Neo-Ökos ohne Heimat

Während sich der Handel auf die wachsende Schar der gutverdienenden umweltbewussten Kunden einstellt, wollen die Parteien nichts von ihnen wissen. Die Grünen sind da keine Ausnahme.

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Im deutschen Bundestag sitzen derzeit fünf Parteien, die um Profil und Wählerstimmen ringen. Doch sie alle ignorieren eine stets wachsende Gruppe von Bürgern, die von der Trendforschung und dem Einzelhandel längst ins Visier genommen worden sind.

Diese Gruppe rekrutiert sich aus ehemaligen Linksalternativen, die sich mit der Marktwirtschaft angefreundet haben wie Joschka Fischer mit dem Dreiteiler, oder aus technisch-betriebswirtschaftlich orientierten Menschen, für die Naturschutz längst nüchterne Notwendigkeit ist. Sie halten Technik nicht für einen Teil des Problems, sondern der Lösung – wobei sie sich aber sehr genau anschauen, welche Technologie weiterhilft und welche nicht. Sie glauben, dass die Welt nicht an zu viel, sondern zu wenig Globalisierung krankt. Sie kaufen Bio-Obst – nicht aus Prinzip, sondern weil es schmeckt. Sie fahren ein Hybrid-Auto – aber nicht alleine wegen des Klimawandels, sondern weil es cool ist.

Die Grenzen zum Snob ("Mein CO2-Fußabdruck ist kleiner als Deiner") sind fließend. Sie investieren in Nachhaltigkeitsfonds, aber nicht nur wegen des guten Gewissens, sondern auch wegen der Rendite. Sie halten die Sorgen der dritten Welt durchaus nicht für ein Problem anderer Leute, glauben aber nicht, dass Schuldenerlass und Entwicklungshilfe die richtigen Maßnahmen sind – eher schon Mikro-Kredite. Sie achten auf die Ökobilanz von Produkten, aber auch auf das Design. Sie mögen sich ihren Flug zum Trekkingurlaub in Nepal nicht verkneifen, haben aber anschließend ein schlechtes Gewissen und kaufen Ablassbriefe bei Atmosfair. Sie sehen Nachhaltigkeit nicht nur als Imperativ der Ökologie, sondern auch der Ökonomie – zum Beispiel beim Thema "Staatsschulden abbauen".

Diese Gruppe hat weder eine politische Heimat noch einen Namen. Mit dem populären Kürzel "Lohas" ("Lifestyle of Health and Sustainibility"), den Yuppies der 2000er, scheint sie mir etwas zu eng umrissen. Wie wäre es mit "Neo-Ökos" oder "Clean-Tekkies"? Oder mit "Teölibs" (technophile Öko-Liberale)? Für bessere Vorschläge bin ich dankbar.

In Deutschland sollen laut Zukunftsinstitut schon ein Drittel der Verbraucher in den westlichen Ländern zu den Lohas gehören. Die Lebensmittelhändler stellen sich längst darauf ein. Doch was ist mit den Parteien? Die Grünen haben auf ihrem Nürnberger Parteitag wenig getan, sich den Neo-Ökos zu empfehlen. Oswald Metzger, der Grünen-Politiker, der den Neo-Ökos wohl am nächsten stehen dürfte, hat angekündigt, aus der Partei auszutreten. FDP-Chef Guido Westerwelle umwirbt zwar mittlerweile abtrünnige Grünen-Wähler, doch ob diese ihm die Wandlung zum überzeugten Umweltschützer abnehmen, ist fraglich – schließlich hat Westerwelle seinerzeit gegen die die Ökosteuer und das Erneuerbare-Energie-Einspeisegesetz opponiert und ist zudem Befürworter von Kernkraft und Gentechnik.

Dabei wäre es für die Grünen schon alleine aus parteitaktischen Gründen klug, sich der Neo-Ökos anzunehmen. Mit ihrer auf dem Nürnberger Parteitag beschlossenen Sozialdemokratisierung steuern sich die Grünen nämlich in einer Ecke, die von SPD und Linksparteitag längst besetzt ist. Eine große, politisch heimatlose Wählergruppe lassen sie dabei rechts liegen. (wst)