Trantor light

Nicht ein ursprüngliches "grünes" Leben, sonder mehr und bessere Technik ist die Voraussetzung für Nachhaltigkeit im 21. Jahrhundert.

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Von
  • Niels Boeing

Vor 35 Jahren veröffentlichte der Club of Rome seinen ersten Bericht zur Lage des Planeten. Auch wenn der Bericht letztlich nicht viel bewirkte: Sein düsterer Tenor, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit einem globalen Kollaps entgegensteuern, bestimmt bis heute die Debatte um die ökologischen Zukunftsaussichten. Manche Zeitgenossen gehen gar so weit, den Menschen als Plage zu betrachten – quasi ein kosmischer Pilzbefall, der irgendwie aus dem Nichts kam. Der Klimawandel oder die sagenumwobene Umweltverschmutzung in China scheinen dieses dumpfe Gefühl noch zu stärken.

Zugrunde liegt diesem Fatalismus die romantische Vorstellung, Natur und Zivilisation seien unvereinbare Gegensätze. Wir wären schon einen Schritt weiter, wenn wir diese Vorstellung erst einmal über Bord werfen würden.

Tatsächlich ist in den vergangenen Jahrhunderten eine weltumspannende „Technosphäre“ entstanden, die sich mit Bio- und Geosphäre unauflösbar verwoben hat. Ein schöne Visualisierung dieser Technosphäre haben vor kurzem amerikanische Umweltforscher in Science präsentiert. Besonders interessant ist ein Satz in ihrem Paper: „Abgesehen von der Reproduktion ist die natürlichste aller menschlichen Aktivitäten die Domestizierung der Natur.“ Denn die ist seit Jahrtausenden im Gange (eine Zusammenfassung des Papers haben die Kollegen von Telepolis geschrieben).

Es kann deshalb in den nächsten Jahrzehnten nicht darauf ankommen, irgendwie einen Weg zurück zur Natur zu finden. Der Trend zur Ausbildung weiter Stadtlandschaften, wie ihn etwa der US-Soziologe Mike Davis in seinem jüngsten Buch „Planet der Slums“ beschrieben hat, ist ungebrochen. Mit einer heimlichen Lust an der Apokalypse darauf zu warten, dass all die Agglomerationen im Chaos versinken, ist jedoch die eigentliche Perversion – nicht die Verstädterung selbst.

Dass die kein Untergang sein muss, zeigt die „Technosphärenkarte“ der US-Forscher: Die „unnatürlichste“ Weltgegend ist Europa – tief rot eingefärbt. In der atemberaubend kurzen Zeit von etwa 200 Jahren ist ein ganzer Kontinent technisch radikal umgestaltet worden, und dennoch leben hier 500 Millionen Menschen alles andere als schlecht.

Das ist wie eine frühe Vorstufe jener „ewigen Welt“ Trantor, die der weitsichtige Isaac Asimov in seinem „Foundation“-Zyklus beschrieben hat. Ein ganzer Planet als eine einzige Stadtlandschaft. Zwar ist Trantor eine extreme Gigantomanie: 40 Milliarden Menschen leben unter Kuppeln, ohne je das Sonnenlicht zu sehen. Interessant ist aber, dass Asimov die Versorgung von Trantor mit Energie und Nahrung in der später erschienenen Vorgeschichte „Die Rettung des Imperiums“ als durchaus autark beschrieben hat. „Alles, was sie hier essen, ist in Wye gewachsen“, erklärt etwa die Bürgermeisterin des Bezirks Wye dem Außenweltler Hari Seldon. Das beste Essen von Trantor findet sich im Bezirk Mykogen, in dem die schrulligen Bewohner ihre Lebensmittel in Hightech-Biofarmen herstellen.

Asimov hat sich hier vielleicht von den Verheißungen der Biotechnik beeindrucken lassen, die im Erscheinungsjahr des Buches 1988 noch nicht von Debatten um die Auswirkungen grüner Gentechnik getrübt waren. Aber auch Europa ernährt sich heute mit einem im Vergleich zu früheren Jahrhunderten winzigen Agrarsektor, der seine Produktivität technisch enorm gesteigert hat.

Anstatt uns an ein ursprüngliches „grünes“ Leben als Vision für eine nachhaltige Zivilisation zu klammern, sollten wir mit einer Lebenslüge Schluss machen: Ohne mehr und bessere Technik wird in diesem Jahrhundert der Verstädterung – der „Trantorisierung“, wenn man so will – keine nachhaltige Zivilisation möglich sein. Nicht neue Technik an sich ist das Problem, sondern die Tatsache, dass sie nicht allen frei zugänglich gemacht wird, und dass sie oft genug mit einer Art Bewusstlosigkeit vorangetrieben wird. Ich bin absolut überzeugt davon: An einer Zukunft als „Trantor light“ werden wir in diesem Jahrhundert nicht vorbeikommen – jedenfalls dann nicht, wenn wir den anderen massiv wachsenden Weltregionen eine selbstbestimmte Entwicklung zugestehen wollen.

Trantor scheiterte im Übrigen in Asimovs Zyklus nicht an einem ökologischen Kollaps, sondern an politischem Chaos und technischer Innovationsunlust. Auch hier könnte sich Asimov als äußerst weitsichtig erweisen. (wst)