Kultur-Hacks mit offenen Daten

10 Wochen Zeit, 47 Datensätze von 33 Kulturinstitutionen und viele kreative Köpfe sind die Zutaten für den Hackathon "Cod1ng da V1nc1". In der zweiten Auflage übertrifft das Projekt seine Vielfalt an Technik und Kultur.

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10 Wochen Zeit, 47 Datensätze von 33 Kulturinstitutionen und viele kreative Köpfe sind die Zutaten für den Hackathon "Cod1ng da V1nc1". In der zweiten Auflage übertrifft das Projekt seine Vielfalt an Technik und Kultur.

Cod1ng da V1nc1 ist ein schönes Beispiel dafür, was durch interdisziplinäre Zusammenarbeit entstehen kann. Das Wort "Interdisziplinarität" klingt zwar viel zu akademisch, um die Kreativität und den Spaß am gemeinsamen Entwickeln direkt zu beschreiben. Aber letztlich ist es tatsächlich das Zusammenkommen von unterschiedlichen Talenten, wodurch neue digitale Konzepte wie beim Kultur-Hackathon zum Leben erweckt werden. Zum zweiten Mal haben die Organisatoren der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Open Knowledge Foundation Deutschland, der Servicestelle Digitalisierung Berlin und Wikimedia Deutschland dazu aufgerufen, aus öffentlichen Kulturdaten neue Anwendungen und Nutzungsideen zu entwickeln. Seit Ende April steckten Coder, Designer und viele Interessierte die Köpfe zusammen. Und weil ich dank der App ZwitscherWecker, ein Projektergebnis vom letzten Jahr, die Goldammer nun auf dem Feld an ihrem Gesang erkenne, hat mich interessiert, was sich die Teilnehmer in diesem Jahr haben einfallen lassen.

Gestern fanden nämlich die Präsentationen und die Gewinner-Ehrung im Jüdischen Museum in Berlin statt. 33 Kultureinrichtungen aus ganz Deutschland hatten im Vorfeld 600.000 Daten wie Sounds, Bilder, Karten Videos und Metadaten bereitgestellt. Die 150 Kultur-Hacker machten daraus innerhalb von zehn Wochen 28 Projekte: von der App bis hin zum Hardware-Hack war alles dabei. In fünf Kategorien wurden Gewinner gekürt: "most useful", "funniest hack", "out of competition", "best design" und "most technical". Und natürlich gab es dazu mit "everybody's darling" auch einen ausgezeichneten Publikumsliebling.

Über den Titel „most technical“ freut sich beispielsweise das Team der Kurbelkamera. Für Freunde der gelebten Filmgeschichte dürfte das besonders interessant sein, denn mit dem Projekt taucht man in die Anfänge der Filmkamera ein. Mithilfe des entwickelten Exponates in Erscheinung einer alten Kamera können die Nutzer einen kurzen Tanzfilm von 1903 durch eigenhändiges Kurbeln zum Laufen bringen. Sie können sich dann selbst in den Film einbringen und wiederum vor der Leinwand abfilmen. Es entsteht so ein neuer Film, den man über einen QR-Code auf seinem Handy abspeichern und auch mit Freunden teilen kann. Das Team setzte dabei auf einen RaspberryPi mit Kamera, ein Arduino mit Taster und Drehgeber sowie einen Beamer für die Rückprojektion.

Als Musik-Fan finde ich außerdem das Projekt Midiola spannend, das als „best design“ überzeugte. Diese Smartphone-App funktioniert als Musikplayer, der digitalisierten Notenrollen für selbstspielende Klaviere aus der Sammlung des Deutschen Museums München abspielt. Den historischen Pianola-Kompositionen, der Großvater-Generation wird das noch bekannt sein, wird somit auf dem Smartphone wieder zu neuem Klang verholfen. Auch andere Notenquellen sollen sich mit der Handykamera abfilmen und live abspielen lassen können.

Die Idee, öffentliche Daten, die jahrelang abgeschottet in Sammlungen lagerten, durch begeisterte Programmierer aus dem verstaubten Keller hervorzuholen, finde ich nach wie vor bestechend. Durch kreative Ideen und die Umsetzung in Codes können so historische Artefakte auch im digitalen Zeitalter einen neuen Platz finden. Dass die Begeisterung für solche Projekte groß ist, demonstrieren vergleichbare Aktionen wie Code for Germany, bei denen Anwendungen mit offenen Daten für Städte im Fokus stehen oder auch Mapping Parties, bei denen gemeinsam Kartendaten für OpenStreetMap erfasst werden. Wer also meint, durch die zunehmende Digitalisierung vereinsamen die Menschen mehr und mehr, dem beweisen besonders solche Hacking-Events das Gegenteil. (jle)