Schuldenschnitt für die Ukraine

Mit Nachdruck wird beim IWF über eine Umschuldung verhandelt, die Griechenland verweigert wird

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Es geht doch, könnte man sagen. Schaltet der Internationale Währungsfonds (IWF) im Fall Griechenland in der Frage eines Schuldenschnitts auf stur, fordert er den im Fall der Ukraine. So wurde mit den Gläubigern am Sitz des IWF in Washington gerade vereinbart, in der kommenden Woche Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu führen, denn der IWF drängt auf eine schnelle Einigung. Vitalij Lisovenko, der die ukrainische Verhandlungsdelegation anführte, hatte schon im Vorfeld gedroht, den Schuldendienst einzustellen, wenn das Treffen beim IWF scheitere.

Doch beim IWF ist man im Fall der Ukraine auch bei solchen Drohungen nachsichtig. Dabei soll es für private Geldgeber der Ukraine teuer werden, denn die sollen einen guten Teil ihrer Forderungen abschreiben. Sogar das im Frühjahr mit dem IWF vereinbarte Hilfsprogramm sieht das vor. Demnach erhält die Ukraine über die bisherigen Milliardenhilfen hinaus weiter 17,5 Milliarden US-Dollar vom IWF und dazu sollen weitere 7,5 Milliarden von anderen Geldgebern kommen. Eine Bedingung ist, dass Gläubiger ihrerseits auf etwa 15 Milliarden verzichten.

Ohnehin dürfte der IWF längst dem Land kein Geld mehr geben. Das haben frühere hochrangige IWF-Mitarbeiter immer wieder erklärt. So hatte Susan Schadler schon im vergangenen Herbst deutlich gemacht, dass der IWF im "ukrainischenSumpf" steckt. Die Osteuropa-Expertin machte deutlich, dass der IWF gegen seine Regeln verstoße, kein Geld an Länder mit internen kriegerischen Konflikten fließen zu lassen. Zudem hatte der IWF dem Land schon vor der Geldspritze im Frühjahr mehr Mittel gewährt, als nach den üblichen Quoten möglich sei. Eigentlich darf Geld nur fließen, wenn gesichert ist, dass das Land in den nächsten 12 Monaten seinen Verpflichtungen wieder nachkommen kann.

Das kann getrost ins Reich der Märchen und Fabeln verwiesen werden. Denn die Verschuldung der Ukraine ist inzwischen auf fast 100% des Bruttosozialprodukts explodiert. Die Wirtschaft stürzt sogar noch stärker ab als erwartet. Sogar der IWF prognostiziert nun, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr um 9% schrumpft. Wie erwartet, musste der Fonds wieder einmal seine zu positiven Forderungen korrigieren. Noch im Herbst ging er von gut 7% für 2015 aus, obwohl der Krieg damals sogar an Intensität gewann.

Doch schon damals war nicht zu erwarten, dass die Ukraine die Schulden wieder bedienen kann. Und das wird natürlich angesichts der Wirtschaftsentwicklung immer utopischer. So ist nun zu erwarten, dass das Land, verstärkt durch den Krieg im Osten, noch stärker zum Fass ohne Boden wird. Ein Schuldenschnitt, wie er nun geplant ist, wird daran nichts ändern. Das kann man im Fall der Ukraine genauso sagen, wie man es einst zu dem absurden Vorgehen des IWF in Griechenland sagen konnte.

Obwohl Geld vom IWF, aus Deutschland und auch aus der EU fließt, konnte nun die Ukraine seine Gasrechnungen gerade in Russland nicht bezahlen. Oder besser gesagt, es konnte die vereinbarte Vorkasse nicht leisten. Denn in der Einigung über die offene Milliardenrechnung hatte man sich darauf verständigt, in Vorkasse zu gehen, um nicht erneut unbezahlte Rechnungen in Milliardenhöhe auflaufen zu lassen. Weil die Vorauszahlung für Juli nicht erfolgte, stellte Russland die Gaslieferungen mit sofortiger Wirkung gestern ein.

Ein Problem in den Verhandlungen um den Schuldenschnitt ist auch, dass die Ukraine einen Kredit in Höhe von drei Milliarden Dollar an Russland nicht zurückzahlen will. Kiew betrachtet ihn als private Anleihe und möchte ihn, anders als Kredite des IWF zum Beispiel, in den Schuldenschnitt einbeziehen. Das lehnt Russland ab. Zuletzt war sogar unklar, ob die Ukraine die Zinsen an Russland überweist. Doch auf Druck des IWF wurde zunächst zugesichert, die fälligen 75 Millionen Dollar zu überweisen.

Die Ukraine kündigte dabei an, Kiew könne sein Verhalten zu den Zahlungsverpflichtungen ändern, wenn es in den Verhandlungen über den Schuldenschnitt nicht bald Fortschritte gebe. Immer wieder hatte Finanzministerin Natalija Jaresko den privaten Gläubigern und Russland erklärt, sie müssten sich auf einen Abschlag von etwa 40% ihrer Kredite einstellen, die sich auf etwa 19 Milliarden belaufen. Doch scheinbar kommt, das ist auch aus Washington zu hören, nun Bewegung in die Verhandlungen mit den US-Investment- und Hedgefonds. Das berichtet Bloomberg. An Gesprächen in der kommenden Woche soll nun auch die Finanzministerin teilnehmen, wird dafür als Beleg angeführt.