Doppelt produziert besser

Die Fabrik der Zukunft ist flexibel, selbstorganisierend und besteht aus zwei Teilen: einem realen Werk und seiner virtuellen Zwillingsversion.

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Der folgende Text ist dem Heft-Schwerpunkt "Fabrik der Zukunft" der Ausgabe 05/2009 entnommen. Das Heft kann online portokostenfrei hier bestellt werden.

Die Fabrik der Zukunft ist flexibel, selbstorganisierend und besteht aus zwei Teilen: einem realen Werk und seiner virtuellen Zwillingsversion.

Die wohl modernste Fabrik Deutschlands produziert nichts als gefärbtes Wasser. In einer Halle in einem kleinen Gewerbegebiet bei Kaiserslautern gurgeln Mischer und Ventile, surren Pumpen und Förderbänder, schwenken Greifarme hin und her – nur um schließlich eine bunte Flüssigkeit in handelsübliche Seifenspender abzufüllen.

Doch der wahre Zweck dieser Anlage ist ein höherer. 2005 gründete das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) gemeinsam mit einer prominenten Liste von Industriepartnern wie Bosch, Bayer, BASF, SAP und Siemens die "Smart Factory" als herstellerunabhängiges Versuchslabor, in dem das Zusammenspiel moderner Fabrikkomponenten unter realistischen Bedingungen erforscht und verbessert werden soll.

Und das ist dringend nötig, denn die Automatisierungstechnik hat sich in eine Sackgasse manövriert. Produktionsanlagen sind heute ein derart undurchdringliches Dickicht aus Datenformaten, Übertragungsprotokollen, Schnittstellen und Software-Hierarchien, dass sie in ihrer Komplexität kaum noch zu beherrschen sind. Das kann gut gehen, wenn es vor allem auf große Stückzahlen ankommt. Doch der Weltmarkt, in dem die deutschen Hersteller im harten Wettbewerb mit den Schwellenländern wie Indien, China, Brasilien oder Portugal stehen, stellt mittlerweile ganz andere Anforderungen. "Wir werden den Markt nicht über die Kosten zurückbekommen, sondern nur mit intelligenten, individualisierten Produkten und intelligenter Produktion", sagt Professor Eckart Uhlmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin.

Vor allem zwei Trends sind es, die der herkömmlichen Massenfertigung das Wasser abgraben: größere Variantenvielfalt und kürze Produktlebenszyklen. Besonders deutlich lässt sich das in der Autobranche beobachten: Beschränkte sich die Auswahl bei einem Modell in den siebziger Jahren noch auf ein paar Motoren, Farben und Ausstattungsdetails, summieren sich die möglichen Versionen eines BMW X3 auf sage und schreibe 90000 (s. S. 65). Wurden Automodelle in den Siebzigern und Achtzigern noch neun Jahre oder länger gebaut, steht heute oft schon nach sieben Jahren der Nachfolger bereit. Die fünfte Golf-Generation brachte es gar nur auf fünf Produktionsjahre.

Weitere Sorgen bereitet die schwankende Nachfrage. "Wir hatten hier mal ein Gespräch mit einem Handy-Hersteller", sagt Professor Detlef Zühlke, Leiter der Smart Factory und des Zentrums für Mensch-Maschine-Interaktion am DFKI. "Dabei kam heraus, dass er im Prinzip alle drei Wochen die Produktion umbauen müsste, weil sich die Verkaufszahlen ändern."

Gefragt ist also eine Produktion, die schnell und flexibel auf den Markt reagieren kann. Mit konventioneller Technik geht das kaum noch. Das fängt schon beim Aufbau einer neuen Produktionsanlage an: "Die Vorbereitungen dafür dauern so lange, dass Anbieter oft schon mit den Planungen anfangen müssen, bevor sie überhaupt den Zuschlag bekommen", sagt Zühlke. Große Hoffnungen setzen Produktionsplaner deshalb auf die "Digitale Fabrik" – eine virtuelle Abbildung aller Abläufe und Funktionen einer Anlage. Beim Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg lässt sich besichtigen, wie ein solches Datenmodell zum Leben erweckt wird.

Im "Elbe Dom" – einer Kuppel mit 16 Metern Durchmesser und einer 6,5 Meter hohen Decke – projizieren sechs Laserbeamer maßstabsgetreue Modelle von Maschinen oder ganzen Fabrikanlagen an die Wände. Wer sich einen Overall mit optischen Markierungen überzieht, kann komplett in diese virtuelle Welt eintauchen. Zwölf Kameras erfassen anhand der Markierungen jede Körperbewegung und übertragen sie in Echtzeit ins Datenmodell.

Das Ziel ist es, Fehler frühzeitig zu entdecken. "Bei einem neuen Produkt kann der Mensch, der das Vorgängermodell zusammengebaut hat, zum Beispiel feststellen, ob sich das Teil überhaupt wie ursprünglich gedacht montieren lässt", sagt Professor Michael Schenk, Leiter des Magdeburger Fraunhofer-Instituts. "Das lässt sich formal gar nicht simulieren." Schenks Fraunhofer-Kollege Uhlmann aus Berlin formuliert es so: "Wir wollen die Produktion schon optimiert haben, bevor das Produkt physikalisch entstanden ist. Wir können uns nicht mehr erlauben, in der realen Fabrik Fehler zu machen – die sind extrem teuer und verhindern, dass wir schneller am Markt sind."

Beim Aufbau einer neuen Anlage sind digitale Fabrikmodelle schon weit verbreitet, besonders unter Auto- und Flugzeugherstellern. Doch ist die Produktion erst einmal angefahren, gerät die aufwendig erstellte Simulation meist auf irgendeiner Festplatte in Vergessenheit. Dabei wäre sie auch nach Abschluss der Planung ein wahrer Datenschatz. "Die Fabrik der Zukunft sind zwei Fabriken – eine reale und eine digitale", sagt Fraunhofer-Institutsleiter Uhlmann. Die Vision dahinter: Ort und Zustand aller Werkstücke, Auslastung und Verschleiß der Werkzeuge, Einstellungen, Parameter und Störungen der gesamten Produktionskette einschließlich Lager, Montage und Vertrieb sollen in Echtzeit in einem virtuellen Modell abgebildet werden. Für Uhlmann ist das ein Schritt zur "selbstorganisierenden Produktion", in der etwa Stanzen rechtzeitig und selbstständig Aufträge umleiten, wenn ihre Werkzeuge ausgetauscht werden müssen.

Bis es so weit ist, müssen die Forscher aber noch einige Schneisen durch das Dickicht der gewachsenen Systeme schlagen. "Es fehlt die Kopplung zur realen Welt", sagt Fabrikforscher Schenk vom Magdeburger Fraunhofer-Institut. "Jeder Elektriker, jeder Mechaniker und jeder Werkstoffmensch hat seine eigenen Modelle und versteht die anderen Welten nur unvollständig." Dazu kommt, dass jeder Anlagenhersteller seine eigene Datensprache zur Kommunikationen zwischen den verschiedenen Komponenten benutzt.

Die Folge: "Aus der Not heraus haben viele große Produzenten ihre eigenen Hausstandards geschaffen und erwarten von ihren Lieferanten, ihr Modell zu bedienen", sagt Olaf Sauer vom Fraunhofer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung in Karlsruhe. Die Anbieter von Produktionsanlagen müssen also für jeden Kunden einzeln die Datenübergabe implementieren – ein großer Aufwand, der nichts zur Wertschöpfung beiträgt. Andererseits schützen proprietäre Standards die Anlagenhersteller vor Konkurrenz – bei offenen Schnittstellen wären ihre Maschinen beliebig austauschbar. So aber bleiben viele Kunden bei einem einzigen Anbieter, um sich nicht mit unterschiedlichen Schnittstellen herumärgern zu müssen.

Die Smart-Factory-Forscher in Kaiserslautern sind genau den gegenteiligen Weg gegangen. Bewusst haben sie Komponenten unterschiedlicher Hersteller verbaut – Steuerungsmodule von Siemens etwa sind in schönster Eintracht neben denen von Harting angeschraubt. Eine sogenannte Middleware auf einem Zentralrechner dolmetscht zwischen ihnen. Kommen Geräte eines neuen Herstellers hinzu, muss für sie allerdings eigens ein neuer Software-Adapter geschrieben werden. Deshalb gilt Middleware vielen Experten nur als eine Übergangslösung auf dem Weg zum "durchgängigen Datenmodell", mit dem sich verschiedene Fabrikkomponenten zusammenstöpseln lassen wie Drucker oder Kameras über den USB-Anschluss mit dem Computer. Das griffige Schlagwort dazu hat die Branche jedenfalls schon gefunden: "Plug and Work" – anschließen und loslegen.

Die an das IT-Versprechen "Plug and Play" angelehnte Wortwahl zeigt, wie sehr sich die Automatisierungstechnik mittlerweile an der Informationstechnologie orientiert. "Als ich ein junger Ingenieur war, hat die Produktionstechnik die IT vor sich hergetrieben, heute ist es umgekehrt", sagt Olaf Sauer. So ist es auch kein Wunder, dass die Pläne für ein einheitliches Datenformat ebenfalls eng mit der IT-Welt verknüpft sind: AutomationML ("Automation Markup Language") ist ein herstellerneutraler, offener Stan-dard, der auf der im IT-Bereich längst etablierten Beschreibungssprache XML ("Extended Markup Language") basiert und alle Ingenieursdiziplinen von der mechanischen Konstruktion über die Elektroplanung bis zur Steuerungsprogrammierung umfasst. Initiiert wurde AutomationML von DaimlerChrysler im Jahr 2006. Heute sitzen unter anderem Hersteller wie ABB, Kuka, Siemens sowie die Unis Karlsruhe und Magdeburg mit im Konsortium.

Noch eine Abstraktionsebene höher setzt ein Vorhaben an, mit dem die DFKI-Forscher die Fabrik flexibler machen wollen. "Das Ziel ist, die Hardware von der Software zu trennen, damit man beides separat planen kann", sagt Zühlke. Fabrikplaner sollen auf diese Weise schon frühzeitig am Rechner die Produktionssteuerung optimieren können, ohne dass sie sich darum kümmern müssen, welche Steuergeräte, Sensoren und Roboter später verwendet werden. Auch dieses Konzept orientiert sich an der IT, und zwar an der sogenannten "Service-orientierten Architektur". Dabei wird jeder einzelne Abschnitt in der Produktion nicht mehr als Bündel von Regeln und Parametern betrachtet, sondern als "Dienst" – am Beispiel der schlauen Fabrik in Kaiserslautern also etwa als "Wassermischer" oder "Abfüller".

Der Planer muss nur noch angeben, welchen Output er von welchem Dienst erwartet. Mit welchen Befehlen und welchen Werten dazu etwa ein Regelventil oder eine Pumpe angesteuert werden muss, braucht ihn nicht mehr zu interessieren, wenn die angeschlossenen Steuergeräte den SOA-Standard erfüllen. Im Rahmen einer Dissertation wurde in Kaiserslautern schon ein Teil der Anlage auf das SOA-Prinzip umgestellt. Bis sich die Fabrik der Dienste aber flächendeckend verbreitet, muss sich auch entsprechende Hardware durchgesetzt haben. "Dafür müsste man jedem Gerät einen eigenen Webserver mitgeben, und so weit ist die Technik noch nicht", so Zühlke.

Von all diesen neuen Ansätzen sieht der Besucher in Kaiserslautern nichts, weil sie sich in Form von Software-Code in den Tiefen der Rechner befinden. Dabei hat die Smart Factory auch Neuerungen zu bieten, die die Hardware betreffen und dennoch unsichtbar sind. Man muss schon sehr nahe an die Produktionsstraße herangehen und genau wissen, auf was man zu achten hat, bis einem auffällt: Die einzelnen Module auf der rechten Seite der L-förmigen Anlage, dort, wo das Wasser abgefüllt und die Flaschen etikettiert werden, stehen völlig unverbunden nebeneinander.

Sämtliche Daten tauschen sie über den Funkstandard WLAN aus, Datenkabel gibt es zwischen den Modulen nicht, lediglich Stromkabel verlassen die Anlage. Und selbst diese wollen die DFKI-Forscher künftig noch wegrationalisieren, indem sie den Strom etwa durch Induktionsspulen übertragen – die Fabrik unplugged gewissermaßen. Und wozu das Ganze? Schließlich werden Fabrikanlagen ja nicht ständig hin und her geräumt wie ein Laptop. "Funksteuerung ist nicht entscheidend", gibt Smart-Factory-Geschäftsführer Rüdiger Dabelow zu, sie sei aber in vielen Fällen sehr hilfreich: "Das Verlegen von Kabeln bedeutet nicht so einen Aufwand, aber die Planung der Verkabelung schon." Außerdem gebe es etwa aus der Lebensmittelindustrie regelmäßig Anfragen nach kabellosen Anlagen, die leichter gereinigt werden können und deshalb hygienischer sind.

Solche WLAN-Verbindungen werfen allerdings ein anderes Hygieneproblem auf – das der Funk-Hygiene. Professor Zühlke schaltet zur Demonstration ein Set von drahtlosen Webcams an, wie sie in jedem Elektronikmarkt zu kaufen sind. "Wenn Sie die anmachen, geht hier WLAN- mäßig gar nichts mehr", sagt Zühlke und zeigt auf den Bildschirm eines Spectrum Analyzers, auf dem die Kurven steil ausschlagen. "Stellen Sie sich nun vor, ein Konkurrent fährt mit einem Störsender vor dem Werktor hin und her…" In künftigen kabelarmen Fabriken wird also eine strenge Funkplanung betrieben werden müssen.

Auch eine weitere Besonderheit der Smart Factory offenbart sich erst bei genauerem Hinsehen. An den Seifenspendern befinden sich auf der Rückseite des Etiketts silbrig glänzende Leiterbahnen – sogenannte RFID-Tags ("Radio Frequency Identification"). Vor und nach jeder Station kommen diese Funketiketten dicht an etwa zigarrenschachtelgroßen Lese- geräten vorbei, die deren 128 Byte großen Speicher auslesen und neu beschreiben. So weiß das System stets, welche Seifenspender im Umlauf sind, womit sie gefüllt sind und ob sie schon zugeschraubt wurden. Solche Informationen sind die tragende Säule für die echtzeitfähige digitale Fabrik. Doch die Bedeutung von RFID-Chips reicht weit über die Produktion hinaus. Traditionell wurden in Fabriken meist "aktive" Chips benutzt, die eine eigene Stromversorgung besitzen. Ihr Vorteil: Sie haben in der Regel eine relativ große Reichweite, viel Speicherplatz und können auch an Sensoren gekoppelt werden, die zum Beispiel messen, ob ein Bauteil wirklich lange genug in der Hitzekammer ausgehärtet wurde. Allerdings sind sie entsprechend groß und teuer, sodass sie nach der Produktion meist entfernt und wiederverwendet werden.

Mittlerweile machen Experten eine Trendwende hin zu preiswerten passiven Funketiketten aus, wie sie auch an den Seifenspendern der Smart Factory kleben. Volvo beispielsweise hat sich gerade von den aktiven Tags verabschiedet und kennzeichnet seine Rohkarosserien nun mit passiven Chips des niedersächsischen Anbieters Deister Electronics. Damit einher geht auch ein Mentalitätswechsel bei der Datenhaltung: Bisher war ein zentrales Argument für aktive Chips, dass sie die nötigen Daten direkt vor Ort speichern und deshalb auch unabhängig von einer Netzwerkanbindung ausgelesen werden können. Passive Tags hingegen haben einen so geringen Speicherplatz, dass dort außer ein paar kodierten Informationen nur Platz ist für eine Identifikationsnummer. Alle weiteren Angaben – beispielsweise Ausstattung und Lackierung eines Wagens, sein aktueller Bearbeitungszustand und so fort – muss das System aus einer zentralen Datenbank holen. Für Peter Feldmann, Key Account Manager bei Deister Electronics, ist das jedoch kein Nachteil: "Wenn ein Chip, auf dem Daten gespeichert sind, zerstört wird, sind auch die Daten weg. Das IT-Netzwerk ist heute umgekehrt so zuverlässig, dass es da kaum noch Ausfälle gibt."

Die Frage nach aktiven oder passiven RFID-Tags reicht weit über die Fabrikorganisation hinaus, denn passive Tags sind so klein und billig, dass sie gleich am Produkt bleiben können. Bei Volvo werden die Tags zwar noch mit einer eigenen Halterung an die Karosserie eingehängt und nach der Fertigstellung entfernt. Der fränkische Automobilzulieferer Rehau versieht seine Kunststoff-Stoßfänger aber schon direkt nach dem Spritzguss mit RFID-Tags, die während des gesamten weiteren Lebenslauf des Teils dort verbleiben. Das dient zunächst nur der internen Qualitätskontrolle, doch mittelfristig eröffnet sich eine ganz neue Dimension der Vernetzung: Über solche fest eingebauten Tags ließe sich jedes einzelne Bauteil während seiner gesamten Lebensdauer identifizieren. Der Hersteller kann bei etwaigen Qualitätsproblemen noch Jahre später nachvollziehen, aus welcher Charge ein Werkstück stammte; Logistiker und Lagerarbeiter bekommen einen einfacheren Überblick über ihre Waren; der Kundendienst schließlich kann bei Reparaturen auf sämtliche Informationen zum Bauteil zugreifen.

Und wo bleibt bei alledem der Mensch? Er wird, da sind sich die Experten einig, weiterhin seinen zentralen Platz in der Produktion behalten. Die Vision der menschenleeren, vollautomatischen Fabrik, wie sie unter dem Stichwort CIM ("Computer Integrated Manufacturing") noch in den achtziger Jahren propagiert wurde, hat sich nicht erfüllt. "Der Mensch ist der wichtigste Produktionsfaktor", sagt Smart-Factory-Leiter Zühlke. "Immer nur daran zu denken, wie man den Menschen wegbekommt, war ein Denkfehler der damaligen Zeit. Die Technik ist mittlerweile so komplex, dass sie immer den Menschen brauchen wird." Zühlkes DFKI-Mitarbeiter Daniel Görlich ergänzt: "Das sind die Ironien der Automatisierung: Der Mensch ist fehlbar und muss deshalb ersetzt werden. Aber wenn die Technik versagt, muss der Mensch wieder ran."

Doch der Mensch ist nicht nur die wichtigste Komponente in einer Fabrik, sondern aus Sicht der Automatisierung gleichzeitig auch die problematischste. Wenn man die Idee des digitalen Echtzeitmodells einer Fabrik konsequent zu Ende denkt, muss darin nicht nur jedes Werkstück und jedes Werkzeug in seiner aktuellen Position und Befindlichkeit abgebildet sein, sondern eben auch jeder Werker. "Genau genommen brauchen Menschen auch ein RFID-Tag, da muss man sich etwas Intelligentes einfallen lassen. Wir wollen gar nicht wissen, wer wann wie lange in der Pause ist, aber die Verfügbarkeit eines Arbeiters muss das System kennen", sagt Produktionsforscher Uhlmann.

Die Frage ist also, wie sich der Mensch besser in die Produktion einbinden lässt. Eine Antwort darauf sind zum Beispiel intelligente Roboter, die mit Menschen wie mit Kollegen Hand in Hand zusammenarbeiten. Das Berliner Fraunhofer-Institut hat eine bildgestützte Kameraüberwachung entwickelt, damit das gefahrlos geschehen kann und Roboter nicht mehr wie bisher durch riesige Absperrgitter von Menschen getrennt werden müssen.

Einen anderen Pfad, die Verständigung von Mensch zu Maschine zu verbessern, verfolgen die DFKI-Forscher in Kaiserslautern. Sie haben eine Benutzerschnittstelle entwickelt, die – zumindest theoretisch – auf jedem Handy läuft. Über den Funkstandard Bluetooth nimmt die Maschine Kontakt mit dem Mobiltelefon auf. Dort erscheinen dann – unter einer einheitlichen Oberfläche – sämtliche eingestellten Parameter und aktuellen Werte. Der Bediener kann dadurch direkt vor Ort bleiben und erspart sich das Hin- und Herpendeln zwischen Anlage und Bedienterminal. Außerdem braucht er sich nicht für jedes Gerät an eine eigene Benutzeroberfläche zu gewöhnen. Mitte des Jahres will ein Industriepartner des DFKI, die unipo GmbH, ein solches Universal-Bediengerät mit Acht-Zoll-Touchscreen auf den Markt bringen.

Es gibt also noch reichlich Ideen und Ansätze, die Fabrikplanung zu beschleunigen, Leerlaufzeiten zu reduzieren, die Produktpalette flexibler und die Bedienung einfacher zu machen. Eine Baustelle ist die Automatisierungsindustrie bisher allerdings allenfalls halbherzig angegangen: die der Energieeffizienz. "Es gibt im mechanischen Bereich eine Kennzahl, die uns sehr zu denken geben muss: Nur 20 bis 25 Prozent des Energieverbrauchs einer Werkzeugmaschine wird für die unmittelbare Wertschöpfung genutzt, der Rest wird für Hilfsfunktionen wie Werkzeugwechsel und das Laden von Programmen verbraucht", sagt Fraunhofer-Forscher Michael Schenk.

Für ihn besteht die zentrale Herausforderung der Automatisierung nicht darin, immer schneller immer mehr herzustellen, sondern darin, die Ressourcen-Effizienz zu verbessern. Sein Fraunhofer-Kollege Sauer aus Karlsruhe bestätigt diese Einschätzung: "Beim Thema Energie stehen wir noch ganz am Anfang. Energieeffizienz muss erst einmal zu einer Größe für die Fabrikplanung werden." Bis die Potenziale der Automatisierung ausgereizt sind, wird wohl noch viel farbiges Wasser durch die Schläuche der Smart Factory fließen. (bsc)