Wie man Flüchtlinge auf Distanz hält

In Deutschland geht es um schnellere Abschiebungen. Auf EU-Ebene wird erwogen, wieder verstärkt mit afrikanischen Diktatoren zu kooperieren, um die Zahl der Geflüchteten zu vermindern

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Kaum hat der Bundestag ohne große Proteste eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen , werden bereits die nächsten Einschränkungen für Geflüchtete vorbereitet. Wie oft in diesen Politikfeldern machen Politiker der CSU und der CDU den Vorreiter und dann stimmen ihnen einzelne SPD-Politiker zu. Die Gesamt-Partei zieht nach einiger Zeit nach, spätestens wenn Wahlen anstehen.

Nun haben CSU-Politiker den Vorschlag in die Diskussion geworfen, Asylbewerber aus dem Balkan schneller abzuschieben. Dazu werden sie in besonderen Abschiebelager untergebracht. Während in der SPD zunächst die Kritik an diesen Vorschlag laut wurde, hält die sozialdemokratische Flüchtlingsbeauftrage Aydan Özoguz die CSU-Vorschläge für eine gute Idee.

Auch Hamburgs Regierender Bürgermeister Olaf Scholz begrüßte den CSU-Vorschlag. Zuvor hatte Scholz schon vorgeschlagen, mit den Balkanstaaten ein Anwerbeabkommen nach dem Modell der Gastarbeiterregelungen der 1970er Jahre zu schließen: Wer auf diese Weise nach Hamburg kommt, habe "keine direkten Ansprüche auf soziale Leistungen". Im Idealfall würden nur jene Menschen einreisen, die einen Arbeitsplatz nachweisen können.

"Dagegen sind wir bei jedem Asylbewerber verpflichtet, ihn unterzubringen und zu versorgen“, begründete Scholz seinen Vorstoß. Zudem versucht Scholz mit seinem Vorschlag, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass in Deutschland in absehbarer Zeit Arbeitskräfte fehlen.

Die Debatte macht einmal mehr deutlich, wie aus dem Schutz von Geflüchteten der Schutz des deutschen Arbeitsmarktes wird. Das Einfallstor war die Deklarierung von Staaten wie Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten. Diese Regelung wurde mit den Stimmen des grün regierten Baden-Württemberg im Bundesrat verabschiedet. Da war der nächste Schritt nur konsequent, jetzt auch für schnelle Abschiebungen der Menschen aus diesen Ländern zu sorgen.

Sicher per Gesetz

Schon bald werden die Namen neuer Staaten auftauchen, die ebenfalls per Gesetz zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Der Journalist Christian Jakob hat in einer für die Rosa Luxemburg Stiftung erstellten Broschüre Mythen und Fakten zur Migrations- und Flüchtlingspolitik zusammengestellt. Dort dekonstruiert er auch den Mythos, dass es ein Skandal sei, dass die deutschen Behörden sich mit aussichtslosen Asylanträgen auf dem Westbalkan beschäftigten müssen, während die notleidenden Menschen aus Syrien kommen.

Diese These hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann im Dezember 2014 in die Welt gesetzt und sie ist die Grundlage für die neuesten Vorstöße gegen das Flüchtlingsrecht. Jakob weist daraufhin, dass viele der Menschen aus dem Balkan, die in Deutschland Asyl beantragen, Roma sind. Die aber werden in vielen dieser Länder massiv diskriminiert. Eine Gruppe von Journalisten, die aus Deutschland abgeschobene Roma im Kosovo besucht hat, schreibt:

Im Sommer 2013 treffen wir dort auf bittere Armut, auf Menschen, die Kleidung und Papier in Müllcontainern suchen, um diese wieder zu verkaufen. Sie sammeln weggeworfenes Essen, ganze Familien leben davon. Überall drohen Anfeindungen und Angriffe. Nichtsdestotrotz wurde Serbien am 6. November 2014 von der Bundesrepublik zum "sicheren Herkunftsland" deklariert. Im Kosovo treffen wir Menschen, die überhaupt nichts haben. Die hungern und nur zögernd davon erzählen, weil sie sich dafür schämen oder es für selbstverständlich halten. Deren Leben hier zu Ende gegangen zu sein scheint, deren Pläne und Träume jäh zerschlagen wurden – weil sie aus Deutschland abgeschoben worden sind.

Der Mythos von den kriminellen Schleusern

Jakob dekonstruiert auch das Gerede von den "kriminellen Schleppern und Schleusern". Erst vor wenigen Tagen hat in Berlin ein Prozess "gegen einen mutmaßlichen Schleuser syrischer Flüchtlinge" begonnen, der, so Presseveröffentlichungen, als "Mitglied einer international agierenden Bande an 50 Taten beteiligt" gewesen sei.

Auf der Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe Widerständige Internationale berichtete Newroz Duman, dass sie nur mit Hilfe dieser Fluchthelfer nach Europa kommen konnte. Heute unterstützt sie auf vielfältige Weise Geflüchtete, die es noch nicht geschafft haben, unter Anderem mit der Initiative Welcome2Europe. Alle Diskussionsteilnehmer und das Publikum waren sich einig, dass es so lange Fluchthelfer geben wird, so lange die EU keine sicheren Fluchtwege nach Europa zulässt.

Bündnis mit den Diktatoren

Doch die EU hat andere Pläne. Das ARD-Magazin Monitor hat bekannt gemacht, dass die EU wieder verstärkt mit afrikanischen Diktatoren kooperieren will, um die Zahl der Geflüchteten zu vermindern. Laut bisher geheimen Verhandlungsdokumenten, die dem Sender zugespielt wurden, will die EU zu der bewährten Praxis zurückkehren, die vor den als "arabischer Frühling" deklarierten Revolten die Zahl der Geflüchteten eindämmte.

Autoritäre Regime werden dabei unterstützt, die Flucht zu unterbinden. Laut Monitor ist unter anderem geplant, die Regierung in Eritrea zu "stärken" und sie bei der Bekämpfung von Fluchthelfern zu unterstützen. Sudanesische Beamte sollen im "Migrationsmanagement" geschult und das "Grenzmanagement" des Südsudans verbessert werden.

Darüber hinaus soll ein "Trainingszentrum" an der "Polizeiakademie in Kairo" etabliert werden und Polizisten und Strafverfolgungsbehörden der afrikanischen Staaten mit Hilfe der EU ausgebildet werden. Eine solche EU-Politik ist weder neu noch ungewöhnlich. Wie bei der Bekämpfung von militanten Islamisten, wo man auch gerne mal die Hilfe von zeitweise befreundeten Diktatoren in Anspruch nahm, kann man so auch die Flüchtlinge auf Distanz halten.