Walflosse inspiriert Windmühlen

Eine US-Firma nutzt ein Vorbild aus der Natur, um bessere Rotorblätter zu bauen, die deutlich effizienter drehen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tyler Hamilton

Meeresbiologen hatten schon seit langem vermutet, dass die enorme Agilität der Buckelwale mit jenen Erhebungen zu tun hat, die die Natur ihnen an den vorderen Kanten ihrer Schwimmflossen spendiert hat. Wissenschaftler an der Harvard University haben nun ein mathematisches Modell entwickelt, das diese hydrodynamischen Vorteile genauer erklärt. Die Studie untermauert zudem die bereits existierende Annahme, dass die Buckel-Struktur der Walflosse effizienzsteigernd beim Bau von Flugzeugflügeln oder Rotorblättern eingesetzt werden kann.

"Wir waren überrascht, dass wir einen großen Teil der Ergebnisse aus Windtunneltests mit einer recht einfachen mathematischen Theorie nachvollziehen konnten", sagt Ernst van Nierop, Doktorand an der "School of Engineering and Applied Science" der Universität. Er ist zusammen mit dem Mathematikprofessor Michael Brenner und dem Forscher Silas Alben Co-Autor der Untersuchung.

Der Vorteil der Buckelwalflosse scheint in ihrem Anstellwinkel zu liegen – also dem Winkel zwischen dem Wasserstrom und der Oberseite der Flosse. Ist dieser Anstellwinkel zu steil, kommt es zu einem Strömungsabriss – egal ob nun im Wasser oder in der Luft. Bei einem Flugzeug entsteht so eine Kombination aus zunehmendem Luftwiderstand und verlorenem Auftrieb – es verliert deshalb schnell an Höhe. Experimente zeigen, dass der Anstellwinkel der Flosse beim Buckelwal bis zu 40 Prozent steiler sein kann, bevor es zum Strömungsabriss kommt, wenn man sie mit einer glatten Flosse vergleicht.

In der Harvard-Studie zeigen die Forscher nun, dass die Erhebungen bei der Buckelwalflosse, die man auch Tuberkel nennt, die Druckverteilung verändern. So erfolgt ein Strömungsabriss zwar an einigen Stellen schon früher. Da die verschiedenen Teile der Flosse jedoch verschiedene Anstellwinkel haben, kommt es nur selten zu einem abrupten Strömungsabriss auf ganzer Fläche. Dieser Effekt gibt dem Wal die Möglichkeit, mit höheren Anstellwinkeln zu arbeiten und die hydrodynamischen Einschränkungen seiner Flossen gleichzeitig besser abschätzen zu können.

Die Forscher fanden außerdem heraus, dass die Amplitude der Ausbuchtungen eine größere Rolle als ihre Gesamtzahl spielt. "Die Idee dabei ist, ein Flugzeug zu bauen, das sich leichter steuern lässt und bei dem der Strömungsabriss wesentlich seltener vorkommt", sagt van Nierop. Als Beispiel nennt er Kampfjets, die dadurch akrobatischere Figuren fliegen könnten, ohne abzustürzen. Im Wasser könnten U-Boote deutlicht wendiger werden.

Die Harvard-Forschungsarbeit bestätigt die ersten kontrollierten Windtunneltests an Flossenmodellen, die vor fünf Jahren bei der U.S. Naval Academy im amerikanischen Annapolis durchgeführt wurden. Dort wurde gezeigt, dass der Strömungsabriss, der üblicherweise bei einem Anstellwinkel von zwölf Prozent vorkommt, bis auf 18 Grad ausgedehnt werden kann. Bei diesen Tests wurde auch der Luftwiderstand um 32 Prozent reduziert und der Auftrieb um acht Prozent verbessert.

Diese Ergebnisse wurden in einer Studie aus dem Jahr 2004 veröffentlicht, die in Zusammenarbeit mit der West Chester University und der Duke University entstand. "Die Harvard-Arbeit zeigt nun, dass die mathematische Theorie und die empirischen Daten eng beieinander liegen. Unsere ursprünglichen Annahmen über die Funktionsweise der Tuberkel wurden so noch weiter untermauert", meint Frank Fish, West Chester-Biologieprofessor und Autor der damaligen Studie.

Es gibt bereits Versuche, das Tuberkel-Design in kommerzielle Produkte zu überführen. Fish ist Präsident des risikokapitalfinanzierten Unternehmens WhalePower aus dem kanadischen Toronto. Die Firma zeigte die Vorteile der Gestaltung bereits an Rotorblättern für Windkraftanlagen und Lüftungsanlagen.

Prototypen legen dar, wie die reduzierte Strömungsabrissneigung die Leistung von Windmühlen verdoppeln kann – bei Windgeschwindigkeiten von 17 Meilen pro Stunde. Und selbst wenn ein laueres Lüftchen weht, wird mehr Energie aus dem Wind bezogen. So kommt die gleiche Leistung bei 10 Meilen pro Stunde heraus, die andere Anlagen bei 17 Meilen erreichen würden. Die Tuberkel kanalisieren dabei den Wind um die Blätter und es entstehen Luftwirbel mit verstärktem Auftrieb.

Stephen Dewar, Direktor für Forschung und Entwicklung bei WhalePower, berichtet von Tests des Windenergieinstituts des Landes Kanada auf Prince Edward Island, die gezeigt hätten, dass solche Rotorblätter stabiler, leiser und langlebiger seien, als herkömmliche Anlagen: "Die Windmühlen haben den Rand eines vorbeiziehenden Hurrikans überstanden und Schnee- und Eisstürme überlebt."

WhalePower konnte seine Rotorblätter auch in Industrielüftungen zeigen – die drehten 20 Prozent effizienter als konventionelle Systeme und sorgten darüber hinaus für eine bessere Luftverteilung in Gebäuden. Die Ergebnisse waren so dramatisch, dass sich der größte Hersteller von Lüftungsgebläsen in Kanada entschied, die Technik zu lizenzieren. Erste Produkte sollen Ende April auf den Markt kommen.

"Dieser Vertrag ist bereits eine tolle Sache", freut sich Fish. "Er zeigt nur einen von vielen potenziellen Anwendungsbereichen der Technologie. Der Zusammengang von Biologie und Ingenieurwissenschaften in der Bionik macht ganz neue Innovationen möglich."

Die Harvard-Studie kommt zum gleichen Schluss: "Es ist gut möglich, dass sich das beim Buckelwal Gelernte bald in Spezialflügeln, neuartigen Tragflächen, besseren Windkraftanlagen und effizienteren Rotorblättern von Hubschraubern wieder finden wird", heißt es darin. (bsc)