Das ganze Fernsehen in einem Computer

Digitale "Personal Video Recorder" erleichtern das Aufzeichnen von ausgewählten TV-Sendungen. Ein Projekt der britischen BBC geht einen großen Schritt weiter.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Eric Hellweg

Computerchips sind mitlerweile fast allgegenwärtig - und ihre steigende Leistungsfähigkeit sorgt für einen technischen Durchbruch nach dem anderen, egal ob es nun das Online-Shopping oder die Überwachung des weltweiten Klimawandels ist. Oder wie wäre es mit einem PC-artigen Gerät, das automatisch schlicht alles aufzeichnet, was im Fernsehen läuft?

Das zumindest ist die Idee hinter einem Projekt der Forschungsabteilung der britischen BBC. Das Team hat bereits den Prototypen für einen so genannten "Personal Video Recorder" (PVR) namens "Promise TV" vorgestellt. Damit ließen sich eine Woche lang sämtliche Sendungen von zwölf verschiedenen britischen Sendern aufnehmen.

Mit jeder neuen PVR-Generation (am bekanntesten ist hierzulande der US-Anbieter TiVo) wurde die Software der Geräte intelligenter und leichter zu bedienen. Die eingebauten Programmführer erkennen den Geschmack des Nutzers immer zuverlässiger und schlagen ihm passende Sendungen vor. Der Promise-TV-Ansatz macht jegliche Auswahl im Vorfeld unnötig: Statt gezielt wird einfach alles aufgezeichnet - bis der Speicher voll ist oder der Nutzer selbst etwas löscht.

Obwohl das Projekt bislang nur ein Experiment ist und die BBC nach eigenen Angaben keine kommerziellen Pläne damit verfolgt, sorgte es im Juli für Aufsehen auf der Londoner OpenTech-Konferenz. "Das Projekt verändert Fernsehen von Grund auf", sagt beispielsweise James Chiddix, Chef von Open TV, einem Hersteller von Software für Kabel- und Stallitenfirmen. Chiddix zeigt sich überzeugt, dass derlei "alles auf einmal"-Rekorder zum Standard für Set-Top-Boxen werden - "Die einzigen Fragen, die sich bei Promise TV noch stellen, sind eigentlich geschäftliche und rechtliche. Technisch gibt es kaum Probleme."

Das Gerät selbst basiert auf einem ganz normalen PC, wie Dominic Ludlam, Chefentwickler des Promise-TV-Teams bei der BBC, erklärt. Allerdings kann es durch das Zusammenschalten mehrerer Festplatten insgesamt gigantische 3,2 Terabyte an Daten aufnehmen. Das Interesse an der neuen Technik sei seit der Demonstration auf der OpenTech-Konferenz groß, sagt Ludlam.

Promise TV enthält auch einen elektronischen Programmführer, der dem Benutzer hilft, sich durch das riesige Archiv an Inhalten zu kämpfen. Dabei werden die Sendungen des ersten aufgezeichneten Tages am achten Tag gelöscht, die des zweiten am neunten und so weiter.

Weitere Details nennt das Promise-TV-Team allerdings nicht - das Gerät soll erst im Lauf des August auf der offiziellen Website genauer vorgestellt werden. Das Design soll dann auch der Open-Source-Community zur Verfügung gestellt werden. "Das Projekt soll von möglichst vielen Menschen vorangetrieben werden", sagt Ludlam.

Promise TV ist nicht das erste Projekt seiner Art. 2003 gab es beim US-Kabelanbieter Time Warner Cable ähnliche Tests mit einer Technik namens Mystro TV, die den Nutzern TiVo-ähnliche Funktionen an die Hand gab - und zwar für fast jede ausgestrahlte Sendung. Der Unterschied: Funktionen wie das Vorspulen fanden nicht auf der Festplatte des Nutzers statt, sondern auf Servern im Sendezentrum von Time Warner Cable. Das Projekt wurde schließlich von Medienkonzernen gestoppt, die es ungern sahen, dass ihre Sendungen für Mystro TV weiterverwendet wurden.

Würde auch ein Projekt wie Promise TV Probleme mit dem Urheberrecht verursachen? Zumindest in den USA wohl nicht: "Geräte, die das Fernsehprogramm nur aufzeichnen, damit der Benutzer es später ansehen kann, sind vom Gesetz gedeckt", sagt Jason Schultz, Justiziar bei der Netzbürgerrechtsvereinigung Electronic Frontier Foundation. Dies falle unter die berühmte Sony-Betamax-Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA, mit der Videorekorder in den Achtzigerjahren offiziell legalisiert wurden.

Jedoch halten nicht alle Beobachter Promise TV für einen wirklichen Durchbruch. "Die Endkunden müssten sich durch eine Masse an Programmen kämpfen, bis sie das finden, was sie interessiert", sagt Todd Chanko, Analyst bei Jupiter Research. "Ein solches Gerät macht das Leben der Nutzer eher schwieriger." BBC-Mann Ludlam dagegen führt als wesentlichen Vorteil an, dass man so keine Sendung mehr verpassen könne.

Andererseits ist Ludlam vielleicht nicht mit dem gigantischen Programmangebot in den USA mit buchstäblich Hunderten von Kanälen vertraut. Allzuviele Sendungen, die man unbedingt sehen muss, finden sich nicht darunter.

Von Eric Hellweg; Übersetzung: Ben Schwan. (sma)