Nebensachen aus dem Global Village

Die Netzbeschränkung des iPhones ist ein Luxusproblem: In manchen Weltgegenden ist schon das bloße Schreiben einer SMS eine Qual.

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Von
  • Niels Boeing

Als ich kürzlich vom erfolgreichen Hack der iPhone-Netzbeschränkung las, war ich vermutlich ebenso erleichtert wie viele andere, dass wieder einmal der Versuch einer willkürlich geschlossenen Technologie gescheitert war – jedenfalls vorübergehend. Wieder ein David mehr, der es erfolgreich mit einem Goliath aufgenommen hat. Die Netzbeschränkung, die Apple durch seine Exklusivverträge mit Mobilfunkanbietern durchboxen will, nimmt sich vor einer Schwierigkeit in anderen Weltgegenden allerdings als ein Luxusproblem aus.

Als ich vor einiger Zeit in Sri Lanka war, stellte ich fest, dass die Leute dort ihre SMS zwar auf Singhalesisch, aber mit lateinischen Buchstaben eintippen. Es gibt offenbar nicht selbstverständlich vorinstallierte Packages für singhalesische Schriftzeichen auf Handys. Dasselbe Phänomen hatte ich drei Jahre zuvor schon einmal in Äthiopien beobachtet. Statt in der 2600 Jahre alte Schrift Ge’ez, in der einige Sprachen der Region geschrieben werden, däumelten die Jungs vor dem Hotel damals eine Umschrift des Amharischen ins Gerät.

Das Problem ist nicht die Tatsache, dass Singhalesisch und Ge’ez über eine beeindruckende Anzahl an Schriftzeichen verfügen. Auch für andere komplexe Schriftsysteme wie Japanisch und Koreanisch sind Lösungen gefunden worden. Der Unicode-Standard bietet die Möglichkeit, sämtliche Schriftsysteme der Erde darzustellen (eine schöne Übersicht über die wichtigsten bietet eine Weltkarte der Wikipedia).

Nein, Äthiopien und Sri Lanka haben einfach das Pech, als ökonomisch uninteressante Länder zu gelten. Es ist für die großen Handy-Hersteller nicht lukrativ, etwa auch ein Ge’ez-Interface entwickeln zu lassen. Dasselbe gilt auch für PC-Betriebssysteme, aber der Mobilfunk hat in diesen Ländern eine viel größere Bedeutung.

Die Dominanz der westlichen (und vor allem: angelsächsischen) Kultur, die von Globalisierungskritikern beklagt und von Globalisierungsverfechtern bestritten wird, manifestiert sich hier jedenfalls recht deutlich in Software. Man stelle sich nur einmal den umgekehrten Fall vor, wir alle hier müssten tagaus, tagein unsere Mobilkommunikation etwa in kyrillischen oder, noch härter, arabischen Buchstaben abwickeln, weil es erst einmal gar keine Möglichkeit gibt, lateinische überhaupt anzuzeigen. Es wäre ein einziges Gefluche, von Kulturimperialismus wäre die Rede.

Es ist wie so oft unverbesserlichen Enthusiasten zu verdanken, dass eine solche Herabwürdigung einer Schriftkultur ein Ende haben kann. In Äthiopien waren es Studenten der Universität Addis Abeba, die eine Software für SMS in Ge’ez entwickelten. In Kambodscha hat die Khmer Software Initiative der Computertechnik die Khmer-Schrift beigebracht.

Auch wenn der iPhone-Coup des 17-jährigen George Hotz beeindruckend ist: Die wahren Helden des Global Village sind für mich jene Davids in der „Peripherie“, deren Arbeit Millionen Menschen den Zugang zu einer ersten produktiven Digitalität überhaupt ermöglicht. (wst)