Flexible Solarzellen aus Nanodrähten

Exotische Materialien und kostengünstige Trägerstoffe sollen die Fotovoltaik revolutionieren.

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Von
  • Tyler Hamilton

Forscher an der McMaster University in der kanadischen Provinz Ontario haben lichtabsorbierende Nanodrähte entwickelt, die aus leistungsfähigen fotovoltaischen Materialien bestehen. Ähnliche Nanodrähte gelangen aber auch auf wieder verwertbaren Trägermaterialien – die kleinen Partikel ließen sich dabei in eine flexible Polyester-Schicht integrieren. Beide Ansätze könnten zu Solarzellen führen, die sowohl flexibler als auch billiger als heutige Modelle sind.

Der nächste Schritt ist nun, die Effizienz der neuartigen Energiespender zu steigern, ohne dass ihr Preis steigt. Das Forscherteam unter der Leitung von Ray LaPierre, Professor für Physik-Ingenieurwesen, hat dazu drei Jahre Zeit – rund 600.000 Dollar aus Töpfen der Provinzregierung und aus der Privatwirtschaft stehen bereit. Partner ist Cleanfield Energy, ein Solar- und Windenergie-Entwickler aus Toronto.

Hauptziel der Wissenschaftler ist die Herstellung flexibler, preisgünstiger Solarzellen aus Nanodrähten, die aus so genannten III-V-Verbindungshalbleitern bestehen. Innerhalb von fünf Jahren will man damit einen Umwandlungswirkungsgrad von 20 Prozent erreichen. Auf längere Sicht wären theoretisch sogar 40 Prozent möglich, sagt LaPierre. Aktuelle Dünnfilm-Solarzellen erreichen hingegen nur Wirkungsgrade zwischen 6 und 9 Prozent.

"Die meisten Projekte im Bereich der Nanodrähte konzentrieren sich bislang auf die Herstellung aus Silizium", sagt LaPierre. Sein Team setze hingegen auf ein anderes Material – mehrere Schichten aus Mitgliedern der exotischeren Gruppe III-V, den so genannten Verbindungshalbleitern. Dazu gehören Gallium-Arsenid, Indium-Gallium-Phosphid, Aluminium-Gallium-Arsenid und Gallium-Arsenid-Phosphid. "So entstehen Tandem- oder auch Mehrfach-Solarzellen, die im Vergleich zu den Fähigkeiten von Silizium einen größeren Bereich des Lichtspektrums abdecken können. Das ist einer der Hauptalleinstellungsmerkmale unserer Arbeit."

III-V-Verbindungshalbleiter zeigen bereits in konventionellen Solarzellen mit kristallinischer Struktur einen höheren Wirkungsgrad. Die Materialien sind aber derart teuer, dass ihr breiter Einsatz bislang verhindert wurde. Mit Nanodrähten könne man dieses Problem nun aber umgehen, sagt LaPierre, weil dabei recht wenig Material benötigt würde. Die Nanodrähte bieten einen effizienteren Weg, Licht zu absorbieren und die vom Licht freigesetzten Elektronen zu extrahieren. Bei konventionellen Solarzellen aus Platten kristallinischen Materials bedeutet eine größere Dicke normalerweise auch eine bessere Lichtabsorption. Doch die Freisetzung der Elektronen wird dadurch gleichzeitig reduziert. Diesen Nachteil gleichen Nanodrähte aus. Jeder einzelne Draht ist zwischen 10 und 100 Nanometern breit und bis zu fünf Mikrometer lang. Die Länge maximiert die Absorptionsrate, doch die Breite im Nanomaßstab sorgt für eine größere Beweglichkeit und ein besseres Abschöpfen der Elektronen. "Die Richtung, in der man Licht absorbiert, befindet sich sozusagen im Lot zu der Variante, wie Energie eingesammelt wird", sagt LaPierre. Ein altes Dilemma werde so gelöst.

Neben der Kostenreduktion durch die Verwendung weniger aktiven Materials konnte LaPierres Team auch zeigen, wie sich das Trägermaterial, auf dem die Nanodrähte wachsen, verbilligen lässt. Ein teures III-V-Verbindungshalbleiter-Substrat ist nicht mehr notwendig. Stattdessen funktionierte der Prozess auch mit vergleichsweise billigen Trägermaterialien aus Silizium. Selbst ein noch billigeres Glas-Substrat ließ sich verwenden – ideal etwa für die direkte Integration der Solartechnik in Gebäude. Doch die Pläne der McMaster-Forscher gehen noch weiter: Flexible Trägermaterialien wie Polymer-Schichten oder ein Gewebe aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind angedacht – geeignet für viele Anwendungsformen und kostengünstig "von der Rolle" produzierbar.

Weitere Ideen zur Kostenreduktion wollen die Forscher im Bereich der verwendeten Katalyse-Techniken umsetzen, mit denen das Wachstum der Nanodrähte angestoßen wird. Derzeit setzt man hier auf Gold, könnte aber theoretisch auch Aluminium verwenden. Bis dahin müssen allerdings noch Probleme bei der sich daraus ergebenden Dichte der Nanodrähte aus dem Weg geräumt werden. "Wir haben Nanodrähte aus Aluminium wachsen lassen, doch Gold funktioniert bis jetzt noch wesentlich besser", sagt LaPierre.

Charles Lieber, Professor für Chemie an der Harvard University, der selbst an Licht-einfangenden Nanodrähten aus Silizium arbeitet, interessiert sich auch für die Ideen der Kanadier. Sein Team wolle ebenfalls neue Materialien erproben, sagt er. "Wenn man mit den Nanodrähten in den Bereich Fotovoltaik aufbricht, existieren jedoch noch jede Menge Herausforderungen", sagt er. Ein Vergleich der derzeit verfügbaren Ansätze sei ohne Daten zur Energieumwandlungsfähigkeit jedes einzelnen Materials allerdings schwierig.

Nathan Lewis, Professor für Chemie am California Institute of Technology und Experte für Nanodraht-Strukturen, glaubt, dass es noch zu früh ist, einen Sieger in der Schlacht um die Zukunft der Solarzelle zu benennen. "Wir wissen, dass Nanodrähte einzeln bereits funktionieren, können aber noch nicht sagen, ob man sie in einem hohen Reinheitsgrad in der notwendigen Qualität herstellen kann, so dass sich auch wirklich alle elektrischen Eigenschaften kontrollieren lassen." Es gäbe noch keine Theorie, die besage, die eine Technik arbeite wirklich besser als die andere. "Derzeit geht es eigentlich nur darum, dass eine davon überhaupt funktioniert."

Auch die McMaster-Forscher wissen, dass sie sich noch in den frühen Tagen der Technologie befinden. Dementsprechend zeigen die Prototypen bislang nur einen geringen Wirkungsgrad. "Wir sind da, wo die Silizium-Fotovoltaik in den Fünfzigerjahren war", sagt LaPierre. Sein Team sei jedoch optimistisch, dass der neue Ansatz in Zukunft deutlich bessere Resultate erzielen werde. (bsc)