Frontex will private Fluggesellschaften zur Überwachung einsetzen

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex schließt Verträge mit Fluggesellschaften, während ein neues Drama mit vielen Toten im Mittelmeer gemeldet wird

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Im vergangenen Herbst wurde die Operation der EU-Grenzschutzagentur Frontex mit Namen Triton gestartet, nachdem Italien aus Kostengründen die Rettungsoperation Mare Nostrum eingestellt hatte. Die Einschätzung von Telepolis, dass es damit eher ums Wegschauen statt um das Retten der Flüchtling vor dem Ertrinken ging, darf man nun wohl als bestätigt ansehen. Das gilt nicht nur, weil bei diesem Frontex-Einsatz nicht einmal ein Drittel des Geldes vorgesehen ist, das Italien zuvor allein für die Seenotrettung ausgegeben hatte.

Doch nun muss der Frontex-Chef Gil Arias Fernandez schon private Fluglinien anwerben. Das sei notwendig, weil die EU-Mitgliedstaaten nicht die Mittel bereitstellen, um auch nur Triton durchführen zu können, kritisierte der Frontex-Exekutivdirektor Gil Arias-Fernandez im spanischen Rundfunk. Diesmal sei es nicht einmal fehlendes Geld, sondern "wir bekommen keine Angebote die Mitgliedsstaaten für technische Ausrüstung und Personal", klagte er. Es sei "enttäuschend", dass der Aufruf erneut ergehen musste, um die Mittel zu erhalten, die "dringendst" benötigt würden. Es nütze wenig, wenn das Budget aufgestockt werde, doch man dann weder Grenzschützer noch Schiffe erhalte.

Um die wichtigste Lücke zu schließen, sollen nun Verträge mit Fluggesellschaften geschlossen werden, um Flugzeuge und Hubschrauber zu erhalten. Frontex sieht die Luftüberwachung als primär zur "Früherkennung" an. Seit "Monaten" stehe man schon in Gesprächen. Entsprechende Verträge sollen bis Ende August mit vier Fluggesellschaften abgeschlossen werden, da Frontex offenbar nicht mehr davon ausgeht, dass die Mitgliedsstaaten mehr tun, als angesichts ständiger Dramen auf dem Mittelmeer Krokodilstränen zu vergießen.

Gestern wurde wieder gemeldet, dass vermutlich hunderte Menschen vor Italien ertrunken sind. "Wir befürchten, dass bis zu 700 Menschen ertrunken sein könnten", sagte Leonard Doyle, Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), in Genf.

Nach Angaben der OIM sind allein in diesem Jahr mehr als 2000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. () Das seien etwa 400 mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, teilte die Organisation mit. Damit sei der Weg über das Mittelmeer die gefährlichste Route für Flüchtlinge nach Europa. "Es ist nicht hinnehmbar, dass im 21. Jahrhundert Menschen, die vor Konflikten, Verfolgung und Elend fliehen, solche schrecklichen Erfahrungen in ihrer Heimat machen müssen, ganz zu schweigen von denen unterwegs, um dann an der Türschwelle zu Europa sterben", sagte IOM-Generaldirektor William Lacy Swing. Im gesamten vergangenen Jahr kamen nach Angaben der Hilfsorganisation im Mittelmeer 3279 Menschen ums Leben, bis August waren es 1607. Auch hier hat sich Prognose von Telepolis bestätigt.

Und genau in einer Phase, wo die gefährlichen Fahrten von Flüchtlingen über das Mittelmeer ein neues Hoch erreicht habe, müsse Frontex mit wenig Mitteln "überleben", klagte Arias und zeigte dabei eine wenig sensible Wortwahl. Denn weder Frontex-Beamte noch die Agentur kämpfen wie tausende Flüchtlinge ums Überleben. Betont sei auch, dass der Frontex-Chef betont, dass die primäre Triton-Aufgabe der Grenzschutz ist. Allerdings unterstreicht er zuletzt immer, "dass wir wie in allen unseren maritimen Operationen die Rettung von Menschenleben als eine absolute Priorität für unsere Behörde betrachten". Das scheint von den Mitgliedsstaaten hintertrieben oder wenigstens nicht unterstützt zu werden. So darf die Frage erneut gestellt werden: "Flüchtlingskatastrophen ohne Ende?"