Viele Versprechen, aber kein Geld für Entwicklungspolitik

Die UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba muss als gescheitert angesehen werden

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Außerhalb der Fachszene hat der Ausgang der UN-Konferenz zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit kaum eine Rolle gespielt, dabei ist das Resultat des Treffens ernüchternd bis dramatisch. Einmal mehr ist es den wohlhabenden Industriestaaten gelungen, sich um ihre konkrete Verantwortung für die Armut in den ehemaligen Kolonialstaaten zu
drücken. Die sogenannten Millenniumsziele der Vereinten Nationen drohen mit dem Ausgang der Konferenz in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba endgültig zur Makulatur zu verkommen.

Die Millenniumsziele oder MDGs (Millennium Development Goals) waren im Herbst 2000 auf dem Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen in New York definiert worden. Neben dem ersten Vorhaben, extreme Armut und Hunger zu bekämpfen, wird eine allgemeine Grundschulbildung angestrebt, die Gleichstellung der Geschlechter, die Stärkung der Rolle von Frauen, die Senkung der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheit von Müttern, die Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und andere schwere Krankheiten, die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und der Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft.

Das Dilemma: Viele dieser Ziele lassen sich nur mit einen strukturellen Wandel der internationalen Wirtschafts-, Handels- und Handelspolitik erreichen. Doch eben das findet nicht statt. Bislang haben gerade einmal fünf EU-Staaten – Dänemark, Großbritannien, Luxemburg, Norwegen und Schweden – das bereits 1970 definierte und im Jahr 2000 bekräftigte Entwicklungshilfeziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens erfüllt. Deutschland ist nie über die 0,4 Prozent herausgekommen.

Auch in Addis Abeba ist der große Schritt nach vorne daher trotz zunehmender globaler Krisen ausgeblieben. Mehrere sinnvolle Initiativen wurden von den reichen Industriestaaten abgeschmettert oder ausgebremst.

Beispiel eins: Die "Addis Tax Initiative" zur Mobilisierung von Steuereinnahmen im Kampf gegen die Armut. Mehrere Staaten des Südens hatten vorgeschlagen, dieses Vorhaben bei einer neuen Agentur der Vereinten Nationen anzusiedeln. Stattdessen bleibt das Vorhaben bei der OECD, die von Industriestaaten dominiert wird. Das Problem der Steuervermeidung durch transnationale Konzerne wird so kaum angegangen werden.

Beispiel zwei: Die ebenfalls vor allem von Staaten des Globalen Südens erhobene Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer wurde aus dem Abschlussdokument kurzerhand gestrichen.

Indes war in Addis Abeba von mehr "Eigeninitiative der armen Länder" die Rede und von einem "stärkeren Beitrag privater Unternehmen". Doch damit wälzen die reichen Industriestaaten ihre Verantwortung für das globale soziale Ungleichgewicht nicht nur ab, sie ordnen das Ziel der
Entwicklungspolitik auch noch den eigenen privatwirtschaftlichen Interessen unter.

Die UN-Konferenz hat sich zwar auf einen Aktionsplan geeinigt, der als Grundlage für die Finanzierung neuer nachhaltiger Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) dienen soll. Der Verband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen (VENRO) bezeichnete das Dokument am Donnerstag jedoch als "nicht nur wenig visionär, sondern schlichtweg unzureichend". Die Staatengemeinschaft habe es versäumt, eine solide Finanzierungsgrundlage für eine weltweite nachhaltige Entwicklung zu verabschieden, kritisierte Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender von VENRO:

"Wie die Weltgemeinschaft mit dem Aktionsplan von Addis einen nachhaltigen Entwicklungsweg einschlagen will, ist schleierhaft. Konkrete und verbindliche Finanzierungszusagen für nachhaltige Entwicklung und zur Bekämpfung des Klimawandels sucht man im Abschlussdokument vergeblich."

Auch das katholische Hilfswerk Misereor zog eine kritische Bilanz der UN-Konferenz. Das Treffen sei angesichts der Zielstellungen und des Umfangs der Zusagen eher bescheiden verlaufen, sagte Misereor-Experte Klaus Schilder am Mittwoch gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Es bleibe unter anderem offen, inwiefern die Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen künftig überprüft werden könne, so Schilder, während die Entwicklungspolitikerin der Linksfraktion, Heike Hänsel, das Vorgehen der Industriestaaten mit den Verhandlungen mit Griechenland verglich: "In beiden Fällen sehen wir eine zunehmende Erpressungspolitik, die man nur als Ausdruck eines von den reichen Industriestaaten verstärkt geführten Klassenkampfes bezeichnen kann", so Hänsel.