Doppelte Zellreparatur

Seit Jahren gelten Gentherapie und Stammzellherapie als potenzielle Heilmethoden in der Medizin der Zukunft. US-Forscher sind nun noch einen Schritt weiter gegangen und haben beide in einem neuen Verfahren miteinander kombiniert.

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Von
  • Michael Day

Seit Jahren gelten sowohl die Gentherapie als auch die Stammzellherapie als potenzielle Heilmethoden in der Medizin der Zukunft. US-Forscher sind nun noch einen Schritt weiter gegangen und haben beide in einem neuen Verfahren miteinander kombiniert. Das ist zwar noch nicht in klinischen Studien getestet worden. Doch sollten weitere Tests erfolgreich verlaufen, könnte es ein neues Kapitel in der Behandlung von genetisch bedingten Krankheiten aufschlagen.

Entwickelt wurde das Verfahren in einer Konzeptstudie von einem Team um Juan Carlos Izpisua Belmonte am kalifornischen Salk Institute for Biological Studies, und zwar für die Fanconi-Anämie. Das ist eine seltene vererbbare Bluterkrankung, die unter anderem zu angeborenen Fehlbildungen, einer Rückbildung des Knochenmarks und einem erhöhten Krebsrisiko führen kann.

Zunächst entnahmen sie von sechs Patienten Hautzellen, in die sie mittels eines Virus die funktionstüchtige Variante des defekten Gens einschleusten, das für die Fanconi-Anämie verantwortlich ist. Versuche an Mäusen hatten zuvor gezeigt, dass sich mit einer solchen Gentherapie der Defekt beheben lässt.

Anschließend nutzten die Forscher die in den vergangenen zwei Jahren entwickelten Möglichkeiten der "induzierten pluripotenten Stammzellen" (iPS). Hierbei werden vier Gene, die beim Menschen im Embryonalstadium aktiviert sind, in entwickelte Körperzellen – ebenfalls mittels eines Virus – eingefügt. Die Gene schalten dann ein Muster der Genexpression an, dass die Körperzellen von adulten in quasi-embryonale Zellen verwandelt, die sich in beliebige Gewebearten entwickeln lassen.

Auf diese Weise konnten die Hautzellen der Patienten zu jenen gesunden Blutzellen – also weißen und roten Blutkörperchen – umprogrammiert werden, die der Anämie entgegenwirken könnten. „Wir haben gezeigt, dass sich Gentherapie und iPS-Technologie verbinden lassen und Zellen hervorbringen, die nicht mehr die Anlage zur Erbkrankheit haben“, sagt Belmonte, der die Arbeit mit seinen Kollegen im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht hat.

Mediziner setzen große Hoffnungen in iPS-Zellen. Denn die ersparen ihnen die ethischen Probleme der embryonalen Stammzellen, die nur aus lebenden menschlichen Embryonen gewonnen werden können. Und da sie aus dem Körper des Patienten selbst stammen, können sie nicht durch dessen Immunsystem abgestoßen werden, was bei körperfremden Zellen möglich ist.

Um die Therapie zu testen, müssten aus den umprogrammierten defektfreien iPS noch Vorläuferzellen gezüchtet werden. Die würden dann ins Knochenmark des Patienten transplantiert und für einen Nachschub an gesunden Blutzellen sorgen. Die am Salk Institute hergestellten iPS seien für diesen letzten Schritt aber noch nicht geeignet gewesen, sagt Belmonte.

„Bevor wir damit in klinischen Studien beginnen, müssen wir erst noch verschiedene Risiken genauer untersuchen“, erläutert Belmonte. Besonders kritisch sei eine mögliche Tumorbildung durch die vier Gene, die die Umprogrammierung der Hautzellen zu iPS bewirken und in der Zell-DNA verbleiben. Während der Entwicklung von Stammzellen zu Blutzellen können sie erneut aktiviert werden und damit ein langfristiges Krebsrisiko darstellen. In den vergangenen Wochen haben andere Forscher jedoch Methoden publiziert, die iPS-Zellen ohne Viren als Genfähren produzieren können.

Chris Mason, Mediziner am University College London, lobt die Arbeit von Belmontes Team: „Das ist wohl das erste einer Reihe von Papern, die Hoffnung machen für Krankheiten, für die es noch keine Therapie gibt, geschweige denn eine Heilung.“ Bislang lässt sich Belmontes Ansatz nur auf Erbkrankheiten anwenden, bei denen das defekte Gen identifiziert worden ist. „Das sind aber nicht wenige, und die Zahl steigt“, sagt Mason.

Bluterkrankungen dürften erst einmal zu den bevorzugten Zielen des neuen Therapiekonzepts gehören, weil die reparierten Zellen mittels Knochenmarktransplantation leicht in den Körper des Patienten zurückgebracht werden können. Belmonte ist aber zuversichtlich, dass eines Tages auch komplexere Erbkrankheiten auf diese Weise behandelt werden können. (nbo)