supercomputer erfand, oder Steve Russel, der "Spacewar" programmierte, das erste Computerspiel. Hacken hiess, schlau zu sein und dabei Spass zu haben. Die nachfolgende Generation wurde von den ersten Hackern bereits als ein Haufen verweichlichter Müslifresser angesehen: Sie benutzten kleine "persönliche Computer", programmierten Spaghetticode in BASIC und prägten den Begriff der Datenreise. Die Hacker der dritten Generation sind mit dem Internet groß geworden und nehmen die Hacker-Ethik der sechziger Jahre wieder auf, die besagt, dass alle Information frei, alle Computer uneingeschränkt zugänglich und Dezentralisation das vorherrschende Prinzip sein sollte. Und außerdem, dass man die Daten anderer Leute in Ruhe lassen soll. Sogar zornige "Muslim Hackers" akzeptieren heute diese Prinzipen, für deren Verbreitung altgediente Organisationen wie der Chaos Computer Club gesorgt haben.

Natürlich sind Hacker keine Chorknaben. Ein kleiner Schaden sei vertretbar, sagte Apple-Mitbegründer Steve Wozniak einmal, "wenn es um Wissen geht". Er verdanke seinen College-Erfahrungen im Bau von "Blue Boxes" (mit denen man umsonst telefonieren konnte) viel Knowhow in der Kommunikationstechnik. Was die Hacker zu mehr als einem Haufen renitenter Technik Freaks macht, ist ihre Utopie eines Menschenrechts auf Information. Es ist ein Versuch, ausser pfiffiger Technik auch einen moralischen Anspruch hervorzubringen. Verborgene Informationen repräsentieren für Hacker die dunkle Seite der Macht. Sie glauben daran, dass Macht transparent sein muß und dass eine informierte Welt eine bessere Welt sein kann. (wst)