Bundesregierung im Griechenland-Dilemma

Die Merkel-Truppe will unbedingt eine IWF-Beteiligung am dritten "Rettungspaket", doch den vom IWF geforderten Schuldenschnitt will sie nicht

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Nun hat sich die Bundesregierung in eine ziemlich verfahrene Lage manövriert. Denn die verschiedenen Winkelzüge der Truppe unter Bundeskanzlerin Merkel führten sie nun in das Griechenland-Dilemma, nachdem das griechische Parlament nun das "technische Memorandum" verabschiedet hat, das allgemein als "Rettungsprogramm" bezeichnet wird.

Doch von Rettung ist natürlich keine Spur, die Lage wird mit neuen Schulden, die auf längst nicht mehr bezahlbare Schulden aufgehäuft werden, nur noch untragbarer. Statt einer Staatsverschuldung von etwa 130%, als die Rettung 2010 begann, steigt sie mit den 86 Milliarden Euro auf etwa 200% der jährlichen Wirtschaftsleistung. Weil die Rückzahlung damit noch unrealistischer wird, fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) längst ultimativ einen Schuldenschnitt. Denn der IWF hat in den bisherigen beiden "Rettungspaketen" schon gegen die eigenen Statuten verstoßen.

Vor der Abstimmung in Athen und vor dem Treffen der Eurogruppe am Nachmittag hatte die Leiterin der IWF-Mission in Griechenland erklärt, der Fonds werde eine Entscheidung über "die Gewährung zusätzlicher Finanzierungen" prüfen, sobald die Regierung in Athen dafür erforderliche Reformmaßnahmen beschließe. Delia Velculescu erklärte weiter:

Wir erwarten, mit den Behörden das Programm detaillierter auszuarbeiten und dass die europäischen Partner Griechenlands Entscheidungen über einen Schuldenerlass fällen, welche die Schulden Griechenland tragfähig machen.

Bisweilen wird in deutschsprachigen Medien aber wieder einmal versucht, das Unwort "Schuldenschnitt", "Schuldenerlass" oder "Entschuldung" zu umgehen, weshalb "debt relief" falsch und vage mit "Schuldenerleichterungen" übersetzt wird.

Die reale Formulierung des IWF bringt führt die Bundesregierung aber in ein Dilemma. Denn die Unionsfraktion hatte immer wieder erklärt, dass es ohne eine IWF-Beteiligung keine Zustimmung geben werde. Das betonte Michael Fuchs, Vize-Fraktionschef der Unionsfraktion im Bundestag, noch am heutigen Freitag im Interview.

"Aber am Ende des Tages muss die Zustimmung des IWF“ kommen und da sei er sich einig mit Volker Kauder und dahingehend gebe es keinen Dissens zur Kanzlerin oder zu Bundesfinanzminister Schäuble.

Wenn es nicht gelingt, den IWF an Bord zu holen, dann wird Wolfgang Schäuble wohl heute nicht zustimmen.

"Die Zeit" hatte die Tage schon einen möglichen Ausweg in der Frage in den Raum gestellt. Die Wochenzeitung berichtete, die Bundesregierung prüfe derzeit, ob die EU die Rückzahlung der griechischen Schulden an den IWF garantieren könne, damit der IWF keinerlei Risiko eingehen müsse und die Rückzahlung der Schulden an ihn gesichert sind, um ihn damit davon abzubringen, die Schuldentragfähigkeit über einen Schuldenschnitt zu erreichen.

Es bleibt aber noch eine Möglichkeit, den Schuldenschnitt als "Umschuldung" oder "Schuldenerleichterung" zu tarnen, um sich der Kritik der Öffentlichkeit zu entziehen, die man in Deutschland gegen einen Schuldenschnitt eingestimmt hat: Die Schulden können lange gestreckt und niedrig verzinst werden. Verschiebt man die Rückzahlung auf den St. Nimmerleinstag und passt sie zudem an die wirtschaftliche Entwicklung an, nach dem historischen Vorbild Deutschlands (das zudem noch einen Schuldenschnitt bekam), werden die Schulden mit der Zeit praktisch weginflationiert.

Griechenland hätte so eine Chance zur wirtschaftlichen Erholung. Das käme zwar einem Schuldenschnitt gleich, den man dann aber nicht so nennt. Das wäre nach Ansicht des Ökonomen Rudolf Hickel ein gangbarer Weg, um die "Megakatastrophe" Grexit zu vermeiden.