"Der Kampf ist nicht verloren"

Miriam Hofheinz, Produktmanagerin Downloads beim Online-Buchhändler Libri.de, spricht im TR-Interview über die neuen Möglichkeiten, die eBook-Reader bieten - und das Problem der Raubkopien, das der Branche Angst macht.

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Miriam Hofheinz, Produktmanagerin Downloads beim Online-Buchhändler Libri.de, im TR-Interview über die neuen Möglichkeiten, die eBook-Reader bieten – und das Problem der Raubkopien, das der Branche Angst macht.

Technology Review: Frau Hofheinz, Sie sind nicht nur im Arbeitskreis Piraterie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sondern arbeiten auch als Produktmanagerin Downloads für die Libri.de Internet GmbH – und sind damit indirekt dafür zuständig, ab dem kommenden Jahr den Sony-eBook-Reader mit elektronischen Büchern zu versorgen. Ist das kein Widerspruch?

Miriam Hofheinz: Überhaupt nicht. Wahrscheinlich bedingt das Eine sogar das Andere.

TR: Sie haben auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse eine Informations- und Diskussionsveranstaltung bestritten mit der provokanten Überschrift: "Internetpiraterie – ist der Kampf schon verloren?" Wie lautet Ihre Antwort auf diese Frage?

Hofheinz: Nein, der Kampf ist nicht verloren. So wie es schon immer Ladendiebstahl gegeben hat, wird es natürlich auch immer Internetpiraterie geben. Es geht aber darum, die Piraterie so einzudämmen, dass man keine großartigen wirtschaftlichen Schäden davon hat, indem man legale Angebote schafft und kundenfreundlich arbeitet.

TR: Wie groß ist denn das Problem Piraterie in der Buchbranche?

Hofheinz: Nicht so groß wie in der Musikindustrie. Der Musikmarkt ist einfach wesentlich größer als der für Hörbücher. Aber gerade für kleinere Hörbuch-Label geht die Internetpiraterie wirklich an die Existenz. Weil für so ein kleines Label 3000 verkaufte Exemplare wirklich viel sind. Und wenn da doppelt so viele Exemplare illegal heruntergeladen werden, entsteht schon ein großer wirtschaftlicher Schaden.

TR: Für wie realistisch halten Sie denn die Befürchtung, dass etwas ähnliches jetzt auch mit Texten passiert, wenn Lesegeräte wir der Sony-Reader oder Amazons Kindle hier auf den Markt kommen?

Hofheinz: Na ja, viele Verlage haben die ganze Zeit gesagt: Wer liest denn schon Bücher am Bildschirm? Da werden die Augen müde und außerdem sitzen die Leute doch schon beruflich die ganze Zeit am Bildschirm. Aber das haben trotzdem schon Leute gemacht. Es werden auch Bücher auf Handys gelesen. Aber nun haben wir wirklich sehr sehr schöne Geräte. Damit wird es viel attraktiver, Bücher digital zu lesen. Und die meisten Bestseller gibt es – illegal – ohnehin schon in digitalisierter Form. Dadurch dass die Verlage jetzt ihre Inhalte auch digital anbieten, wird die Piraterie nicht unbedingt steigen. Weil die Daten alle eh schon in den Tauschbörsen sind.

TR: Aber hier in Deutschland ist es doch so, dass bislang nur ein kleiner Teil der lieferbaren Bücher digital erhältlich ist. Das wird sich doch jetzt ändern, oder?

Hofheinz: Ja, aber wie gesagt: Ein Harry Potter zum Beispiel, den es legal bisher digital nicht gibt, den gibt es seit das Buch auf dem Markt ist auch illegal. Auch alte Sachen, die nicht mehr lieferbar sind, gibt es illegal zum Download. Rein theoretisch könnten sich die Verlage ihr Material aus den Tauschbörsen herunterziehen und sich damit – wie gesagt theoretisch – einen Teil der Digitalisierung sparen.

TR: Theoretisch gibt es natürlich die Möglichkeit, sich technisch – Stichwort DRM – gegen Raubkopien zu schützen. Setzt Libri auf DRM?

Hofheinz: Ja, Libri wird die eBooks auch DRM geschützt anbieten. Für die Rechte-Inhaber ist DRM immer noch die erste Wahl, um ihre Inhalte zu schützen. Gerade bei neuen Produkten wollen die Verlage ihren Autoren so zeigen, dass auf ihre Produkte aufgepasst wird. Es ist natürlich bekannt, dass jeder Schutz nur so lange schützen kann, bis er geknackt wird. Es gibt auch keine perfekte Diebstahlssicherung für das Auto und auch kein Schloss, das verhindern kann, dass ein Dieb nachts in ein Haus einsteigt. Darüber muss man sich einfach klar sein. Deshalb bietet Libri an, dass die eBooks auch ohne DRM ausgeliefert werden können.

TR: Das ist ja auch in der Musikindustrie ein Trend. Zumal sich die Kunden ja immer wieder über Einschränkungen in den Nutzungsmöglichkeiten beschwert haben.

Hofheinz: Ja. Das ist aber gerade das Schöne am epub-Format, das wir nutzen, dass es sowohl mit als auch ohne DRM ausgeliefert werden kann. Ich habe die gleiche Lese-Software und die gleichen Geräte.

TR: Welche Einschränkungen sind denn mit einem solchen DRM verbunden?

Hofheinz: Das kann der Verlag auswählen. Man kann einstellen, dass nur fünf Kopien zulässig sind, oder hundert oder tausend. Das entscheidet allein der Verlag. Wir als Shop befürworten die kundenfreundliche Variante: ohne DRM. Unsere jahrelange Erfahrung mit Hörbuch-Downloads zeigt, dass Downloads mit Wasserzeichen wesentlich kundenfreundlicher sind.

TR: Nun gibt es ja zumindest hier in Deutschland eine Art Ehrenkodex, nach dem frisch erschienene Bücher nicht in einschlägigen Foren verbreitet werden dürfen. Wäre es theoretisch möglich, sich auf dieser Ebene sozusagen gütlich mit der Fan-Szene zu einigen?

Hofheinz: Interessanter Ansatz. Ich bin ja durch meine Arbeit für Perry Rhodan den Kontakt mit Fans gewohnt. Aber es wird immer schwarze Schafe geben. Und illegal ist illegal. Da ist es egal, ob man das Buch nach dem ersten Tag oder nach fünf Wochen einstellt. Ich kann mir da einfach keine gütliche Einigung vorstellen.

TR: Ein interessanter Parameter dabei dürfte auch der Preis sein. Inwieweit würden teure E-Books einen Anreiz für Raubkopien sein?

Hofheinz: Wir sind für die Preisbindung. Und ansonsten muss das der Verlag entscheiden. Wir sehen bei den Hörbüchern, dass die Downloads um die 20-30 Prozent billiger sind als die CDs – das hat sich eingebürgert. Aber da muss nun wirklich jeder Verlag selbst entscheiden, wie er das macht.

TR: Eine andere Möglichkeit, der Piraterie entgegenzutreten, hat Apple ja für die Musikindustrie aufgezeigt: Man muss den Usern einen interessanten Zusatznutzen bieten. Wie könnte das für Bücher aussehen? Man kann die ja schlecht kapitelweise verkaufen?

Hofheinz: Doch, das kann man natürlich auch.

TR: Was habe ich davon?

Hofheinz: Bei Fachbüchern oder Ratgebern brauche ich oft nur ein bestimmtes Kapitel. Bei Belletristik ist das natürlich anders. Da ist auch wieder der Verlag gefragt: Das elektronische Medium bietet ja Millionen Möglichkeiten.

TR: Wenn Sie, wie beispielsweise auf der Buchmesse, mit Kollegen über E-Books diskutieren, wie nehmen Sie dann die Stimmung in der Branche wahr? Ist die eher offen oder zögerlich?

Hofheinz: Auf der Pressekonferenz von Libri und Sony hat man gesehen, dass die Liste der Verlage, die jetzt bei dem epub-Format mitmachen, lang und prominent ist. Wir sehen – und freuen uns auch sehr darüber – dass die Verlage dem Thema eBook sehr offen gegenüber stehen. Die Verlage haben schon öfter über eBooks gesprochen. Wir denken, dass es einfach seine Zeit gebraucht hat, aber die Zeit jetzt da ist, mit Geräten, mit Content, mit Kunden, die auch soweit sind, so dass wir uns auf einfach schöne Produkte freuen können. (bsc)