Billiger Wasserstoff aus Müll

Organische Abfälle lassen sich dank einer neuen Methode auch ohne teures Platin in Energie verwandeln.

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Von
  • Nora Schultz

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein – Forscher arbeiten schon seit einigen Jahren an der Idee: Nahrungsmittelreste und Abwasser werden mit einigen speziell gezüchteten Bakterien versetzt, um Wasserstoff zu erzeugen, der sich dann beispielsweise in Fahrzeugen als sauberer Treibstoff verwenden lässt.

Mithilfe einer wenig aufregend aussehenden Bürstenstruktur aus rostfreiem Edelstahl sollen diese so genannten mikrobiellen Elektrolysezellen, kurz MECs, nun eine wichtige Hürde zur Marktreife nehmen. Die Erfindung kann als Ersatz für teures Platin verwendet werden, das normalerweise in der Kathode der MEC steckt. Die Kosten sinken damit um mehr als 80 Prozent.

Wasserstoff gilt als reizvolle und umweltfreundliche Treibstoffalternative, weil er bei der Nutzung nur Wasser als Nebenprodukt erzeugt. MECs nutzen die Elektronen, die von bestimmten Mikroorganismen erzeugt werden, während diese sich an biologisch abbaubaren Stoffen gütlich tun. Dieser Verdauungsprozess läuft auf einer Anode ab, die sich in einer sauerstofflosen Kammer befindet. Da sie nicht mit Sauerstoff reagieren können, wandern die Elektronen von der Anode zu ihrem Gegenstück, der Kathode, wo sie dann mit Protonen kombiniert werden und Wasserstoff bilden.

Bereits Ende 2007 zeigte ein Team, das von Bruce Logan von der Pennsylvania State University geleitet wird, wie sich die Effizienz dieses Prozesses stark erhöhen lässt: Durch einen kleinen elektrischen Impuls von 0,25 Volt, der auf die Kathode gegeben wird. Bislang benötigten die Forscher um den Professor für Umweltingenieurwesen jedoch noch einen teuren Platinkatalysator dafür. "Die Notwendigkeit des Edelmetalls hat dazu geführt, dass die Entwicklung der Technik bislang nur schrittweise verlief. Nun haben wir aber einen Weg gefunden, sie ohne Platin zu nutzen", sagt der Wasserstoffexperte.

Verglichen mit Platin, das als wirkungsgradstarker Katalysator arbeitet, wenn es in einer dünnen Schicht auf ein flaches Stück Kohlenstoffgewebe aufgebracht wird, ist ein einfaches Stück Edelstahl um zwei Drittel weniger effizient. Durch die Erhöhung der Oberfläche der Edelstahlkathode lässt sich der Wirkungsgrad aber ebenfalls erhöhen: Das Material wurde so angeordnet, dass es einen Bürstenstruktur mit Borsten hoher Dichte bildete. So wurde die Wasserstoffproduktion auf ein Niveau angehoben, das die Platinvariante erreichte und sogar überholte. Auch finanziell lohnt sich das: Während die Platinkathode im Versuchsaufbau rund 15 US-Cent kostet, zahlten die Forscher für die Stahlvariante gerade einmal 3.

Logan hofft, dass eine weitere Verbesserung der Chemie der Bürstenstruktur die Resultate sogar noch weiter verbessern kann. "Wir wissen nun schon, welche Stahlsorten besonders gut arbeiten. Außerdem wollen wir Wasserstoffbläschen, die zwischen den Borsten gefangen werden, minimieren, weil so das Einfangen des Gases gestört wird."

Außerdem sei eine große Oberfläche nicht alles: Eine Bürstenstruktur aus Kohlenstoff mit einer sogar noch größeren Oberfläche arbeitete 14 Mal schlechter als ein nackter Stahlbürstenkern. Schnitten die Forscher die Stahlbürstenstruktur in zwei Hälften, um die zwei Elektroden näher zueinander zu bringen, steigerte sich der Wirkungsgrad sogar noch über den der "großen" Variante – trotz der Halbierung der Oberfläche.

Lars Angenent, Dozent für Bio- und Umwelttechnik an der Cornell University, meint, dass die Technik trotz der beachtenswerten Experimentalergebnisse bei weitem noch nicht kommerziell nutzbar sei. Der Effekt, der sich bei veränderter Elektrodenanordnung zeige, bedeute einen Rückschlag für die MECs. "Ich halte dieser Arbeit für wunderbar, doch die nächste Frage, die sich mir stellt, ist gleich, ob man die Technik wirtschaftlich hochskalieren könnte." In einem größeren System sei es schwierig, Ionen durch eine Flüssigkeit zwischen Kathode und Anode zu bewegen. Dadurch komme dann weniger Wasserstoff pro Volumeneinheit heraus.

Patrick Hallenbeck, Professor für Bakteriologie an der Universität von Montreal, gibt Angenent Recht, dass die Skalierung ein Problem darstellen könnte. Er ist aber trotzdem optimistisch, dass das Ende der Platinära die MCE-Idee deutlich zukunftsfähiger macht. "Logans Gruppe hat gezeigt, dass sich das Platin problemlos durch Edelstahl ersetzen lässt. Damit fällt eine wichtige Barriere." Entsprechende Konzepte seien doch erst vor vier Jahren erstmals beschrieben worden. "Seither gab es riesige Fortschritte. Weitere Entwicklungen könnten die praktische Umsetzbarkeit der MCEs bald Realität werden lassen." (bsc)