DDR 2.0?

Ab Juli darf sich jeder Bundesbürger von der Wiege bis zur Bahre auf eine neue, eindeutige ID-Nummer freuen - eigentlich zu Steuerabrechnungszwecken. Datenschützer erinnert das Vorhaben jedoch an die Personenkennzahl aus sozialistischer Zeit.

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Kann es eigentlich sein, dass der Datenschutz vielen Menschen in Deutschland heutzutage so lange schnuppe ist, bis Identitätsdiebstahl und Werbeflut bei ihnen anklopfen? Mir ist es jedenfalls unerklärlich, dass die Einführung der neuen deutschen Steuer-Identifikationsnummer ab dem 1. Juli nicht zu groß angelegten Protesten führt, sondern einfach so durchgewunken wurde.

Gut, da wären die weitgehend zahnlos wirkenden Datenschutzbeauftragten, die das Verfahren mit teils harschen Worten ablehnen. Geholfen hat es nichts: Das Ding kommt. 80 Millionen Deutsche erhalten dann künftig von Geburt an eine solche Ziffer, die lebenslang gilt und sogar erst 20 Jahre nach dem Tod gelöscht wird - inklusive Prüfsumme und anderem datenverarbeitungstechnischem Schnickschnack.

Die Grundidee mag ja okay sein: Die Finanzämter wollen es endlich schaffen, Steuerbetrügern leichter auf die Schliche zu kommen, die mit mehreren Steuernummer hantieren und andere Tricks anwenden, um die offenbar immer noch sehr häufig vorkommenden Schwierigkeiten beim Datenabgleich auszunutzen. Dass man mit der Technologie in einem Aufwasch Datenschutzalpträume wahr werden lassen könnte, bedenken jedoch offenbar nur wenige.

Die neue ID ist mit Namen, Anschrift(en), Geschlecht, Geburtstag, Geburtstag sowie dem zuständige Finanzamt verknüpft. Einmal vergeben, ändert sie sich nie mehr. Es ist abzusehen, dass eine solche eindeutige Adressierung Begehrlichkeiten noch und nöcher wecken wird. Angefangen von den Sicherheitsbehörden (die Steuerfahnder nutzen sie ja gleich) bis hin zur Wirtschaft - diese Information ist reines Gold. In den USA, wo die "Social Security"-Nummer eine ähnliche Funktion erfüllt, wird nicht erst seit Ankunft des Internet reihenweise Schindluder mit der ID getrieben.

Problematisch ist vor allem, dass sich mit einer solchen Nummer eindeutig zuzuordnende Datenbanken aufbauen lassen. Das Vorbild stammt ausgerechnet aus der DDR: Dort gab es die Personenkennzahl, kurz PKZ. Seit 1970 wurde diese systematisch verteilt und in einer hübschen Personendatenbank in Berlin-Biesdorf verwaltet. In Westdeutschland wollte man dem in den Siebzigerjahren nacheifern und versuchte einen ähnlichen Ansatz - der wurde aber vom Rechtsausschuss des Bundestages verworfen.

Aber heute geht so etwas eben durch. Da kann der Bund der Steuerzahler noch so lange vor einem "gläsernen Bürger" warnen, der jetzt wirklich Realität wird. Und bitte jetzt nicht mit dem Argument kommen, Menschen, die nichts zu verbergen haben, hätten nichts zu befürchten. In fünf bis zehn Jahren werden wir spätestens sehen, was solche eindeutigen IDs für Privatsphäre, Bürgerrechte und Konsumgesellschaft bedeuten. Die Instrumente, sie auszunutzen, sind inzwischen etabliert. Das ist der entscheidende Unterschied zu früher. (wst)