Finnland: Der Mythos "Grundeinkommen"

Außer Kontrolle

Das finnische Grundeinkommen ist trotz des Jubels über das "progressive Land" höchstens eine Version des ergänzenden ALG II

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"Finnland wagt das soziale Experiment" titelte n-tv - und Vice meinte: "Finnland hat die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens beschlossen". Ob Huffington Post, der Tagesanzeiger aus der Schweiz, oder die Süddeutsche (die darauf hinweist, dass hier lediglich ein Experiment gestartet werden soll, was zwar richtig ist, aber nichtsdestotrotz am Kern der Angelegenheit vorbeigeht) – sie alle waren begeistert ob der vermeintlichen Progressivität des Staates in Skandinavien.

Wenige Tage später ist das Thema aus den Schlagzeilen verschwunden, die "Ja, Finnland ist super, welch ein Vorbild"-Rufe sind verstummt. Bei näherer Betrachtung wurde nämlich in Finnland alles andere als ein bedingungsloses Grundeinkommen vereinbart. Zunächst, wie auch die Süddeutsche Zeitung richtig schrieb, geht es nicht um eine rechtliche Verankerung per se, sondern darum, ein Grundeinkommen zu testen, d.h. ein Experiment zu beginnen und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.

Schon gar nicht geht es um ein "bedingungsloses Grundeinkommen", denn die Bedingung dafür, das "Grundeinkommen" zu erhalten, ist eine Erwerbstätigkeit. Das "Grundeinkommen" ist insofern die finnische Methode des ergänzenden ALG II für jene, die eine schlechtbezahlte Tätigkeit annehmen, im Endeffekt also eher für die Unternehmen nützlich, die die Personalkosten niedrig halten. Langzeitarbeitslose sollen so dazu angeregt werden, auch gering bezahlte Tätigkeiten zu übernehmen.

Doch damit nicht genug: Die Auswahl derjenigen, die das "Grundeinkommen" erhalten, soll per Los entschieden werden. Ob dies von den Gerichten akzeptiert wird, ist fraglich. Und auch viele weitere Fragen bleiben offen - wie z.B. die Auswahl der Region, in der das Experiment stattfinden soll, wer genau teilnehmen darf (nur Lohnempfänger oder auch Selbständige usw.) und ob die Teilnahme abgelehnt werden darf.

Auch ist zu erwarten, dass das Experiment ein hohes Maß an Bürokratie mit sich bringen wird. Zunächst wird einmal darüber beraten, wer in dem Ausschuss sitzen soll, der sich mit der Umsetzung der Idee befassen wird. Wie die Zeit in ihrem ausführlichen Artikel feststellt, wird noch sehr viel Zeit vergehen, bis das "Grundeinkommen" (das keines ist) überhaupt getestet wird.