Organisationstalent für den Schreibtisch

Die aus der KI-Forschung hervorgegangene Software "Smart Desktop" gruppiert Dokumente und Kommunikationsverläufe automatisch nach Projekten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Erica Naone

Die Informationsmengen, die sich auf dem Rechner nahezu jedes Büroanwenders stapeln, stellen für viele inzwischen ein echtes Organisationsproblem dar. Eine demnächst erhältliche Software namens Smart Desktop, die von der in Seattle beheimateten Pi Corporation stammt, soll den Nutzern künftig helfen, diese Daten automatisch intelligent zu sortieren.

"Das moderne Leben ist komplex – dementsprechend muss jeder von uns, egal wie seine Berufsbezeichnung auch lautet, auf beherrschbare Teile herunterbrechen", sagt Jon Herlocker, Technologiechef im Smart Desktop-Team. "Und diese Teile werden zum Kontext, in dem wir an den Dingen arbeiten." Smart Desktop ist dementsprechend aufgebaut – es gruppiert Informationen nach Projekten. Doch die Software tut mehr, als nur alle Word- oder Excel-Dokumente in einen Ordner zu packen. Derzeit liegen die meisten Daten an unterschiedlichen Orten – wichtige Webadressen stecken womöglich in der Browser-History von Firefox und E-Mails in Outlook. Smart Desktop vereint diese Informationen in einer einzigen Ansicht. Versteht das System einmal, dass der Nutzer an einem bestimmten Projekt arbeitet, bringt es die damit zusammenhängenden Dateien und E-Mails an einem Platz zusammen. Auch neu eintreffende E-Mails zum Thema werden dem Nutzer dann direkt vorgelegt.

Das System macht dem Nutzer Informationen auf zwei Arten zugänglich, wie John Forbes, Leiter der Smart Desktop-Abteilung, erläutert. Alle Materialien zu einem Projekt sind im Nutzerinterface von Smart Desktop sichtbar. Das System setzt aber auch Markierungen für Dateien und E-Mails – nach diesen "Tags" lässt sich dann beispielsweise in Outlook suchen. "Man könnte Smart Desktop auch als automatische Tagging-Lösung beschreiben", sagt Forbes.

Laut Herlocker wurde das System deshalb direkt für Windows entwickelt, damit der Nutzer weiter mit seinem bestehenden Betriebssystem arbeiten kann, während er Smart Desktop nutzt. Neben der Unterstützung populärer Microsoft-Anwendungen werden auch Programme wie Adobe Acrobat und die Webwerkzeuge Google Docs sowie Zoho Sheets eingebunden.

Die Grundlagentechnologie von Smart Desktop stammt aus dem "Task Tracer"-Forschungsprojekt der Oregon State University, das im Rahmen der "CALO"-Initiative für den KI-Einsatz im Büro entstand. Dabei wird maschinelles Lernen verwendet, mit dem die Aufgaben, an denen die Nutzer arbeiten, jederzeit beobachtet werden. Die Wurzeln in der KI zeigen sich in Smart Desktop allerdings kaum, wie Herlocker betont: "Wenn man die Technik zu sehr vermenschlicht, werden die Erwartungen der Nutzer zu hoch." Smart Desktop sei eben kein verständiger Humanoide.

Obwohl die genauen internen Abläufe von Smart Desktop noch nicht vollständig feststehen, zielt der Hersteller laut Herlocker darauf, die KI "so unsichtbar wie möglich" zu machen. Beispielsweise könnte das System Suchergebnisse automatisch so sortieren, dass relevantere Treffer nach oben gelangen. Auch denkbar: Ein automatisches Auswählen des passenden Ordners im Speicherdialog, was Klicks spart. "Wir wollen eine Lösung, bei der die Nutzer ihre Arbeitsweise nicht verändern müssen", sagt Forbes.

Überprüft wurde im Vorfeld beispielsweise, wie viele Nutzer überhaupt bereit wären, ein solches System zu "trainieren" und wie viele Arbeitsunterbrechungen sie dadurch dulden würden. "Wir haben versucht, hier einen Mittelwert zu finden, der so viel wie möglich davon umsetzt, was wir über maschinelles Lernen und KI wissen." Gleichzeitig sei man aber auch sehr realistisch, welche Auswirkungen die Technologie im menschlichen Kontext haben könne.

Pi ist nicht die einzige Firma, die an solchen Produkten werkelt. Auch der Softwaregigant Microsoft arbeitet in seinem "Center for Information Work" an einem Desktop-Assistenten mit ähnlichen Fähigkeiten. Aktuell existiert er als Prototyp und soll die Kommunikationsabläufe, Terminkalender und andere darauf bezogene Informationen zusammenbringen, sodass eine Zeitleistenansicht des Tages entsteht.

Das System liefert basierend auf der Tätigkeit des Nutzers relevante Inhalte – oder achtet darauf, was aktuell ansteht. "Die Software ist in dem Sinne "smart", dass sie versteht, welche Informationen wichtig sind, Kommunikationsabläufe und Informationen nach Prioritäten ordnet und dem Nutzer erlaubt, sie auf ein beherrschbares Maß zu filtern", erklärt Russ Burtner, der am "Center for Information Work" arbeitet. Smart Desktop steht derzeit nur ausgewählten Nutzern zur Verfügung. Das Vollprodukt soll bis Ende 2008 bereitstehen. (bsc)