Neuer Funkstandard soll mobiles Internet besser und billiger machen

Der Chiphersteller Qualcomm hat eine Erweiterung für den schnellen Mobilfunkstandard LTE vorgestellt. Mit der neuen Technologie sollen LTE-Netze so einfach einzurichten sein wie WLAN – und zwar ganz ohne Lizenzen.

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  • Tom Simonite

Der Chiphersteller Qualcomm hat eine Erweiterung für den schnellen Mobilfunkstandard LTE vorgestellt. Mit der neuen Technologie sollen LTE-Netze so einfach einzurichten sein wie WLAN – und zwar ganz ohne Lizenzen.

Weil damit jeder leicht sein eigenes Netzwerk einrichten und Geräte daran anbinden kann, ist WLAN mittlerweile in Haushalten wie Unternehmen allgegenwärtig. Ähnlich einfach könnte es in Zukunft werden, das eigene Netz für Smartphones in der Nähe zu öffnen – über das schnelle LTE-Protokoll, das bislang lizenzierten Mobilfunknetzen vorbehalten ist.

Dadurch könnten in Zukunft auch Privatleute oder Unternehmen wie Starbucks schnelle LTE-Verbindungen für Mobilgeräte aller Art anbieten. Für konventionelle Mobilfunknetze entstünde auf diese Weise neue Konkurrenz, was Druck auf die Preise ausüben dürfte. Internet-Provider und andere Unternehmen könnten die neue LTE-Version in Kabel-Router und andere Heimtechnik integrieren und so eigene schnelle mobile Datennetze schaffen.

Die neue Version von LTE wird von dem Mobilfunk-Chiphersteller Qualcomm entwickelt, der sie als MuLTEfire bezeichnet. Sie codiert Daten auf dieselbe Weise wie die LTE-Technologie in heutigen Mobilfunknetzen, operiert aber im selben Frequenzbereich wie WLAN und hat auch ungefähr dieselbe Reichweite. Nach Angaben von Qualcomm sind damit schnellere, zuverlässigere Verbindungen als mit WLAN möglich, weil die LTE-Technologie für Mobilfunknetze entwickelt wurde, bei denen es auf diese Faktoren stärker ankommt. Durch die Nutzung des WLAN-Frequenzspektrums kann jedoch im Prinzip jeder MuLTEfire anbieten. Klassisches LTE dagegen gibt es bislang nur auf Frequenzen, für die Mobilfunknetzbetreiber viele Millionen oder Milliarden Dollar Lizenzgebühren bezahlt haben. Ein weiterer Unterschied bei MuLTEfire: Wie bei WLAN kann ein MuLTEfire-Hotspot beliebige Geräte versorgen, unabhängig von Verträgen bei einem Mobilfunkanbieter.

Laut Matt Grob, Chief Technology Officer von Qualcomm, soll das Konzept seines Unternehmens dabei helfen, die immer noch wachsende Nachfrage bei mobilen Daten zu befriedigen.

Das Konzept von Qualcomm ist eine konsequentere Weiterentwicklung einer Technologie namens LTE-U, mit der die Telecom-Branche bereits erste Tests vornimmt. Mit ihr können Mobilfunkbetreiber – aber niemand sonst – LTE in denselben Frequenzbändern betreiben wie WLAN. Nach Aussage von Grob ist der Nutzen von MuLTEfire jedoch höher, weil Hotspots die Geräte jeglicher Personen bedienen und auch von Unternehmen ohne Spektrum eingerichtet werden können.

Grob geht davon aus, dass Unternehmen wie McDonald's, die heute öffentliches WLAN anbieten, in Zukunft MuLTEfire-Hotspots installieren werden, um ihren Kunden schnellere und bessere Verbindungen zu bieten. Auch für Anbieter von Kabel-Internet und Web-Unternehmen wie Google oder Amazon, die Interesse am Aufbau von eigenen Netzen zeigen, sei die Technologie attraktiv.

Im vergangenen Sommer hat Comcast bereits 150.000 Kabel-Router in Houston zu einem riesigen Netz zusammengeschaltet und darüber Internet-Zugang mit jedem Telefon oder Computer für Comcast-Kunden angeboten. Google hat vor kurzem ein günstiges Mobilfunk-Angebot namens Project Fi herausgebracht, das je nach den örtlichen Bedingungen WLAN oder die Netze von Sprint oder T-Mobile nutzt.

Mit MuLTEfire wären derartige Pläne leichter umzusetzen, sagt Grob. Dafür sorgen Merkmale aus seiner Mobilfunk-Vergangenheit, die bedeuten, dass Störungen minimiert werden und eine saubere Übergabe zwischen Basisstationen möglich ist. "Wenn man plant, viele Elemente miteinander zu verbinden und ein flächendeckendes Netz aufzubauen, braucht man gute Performance und etwas mehr Zuverlässigkeit", so Grob.

Phil Marshall, ein Telecom-Analyst bei Tologa Research, bezeichnet die Nutzung von MuLTEfire für derartige Vorhaben als plausibel. Dies mache den Wettbewerb für die bestehenden Mobilfunker intensiver, und die Kunden könnten profitieren. "Hier entsteht ein neues Mittel, um konkurrierende Dienste anzubieten, ohne unbedingt Lizenzen zu haben", sagt er.

Orte wie Einkaufszentren, Flughäfen oder Stadien werden wahrscheinlich eigene MuLTEfire-Hotspots installieren, um die Netzabdeckung in ihrer Umgebung zu verbessern, sagt Marshall voraus. Mobilfunknetzbetreiber stellen aus demselben Grund schon jetzt kleine Basisstationen auf, die aber jeweils nur von ihren eigenen Kunden genutzt werden können. Mit MuLTEfire-Hotspots dagegen könnte zum Beispiel ein Flughafen jeden versorgen – möglicherweise aber nur unter der Voraussetzung, dass der jeweilige Mobilfunkanbieter für den besseren Zugang bezahlt.

Auch Mobilfunknetzbetreiber könnten von solchen Vereinbarungen sehr profitieren – und von eigenen MuLTEfire-Hotspots, sagt Marshall. Manchmal müssen sie schon heute mit der Konkurrenz kooperieren, um Orte abzudecken, bei denen es ihnen an Frequenzen oder Infrastruktur mangelt. MuLTEfire wäre eine Alternative, um solche Lücken im Alleingang zu schließen.

Allerdings befindet sich das Qualcomm-Konzept noch in einem frühen Stadium. Bevor das Unternehmen oder irgendein anderes Chips und weitere Hardware für die neue Technologie bauen kann, wird sie noch den Segen eines Standardisierungsgremium für Funktechnologien brauchen. (sma)