Ideologie der Inhaltsleere

"Fortschritt" ist aus der Mode gekommen; seine Stelle hat jetzt die "Innovation" übernommen, wie die Worthäufigkeiten bei Google zeigen.

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"Fortschritt" ist aus der Mode gekommen; seine Stelle hat jetzt die "Innovation" übernommen, wie die Worthäufigkeiten bei Google zeigen.

"Von 'Innovation' zu reden scheint vom ideologischen Ballast des 'Fortschritts' zu befreien und verlangt keine Anmaßung eines Urteils, ob das Neue nun gut oder schlecht sei", schreibt der Schweizer Wissenschaftsautor Marcel Hänggi, der auch für TR arbeitet. Tatsächlich aber sei "Innovation" zwar inhaltsleer, aber nicht ideologiefrei, denn sie folge der "Ideologie der Inhaltsleere" – dem Neoliberalismus.

In sorgfältig recherchierten historischen Beispielen bürstet Hänggi so manchen Fortschrittsmythos gegen den Strich: So sei die Dampfmaschine keineswegs zentraler Treiber der industriellen Revolution gewesen. England hätte im frühen 19. Jahrhundert auch ohne sie die annähernd gleiche Wirtschaftsleistung erbracht. Eine bestimmte Technologie habe sich, so Hänggi, oft nicht deshalb durchgesetzt, weil sie ein Problem am besten lösen konnte, sondern weil die entscheidenden Zeitgenossen mit ihr mehr Geld oder Macht bekamen oder sie einfach cool fanden.

Marcel Hänggi: "Fortschrittsgeschichten. Für einen guten Umgang mit Technik" Fischer, 304 Seiten, 12,99 Euro (jle)