Automatischer Sanitäter fürs Schlachtfeld

Ein schlangenartiger Roboterarm, den US-Forscher derzeit entwickeln, könnte eines Tages verletzten Soldaten vor Ort helfen.

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Von
  • Jennifer Chu

Die ersten 30 Minuten nach einer Verletzung im Kampfeinsatz sind kritisch: Dann entscheidet sich, ob ein Soldat überlebt oder stirbt. Um einen Verwundeten zu versorgen, muss dieser allerdings zuerst entdeckt und dann nicht selten unter starkem Beschuss evakuiert werden. Das kann kostbare Minuten kosten und die Sanitäter selbst zu Zielscheiben machen.

Forscher an der Carnegie Mellon University (CMU) entwickeln derzeit deshalb eine Technologie, die Militärärzten eine helfende Hand reichen soll – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Howie Choset, Dozent für Robotik an der CMU, hat einen schlangenartigen Roboterarm entwickelt, der verschiedene Sensoren enthält, die den Gesundheitszustand eines Soldaten überwachen können. Das System lässt sich drahtlos per Joystick kontrollieren, sodass ein Arzt in einer entfernt liegenden Klinik jeden Punkt des Körpers erreichen und untersuchen kann, um die Verletzungen schon während der Evakuierung zu untersuchen. Die Flexibilität des Armes erlaubt es, dass er sich auch in engen Räumen bewegt, womit auch eine erste medizinische Überprüfung direkt auf dem Schlachtfeld möglich ist.

Choset und seine Kollegen bauen bereits seit mehr als zehn Jahren solche "Snakebots", verbessern ihr Bewegungspotenzial und ihre Flexibilität. Auch lässt sich über mehrere Prototypen eine Miniaturisierung feststellen. In der Vergangenheit hat die Gruppe bereits Roboter für Such- und Rettungsmissionen geschaffen und half Ford dabei, Schlangenroboter zur präzisen Autolackierung zu entwickeln. Das Team gründete außerdem erst kürzlich ein Start-up, das eine der jüngsten Technologien aus Chosets Labor kommerzialisieren soll: Einen Roboter, der potenziell als Herzchirurg dienen könnte.

Aktuell arbeitet das CMU-Team mit dem Forschungszentrum für Telemedizin und neue Technologie (TATRC) der US-Armee zusammen, um den Roboterarm in die High-Tech-Bahre der Truppe zu integrieren. Dieses so genannte "Life Support for Trauma and Transport"-System (LSTAT) ist eine Art tragbare Intensivstation mit integriertem Defibrillator, Beatmungsgerät und diversen physiologischen Überwachungsgeräten. Der LSTAT wird bereits in mehreren Kampfgebieten Iraks und Afghanistans eingesetzt – Sanitäter können einen Patienten mit wenigen Handgriffen auflegen und die eingebaute Technik zu seiner Versorgung nutzen.

"Da sind all diese Sensoren an Bord, mit denen wir vorläufige Diagnosetests durchführen können. Außerdem hilft uns das System, erste Maßnahmen einzuleiten, um den Patienten zu retten", sagt Choset. Das Problem sei nur, dass die Sensoren am LSTAT angebracht seien und man sie von Hand bewegen müsse. "Wenn jemand getroffen wurde und man will ihm helfen, wird man selbst zum leichten Ziel. Deshalb wollten wir das Gesamtsystem automatisieren und die Sensoren mit Hilfe von Robotertechnik zum Patienten bewegen, während er aus dem Kampfgebiet getragen wird."

Choset und seine Studenten haben einen sehr gelenkigen Arm geschaffen, der aus mehreren angetriebenen Gelenken besteht, was ihm eine schlangenartige Flexibilität verleiht. Jedes Gelenk hat zwei Freiheitsgrade, die zusammengenommen Beuge-, Zieh- und Drehbewegungen in verschiedenen Konfigurationen erlauben, wie man sie von Reptilien kennt.

Weil es unmöglich für eine Person ist, all diese Gelenke von Hand zu steuern, entwickelte das Team eine Software, um eine präzise Kontrolle der Roboterbewegungen per Joystick zu ermöglichen. In Labortests konnten die Forscher den Arm erfolgreich den Körperverlauf eines Skelettes entlangführen. Eine aufgesetzte Kamera ermöglichte die Verfolgung aus der Ferne.

Choset hat bereits verschiedene physiologische Sensoren an dem Roboterarm angebracht, darunter einen CO2- und Sauerstoff-Detektor, der prüfen kann, ob Atmung vorliegt. Auch ließe sich dem Roboter eine Sauerstoffmaske aufsetzen oder von ihm eine Verbindung zum Beatmungsgerät herstellen, ohne dass der Sanitäter dabei helfen müsste.

In Zukunft will Choset auch noch Ultraschallkomponenten integrieren, sodass ein Patient schnell auf innere Blutungen überprüft werden kann. Sein Team arbeitet zusammen mit Forschern an der Georgetown University an einem entsprechenden Aufsatz. Damit der nutzbar wird, benötigt der Roboter ein bestimmtes Stärke-Sensibilitiäts-Verhältnis, um zu bestimmen, welche Kraft beim Aufdrücken der Sonde auf den Körper verwendet werden muss, um gute Bilder zu erhalten. Das will Choset zusammen mit anderen Fragestellungen demnächst untersuchen.

Sylvain Cardin, leitender Medizinrobotikforscher am TATRC, sieht noch andere militärische Anwendungen für den Roboterarm. "Er könnte auf einem kleinen Fahrzeug sitzen, das man ins Kampfgebiet schickt, und ein Sanitäter könnte einem Verletzten gleich aus der Ferne helfen." Da sei es dann egal, ob sich der Betroffene noch unter Beschuss befinde: "Man kann Menschen retten, ohne selbst zum Opfer zu werden." (bsc)