Risse im Klima-Konsens

Die so genannten Klima-Skeptiker frohlocken bereits: Es sei bewiesen, dass die bisherigen Prognosen über einen Anstieg der globalen Temperatur falsch sind.

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Lesezeit: 30 Min.
Von
  • Marcel Crok
Inhaltsverzeichnis

Das berühmteste Temperatur-Diagramm der Klimaforschung sei fehlerhaft, behaupten zwei kanadische Wissenschaftler. Die Kritik der beiden schürt den Streit um die Ursachen der globalen Erwärmung und droht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zukunftsszenarien der Experten zu erschüttern

Seit 16. Februar ist das Kyoto-Protokoll in Kraft. Mehr als 140 Staaten - ohne die USA und die meisten Entwicklungsländer - haben bislang das 1997 beschlossene Klimaschutzabkommen ratifiziert und sich verpflichtet, ihren Ausstoß an Treibhausgasen (vor allem Kohlendioxid und Methan) im Zeitraum von 2008 bis 2012 zu reduzieren; Deutschland hat sich die Latte auf 21 Prozent gelegt. Seit Januar läuft auch das von den EU-Staaten beschlossene Handelssystem für Kohlendioxidemissionen. Der Marktmechanismus soll Kosteneffizienz sicherstellen und so Anreize für geringeren CO2-Ausstoß schaffen.

Solche Klimaschutzmaßnahmen basieren nicht zuletzt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Auswirkungen von Treibhausgasen auf die Atmosphäre: Als gesichert gilt, dass Gase wie CO2 zur globalen Erwärmung beitragen, indem sie vom Erdboden abgestrahlte Wärmestrahlung wie ein Treibhausdach festhalten und wieder auf die Erde zurückwerfen. Die ersten Hinweise auf die Rolle des Menschen bei der globalen Erwärmung tauchten bereits auf der ersten Weltklimakonferenz im Jahr 1979 auf. 1988 gründeten die Vereinten Nationen das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), ein Expertengremium mit der Aufgabe, wissenschaftlich fundierte Szenarien zum Klimawandel zu entwickeln. Im jüngsten IPCC-Bericht von 2001 heißt es: "Es gibt neue und stärkere Beweise, dass ein Großteil der in den letzten 50 Jahren beobachteten Erwärmung auf menschliche Aktivitäten zurückgeht."

Gleichwohl herrscht unter den Klimaforschern Uneinigkeit über Ausmaß und Konsequenzen des globalen Temperaturanstiegs. Dem IPCC wurde immer wieder vorgeworfen, Unsicherheiten in seinem Bericht herunterzuspielen und manche Forschungsergebnisse überzubewerten. Ein Beispiel ist die so genannte Hockeyschläger- Kurve. Ihr zufolge war die Temperatur auf der Nordhalbkugel in den letzten Jahrzehnten höher als im gesamten Jahrtausend zuvor. Um die Stichhaltigkeit dieses Forschungsresultats hat sich ein Streit entsponnen, den wir mit den Beiträgen in diesem Heft dokumentieren wollen. Führende deutsche Forscher nehmen zu der Debatte Stellung. Um unseren Lesern eine möglichst eigenständige Meinungsbildung zu ermöglichen, haben wir die Statements der Wissenschaftler im Originalton festgehalten. Die TR-Redaktion

Nur wenige Menschen streiten ab, dass sich die Erde erwärmt. Aber es gibt Menschen, "Klimaskeptiker" genannt, die in Frage stellen, dass der Temperaturanstieg historisch einmalig ist und dass er durch menschliche Aktivitäten ausgelöst wurde. Solche Skeptiker sind im Allgemeinen Outsider, die von "echten" Klimaforschern abgelehnt werden. Inzwischen macht sich diese Debatte an bestimmten Personen fest: Auf der einen Seite steht Michael Mann, Erstautor der beiden so genannten "Hockeyschläger"-Veröffentlichungen (1998 im Fachjournal "Nature" und 1999 in "Geophysical Research Letters" erschienen). Er gilt als der ungekrönte König der Klimaforschung. Im Jahr 2002 bezeichnete ihn das Magazin "Scientific American" als einen der 50 größten Visionäre der Wissenschaft. Auf der anderen Seite stehen zwei skeptische kanadische Forscher, die Außenseiter: der Ökonom Ross McKitrick und der Bergbau-Berater Stephen McIntyre.