Tastaturdesinfizierer

Auf den ersten Blick stehen Computer und Schmutz - konkreter, stofflicher Schmutz - in großer Distanz zueinander.

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Von
  • Peter Glaser

Auf den ersten Blick stehen Computer und Schmutz - konkreter, stofflicher Schmutz - in großer Distanz zueinander. Als ich ein Junge war, hörten Computer gerade auf, Elektronengehirne zu heißen und bildeten eine wichtige Grundlage für zwei damals bedeutsame Ereignisfolgen: das amerikanische Mondlandeprogramm und die sieben Folgen der Fernsehserie “Raumpatrouille”. Vor allem der Bordcomputer des Patrouillenraumers Orion VIII, der aussah wie ein Oszilloskop im Chassis einer italienischen Espressomaschine, hatte es mir angetan - und wie die Einrichtung in dieser Zukunft anmutete: polierte Oberflächen, Chrom, elegante Geometrie, alles wie frisch ausgepackt. In mir erwuchs ein Eindruck vom Computer als einem Kristall der Reinheit. Ein Bereich, abgelöst von allem Stofflichen, unabhängig vom Staub der altertümlichen wirklichen Welt.

Auch desinfizierbare Tastaturen gehörten bisher einer nur fiktiven Zukunft an - bis eine amerikanische Firma dem nun ein Ende bereitete. In dem Roman “Per Anhalter durch die Galaxis” von Douglas Adams stellt sich heraus, dass die Geschichte der Menschheit damit begonnen hat, dass einst auf der prähistorischen Erde ein Raumschiff voller Telefondesinfizierer vom Planeten Golgafrincham strandete.

Als der Mikrobiologe Dr. Charles Gerba von der Universität von Arizona vor zwei Jahren verschiedene Lebensbereiche untersuchte, zeigte sich, dass an Computerarbeitsplätzen im Schnitt 400 mal mehr Keime finden sind als auf einer Klobrille. Das schmutzigste Objekt auf einem Schreibtisch ist das Telefon mit knapp 4000 Mikroben pro Quadratzentimeter. Die Tastatur liegt bei etwas über 500 krabbelnden Keimen pro Quadratzentimeter (gefolgt von Maus, Faxgerät und Kopierer). Dank einer Spezialversiegelung kann man dem grausigen Getümmel auf Keyboards nun beherzt entgegengetreten – sie lassen sich dadurch mit Desinfektionsmittel besprühen, in Reinigungsflüssigkeit tauchen, unter einem Wasserstrahl säubern und anschließend trockenföhnen. Waschbare Lesegeräte für Smartcards und waschbare Mäuse sind auch schon zu haben.

Man könnte sagen, Dreck ist Materie am falschen Ort. Aber auch biologische Fehlbelegung ist unerwünscht. Als Rechenzentren noch hauptsächlich aus Großrechnern bestanden, die mit gleichmäßigen 21 Grad Celsius klimatisiert werden mußten, konnte jedes Mehr an Wärme zu Evolutions-Überfällen führen. "Von Schaben bis zu Schimmelpilzen", so Jürgen Kupfrian, Leiter einer Firma für Computersicherheit, über das Innere von Großrechenanlagen, war "so ziemlich alles zu finden."

Legende geworden ist die Motte, die Grace Hopper, Mathematikerin und US Navy Lieutenant, an der Harward Universität in einem der allerersten Computer fand. Es war ein heißer Augustnachmittag im Jahr 1945. “Wir hatten keine Klimaanlage”, erinnert sie sich, “und die Fenster standen offen.” Im Protokollbuch des MARK I-Nachfolgers MARK II ist um 15.25 Uhr der Start eines Tests verzeichnet. Neben dem nächsten Eintrag um 15.45 ist mit Klebstreifen ein Tier fixiert: “Relais #70, Tafel F - Motte im Relais.” Das Insekt hatte einen Kurzschluß zwischen zwei Röhren ausgelöst. “Dann kam unser Vorgesetzter ins Zimmer und fragte, ob wir wohl auch ordentlich Zahlen schaufeln würden. Von da an sagten wir immer, wenn der Computer gerade nicht lief, wir seien dabei, bugs zu entfernen.” Die Seite mit der Motte liegt heute im Smithsonian Institute in Washington. Die Tradition der Bug-Suche wird immer noch gepflegt. (wst)