Armeen wollen Soldaten verschwinden lassen

Tarnflecken waren gestern: In den USA und anderen Ländern wird an Technologie gearbeitet, die Soldaten und Gerät buchstäblich unsichtbar macht

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Michelle Delio
Inhaltsverzeichnis

Ein unter Computerfreaks beliebter Trick könnte eines Tages zu einem wichtigen Mittel in der modernen Kriegsführung werden.

Das US-Militär muss zunehmend im innerstädtischen Straßenkampf agieren. Aber dafür fehlt es ihm an geeigneter Tarnung -- mit ihren Kampfanzügen sind die Soldaten in dieser Beziehung wortwörtlich im Dschungel geblieben. Die Uniformen mit Fleckenmuster, egal in welcher Farbe, machen die Soldaten auf Straßen und in Hinterhöfen für den Feind leicht sichtbar. Abhilfe sollen neue Forschungsansätze aus Militär und Privatwirtschaft schaffen. Das Ziel ist ein Kampfanzug, der die Soldaten und ihre Ausrüstung nahezu unsichtbar macht.

Der Mythos der Unsichtbarkeit wird nicht mit Hilfe neuartiger Stoffe oder Musterkombinationen realisiert werden. Stattdessen werden digitale Kameras zum Einsatz kommen, die das Umfeld eines Soldaten aufzeichnen und die Szenerie anschließend auf die Uniform oder die Fahrzeuge projizieren. Die Truppen werden so zu einer Art mobiler Leinwand, die man, sollte die Technik funktionieren, von ihrer Umgebung nicht mehr unterscheiden kann.

Die Idee hinter dieser neuen Tarnung wird in grober Form seit längerem gerne auf Konferenzen und anderen Geek-Versammlungen vorgeführt. Dabei wird eine Webcam an einen Laptop angeschlossen und so am Rücken des Vorführers montiert, dass sie den Bereich hinter ihm erfasst. Den Laptop-Bildschirm lässt man in Richtung der Zusschauer zeigen -- und schon ensteht der Eindruck, als wäre der vom Bildschirm verdeckte Teil des Körpers durchsichtig.

Für einem Kampfeinsatz werden ein paar Webcams samt großer Flachbildschirme natürlich nicht ausreichen. "Bevor eine anpassungsfähige oder aktive Tarnung im Häuserkampf eingesetzt werden kann, müssen wir große technische Probleme überwinden", sagt Colonel James R. Rowan, Kommandeur des U.S. Army Engineer Research and Development Center. "Die Technik muss so arbeiten, dass sie Leute auf kurze Entfernung überzeugend täuscht, und das in einer sich ständig ändernden Umgebung."

Das größte Problem: Die Szenerie muss korrekt auf die gesamte Oberfläche projiziert werden und von allen Seiten stimmig wirken, nicht nur von vorne. Die aus geradem Winkel unsichtbare Armee würde sonst aus anderen Richtungen erkennbar.

Der erste Schritt zu einem solchen Unsichtbarkeitsanzug wäre die effiziente Erfassung eines hoch auflösenden 360-Grad-Bildes der Umgebung, während sich die Person bewegt, sagt Frank Kennedy, ein langjähriger Optik-Ingenieur. Dazu würden sehr leistungsfähige Batterien und Computer gebraucht -- im Prinzip müsste jeder getarnte Soldat seinen eigenen Supercomputer mit sich herumtragen.