Herz aus dem Labor

Forscher nutzen Spenderorgane als Grundlage für den Aufbau neuer Herzen, deren Zellen vom Empfänger stammen und deshalb keine Immunreaktion hervorrufen.

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Von
  • Amanda Schaffer

Forschern an der University of Minnesota ist ein großer Schritt in Richtung der Herstellung von Ersatzorganen gelungen, die aus den Zellen des Patienten bestehen. Bei ihren Experimenten an Ratten und Schweinen befreiten sie Spenderherzen von ihren Zellen, um das übrig gebliebene Material schließlich als Gerüst zu verwenden, auf dem die Zellen des Empfängers zum Wachsen gebracht werden konnten. Ein ähnlicher Ansatz könnte eines Tages bei Menschen verwendet werden, die an Herzerkrankungen im Endstadium leiden. Die neu aufgebauten Organe könnten sich als gute Alternative zu traditionellen Spenderherzen erweisen, weil die Wahrscheinlichkeit einer Immunreaktion geringer wäre.

"Das ist ein kühnes und sehr spannendes Projekt", meint Buddy Ratner, Professor für Bioingenieurswesen an der University of Washington, der die Arbeit begutachtet hat. Doch bevor der Ansatz tatsächlich auf menschliche Patienten übertragbar sei, müssten noch große Hürden genommen werden.

"Das ist nur unser erster "Proof of Concept", der zeigen soll, dass es nicht total verrückt ist, ein ganzes Herz seiner Zellen zu entledigen und es dann mit neuen wieder aufzubauen", gibt Doris Taylor zu, Direktorin des "Center for Cardiovascular Repair" an der University of Minnesota, die die Studie durchführte.

Um das zellenlose Gerüst zu schaffen, durchschwemmten die Forscher Rattenherzen mit speziellen Reinigungsmitteln. Nach Entfernung der Zellen ergab sich eine komplexe Architektur aus einer weißen, extrazellulären Matrix. Die Anatomie der Herzkammer blieb dabei offenbar intakt, genauso wie die Herzklappen und Blutgefäße, sagt Taylor.

Dieses Gerüst wurde dann mit Herz- und Endothelzellen neu besiedelt, die von anderen Ratten stammten. Dieses Konstrukt wurde dann in einen Bioreaktor gesetzt, der Blutdruck, die elektrische Stimulierung und die anderen Aspekte der Herzphysiologie simulierte. "Wir wollten die Zellen so behandeln, als wären sie in einem echten Organ, um dann zu sehen, ob sie sich entsprechend verhalten würden", sagt Taylor. Nach vier Tagen begannen die Zellen in den neu aufgebauten Organen mit der Kontraktion. Nach acht Tagen konnten sie bereits wieder Blut pumpen – mit immerhin zwei Prozent der Kraft des Herzens einer erwachsenen Ratte.

"Das ist für mich der ultimative biomimetische Ansatz bei der Herstellung von Herzgewebe", meint Godana Vunjak-Novakovic, Professorin für biomedizinische Ingenieurwissenschaften an der Columbia University. Eine ganze Herzmatrix ohne Zellen böte "praktisch das ideale Gerüst", da große Teile der Zusammensetzung, Struktur samt der mechanischen Eigenschaften erhalten blieben.

Theoretisch könnten auch Menschenherzen auf die gleiche Art produziert werden – als Alternative zu normalen Spenderorganen. Dann müssten die Patienten auch keine ihre Immunabwehr unterdrückende Medikamente schlucken, weil die Konstruktion mit eigenen Zellen erstellt würde.

Dazu würde man jedoch das Organ eines Toten (oder möglicherweise auch eines von Schweinen) benötigen. "Man braucht also noch immer ein Herz, um ein Herz zu erstellen, und wir haben gerade davon nur wenige übrig", sagt Ratner.

Eine weitere Herausforderung ist der Erwerb passender menschlicher Zellen in genügend großer Menge, um das Gerüst auch wirklich zu beleben. Adulte Herzmuskelzellen vermehren sich aber kaum, sagt Vunjak-Novakovic. Auch aus Knochenmark sind sie nicht herstellbar. Stammzellen aus dem Körper wären eine weitere mögliche Quelle, doch gibt es derer nur wenige. Embryonale Stammzellen sind eine weitere Idee, aber sie müssten sich erst zum gewünschten Gewebe ausdifferenzieren und dann angepasst werden, damit der Körper des Patienten sie annimmt.

Eine weitere Herausforderung, die beim Menschen schwerer zu meistern ist als bei den Nagern, liegt in der konkreten Zellzahl, die benötigt wird, um das Gerüst zu füllen – stimmt sie nicht, überlebt das Herz kaum. Auch müssen sie jeweils das richtige Alter haben.

Es könnte außerdem schwierig sein, so ein Herz zu schaffen, das über einen langen Zeitraum elektrisch stabil bleibt, meint Richard Lee, Kardiologe am Brigham and Women's Hospital in Boston, der auch an der Harvard Medical School lehrt. Das Herz müsste beweisen, dass es über einen langen Zeitraum im Körper bestehen kann, ohne dass es zu Blutgerinnseln oder Infarkten kommt. "Es wird noch lange dauern, bis ich eine solche Idee als Behandlungsmethode am Horizont sehe", sagt Lee.

In den vergangenen Jahren wird jedoch viel an künstlichem Herzgewebe geforscht. Dabei werden oft Zellen in Verbindung mit verschiedenen Gerüstmaterialien verwendet, um entweder Gefäß- oder Herzgewebe zu schaffen.

Obwohl das neu geschaffene Organ, das Taylor sich vorstellt, eine Alternative zum Transplantat bei Menschen mit Herzkrankheiten im Endstadium oder kongestiver Herzinsuffizienz sein könnte, sehen andere Forscher einen besseren Ansatz in der direkten Reparatur des lokalen Gewebes etwa bei Infarkten. Ein so genannter Herz-Patch, der aus künstlich hergestellten Gewebebändern besteht, könnte demnach in beschädigten Bereichen aufgebracht werden, um die Herzfunktion wiederherzustellen.

Allerdings geht auch dies nicht ohne die erwähnten Schwierigkeiten ab: Die Forscher benötigen geeignete Zellen, müssen sie auf einem Gerüst wachsen lassen und sie dann erfolgreich in den Körper integrieren, meint Vunjak-Novakovic von der Columbia University. Ihre Gruppe arbeitet an einem Herz-Patch, der aus adulten und embryonalen Stammzellen gebildet werden kann. Das Ziel ist die Wiederherstellung von Herz- und Gefäßgewebe in durch Infarkte geschädigten Bereichen. In Tierversuchen wurden hier bereits erste Erfolge deutlich, Untersuchungen am Menschen fehlen aber noch. Taylor sagt, dass ihr Ansatz womöglich auch zur Herstellung einzelner Herzteile dienen könnte – etwa einer Kammer oder Herzwand. Auch Patch-Modelle sind vorstellbar.

Eine andere Methode, die Forscher verfolgen, setzt auf in die beschädigte Herzregion injizierte Zellen, von denen man hofft, dass sie dann Gewebe und Gefäße reparieren oder erneuern. Knochenmarkzellen hätten bereits in Herzarterien gezeigt, dass sie die Pumpleistung erhöhen könnten, sagt Kardiologe Lee – auch andere Herzfunktionen hätten sich bei klinischen Untersuchungen verbessert.

Das Thema bleibt auch deshalb so heiß, weil die Anzahl der Patienten, die auf neue Lösungen hoffen, so riesig ist. "Man muss hier wirklich alles auf den Tisch legen. Wir können keinen dieser Ansätze aufgeben, so wild und unwahrscheinlich sie auch klingen mögen", meint Lee. Die Menschen gierten schlicht nach besseren Behandlungsformen. (bsc)