Ausprobiert: Kochen mit Watson

Die KI-Software Watson erfindet neue Rezepte. Ob das wirklich schmeckt?

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Die KI-Software Watson erfindet neue Rezepte. Ob das wirklich schmeckt?

Wolfgang Stieler, TR-Redakteur, kocht gerne italienisch – und bis auf weiteres auch ohne Software-Hilfe.

Es gibt diese göttliche Szene in dem Pixar-Animationsfilm "Ratatoullie": Der gefürchtete Gastro-Kritiker Antoine Ego sitzt am Tisch und schleudert dem schlotternden Kellner keine Bestellung an den Kopf, sondern die ultimative Herausforderung: "Überraschen Sie mich!".

Genau an diese Szene musste ich denken, als ich mich zum ersten mal bei ChefWatson eingeloggt habe. Denn die schlicht gestaltete Webseite, über die wir als Beta-Tester mit dem kochenden Watson kommunizieren, wird von einem virtuellen Schieberegler für die Schwierigkeitsstufe dominiert. Und der ist am rechten Rand beschriftet mit: "Suprise me". Links steht "classic".

Watson ist kein Mensch, sondern eine Software. Sie versteht und beantwortet Fragen in gesprochener Sprache und kann überall zum Einsatz kommen, wo Menschen Fragen haben, deren Antworten prinzipiell vorhanden, aber in einem großen, unstrukturierten Informationshaufen verborgen sind.

2011 hatte Watson in der US-Quizshow "Jeopardy!" den 74-maligen Champion Ken Jennings geschlagen. Seither versucht der Konzern, das Programm in allen möglichen Lebenslagen zu platzieren: Als Bankberater, in der Medizin – und nun auch in der Küche: Dafür stellten die Betreiber der Food-Webseite Bon Appetit IBM 9000 Rezepte zur Verfügung, die Watson analysierte, um daraus neue Rezepte und ungewöhnliche Variationen zu kreieren.

Grundlage für Watsons Vorschläge sind zwei oder drei Zutaten, und wahlweise ein Kochstil. Und je weiter man den Regler nach rechts schiebt, desto experimenteller werden die Rezepte. Wir entscheiden uns für italienisch, irgendwas mit Nudeln und Schinken. Watson schlägt japanische Soba-Nudeln vor, mit Lauch und Schinken. Okay, warum nicht mal Soba italienisch? Aber mit Lorbeer, Zitronenschale und Meerrettich? Natürlich muss da eine Suppe vorweg. Eine mediterrane Suppe, mit Möhren, Fisch und Oliven – und Rosinen? Na ja, wir testen das mal. Und zum Nachtisch einen Flan – eine Art Pudding, aber diesmal mit Buttermilch und Kaffee.

War das vielleicht doch zu mutig? Wir treffen uns bei einer Kollegin, um den Praxistest zu machen. Und stellen fest, dass wir die Rezept vorher sorgfältiger lesen sollten. Das Kochen dauert lange und ist viel aufwendiger als üblich. Der Meerrettich beispielsweise wird nicht einfach nur in die Soße gerieben: Er muss eine Stunde in Folie im Ofen gebacken werden, um dann laut Rezept "aus der Zehe" gequetscht zu werden.

Nicht eher Schale? Jedenfalls funktioniert es nicht, weil die Wurzel nach einer Stunde im Ofen steinhart ist. Ein Vergleich mit dem ursprünglichen Rezept offenbart, was Watson sich dabei gedacht – aber wohl nicht richtig angepasst hat: Im Original kommt Knoblauch an die Sauce, der auf diese Weise zu einer aromatischen Paste verarbeitet wird.

Nach gut zwei Stunden essen wir dann doch: Die Suppe hat eine grauenhafte Farbe und komische Konsistenz – wahrscheinlich wegen der pürierten Oliven mit Fisch – schmeckt aber gut. Die Pasta ist mittelmäßiger als gedacht. Und das Dessert ist eine Katastrophe. Buttermilch und Kaffee sind offenbar wirklich nur rechnerisch eine gute Kombination. (wst)