Unterwegs im Wasserstoff-7er

Der Autohersteller BMW hat ein Oberklassefahrzeug entwickelt, das sowohl mit Benzin als auch mit Wasserstoff fahren kann. Technology Review-Journalist David Talbot durfte einsteigen.

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Von
  • David Talbot

Vor kurzem war ich Teil einer exklusiven Gruppe von Journalisten, die erstmals den neuen, produktionsreifen "Öko"-7er von BMW Probe fahren durften. Dessen Motor lässt sich auf Knopfdruck von Benzin- auf Wasserstoffbetrieb umschalten und ist fraglos ein kleines ingenieurtechnisches Meisterstück: Mit Wasserstoff-Befeuerung kommt hinten nur noch Wasserdampf heraus.

BMW entwickelt seit Jahren Prototypen mit dieser Antriebsart. Gleichzeitig arbeitete das Unternehmen an einer Wasserstoff-Brennstoffzelle für Elektrofahrzeuge – allerdings stellte die Firma hier schnell fest, dass man nicht die Leistung erzielen konnte, die sich aus der reinen Wasserstoff-Verbrennung ergab. "Man erhält ein Auto, aber es ist eben kein BMW", meint dazu BMW-Ingenieur Thomas Melcher.

Deshalb setzt seine Firma nun auf den Wasserstoff-7er. Das Fahrzeug durchlief laut BMW rigorose Produktentwicklungszyklen und könnte, so zumindest die Theorie, sogar in Massenproduktion gehen. Praktisch gesehen dürfte es aber bei nur 100 Fahrzeugen bleiben, die dann an sorgfältig ausgewählte Personen und Promis vermietet werden sollen, die Teil einer groß angelegten, weltweiten PR-Kampagne sind.

BMW nennt sein Konzept eine Art von "Öko-Luxus" – ein Fahrzeug, das umweltfreundlich fährt, aber dennoch genügend PS und eine geschmackvolle Ausstattung hat. BMW versucht dabei zweifellos, sich in besonders positives, "grünes" Licht zu rücken – die Pionier-Arbeit im Wasserstoff-Markt kommt in Zeiten der Angst vor der globalen Erwärmung eben besonders gut an.

Bei einer Probefahrt auf der Autobahn A10 konnte ich den Wasserstoff-7er testen. Bereits mit 200 km/h unterwegs, drückte ich einen Knopf auf dem Armaturenbrett, der das Fahrzeug von Benzinbetrieb auf Wasserstoff umschaltete. Das einzige, was ich danach bemerkte, war eine Veränderung des Motorengeräusches, das nun etwas heller klang. Gleichzeitig leuchtete ein rotes "H2"-Symbol am Armaturenbrett auf. Ohne jedes Stottern verfeuerte das Auto nun Wasserstoff – und zwar mit den Zylindern, die einen kurzen Moment zuvor noch Benzin umgesetzt hatten. Die gigantische 12-Zylinder-Maschine mit ihren sechs Litern holt aus Wasserstoff allerdings nur verhältnismäßig geringe 260 PS heraus. Aus diesem Grund wurde auch die Leistung im Benzinbetrieb heruntergeschraubt, um eine vergleichbare Performance zu erreichen. (Normalerweise liefert ein solcher Benziner gut 400 PS.)

Auch die Wasserstoff-Verbrennung selbst trieb BMW ein ganzes Stück weiter. Vor drei Jahren lief ein solcher Motor im Probebetrieb nur wenige Minuten und hielt dann mit einem großen Knall an, wie Melcher erzählt: "Boom, wir lieben Explosionen!" Es stellte sich dann heraus, dass ein kleiner Teil des Wasserstoffs aus den Kolben austrat, sich mit Öl vermischte und dann schlicht explodierte. Deshalb wurden die Kolbenringe verändert. Die Motorelektronik musste ebenfalls verändert werden, um mit der wesentlich schneller ablaufenden Verbrennung von Wasserstoff klarzukommen – der Prozess läuft 100 Mal flotter ab als bei Benzin. Außerdem stellte BMW sicher, dass keine chemischen Nebenprodukte der Verbrennung wie Stickstoff austreten.

Ich selbst hatte bei meiner Probefahrt durchaus viel Spaß – aber das hatte vor allem damit zu tun, dass es sich um einen luxuriös ausgestatteten 7er handelte. Die Tatsache, dass da Wasserstoff statt Benzin verbrannt wurde, war unterwegs hingegen kaum zu spüren. Interessanter ist da schon, was sich im Kofferraum befindet: Zieht man dort eine Abdeckung hoch, sieht man den glänzenden Wasserstoff-Tank aus Stahl, der ungefähr so groß ist wie ein mittelgroßes Bierfass und glatt die Hälfte des Kofferraums einnimmt.

Dieser Tank störte die BMW-Ingenieure mehr als alles andere, wie ich erfuhr. Sie wollten unbedingt zeigen, dass Wasserstoff ein echter Benzinnachfolger werden kann – eine weitere Flüssigkeit, die man in den Tank gibt. Dummerweise will Wasserstoff aber ein Gas sein. Um den Brennstoff flüssig zu halten, muss man man ihn auf frostige minus 253 Grad Celsius herunter kühlen. Wasserstoff derart kalt zu halten, funktioniert bei einem Fahrzeugtank also nur sehr schwer.

Das Problem hat daher bislang noch niemand vollständig gelöst – auch die BMW-Ingenieure nicht. Dort entwickelte man einen satte 129 Kilogramm schweren, doppelwändigen Behälter aus rostfreiem Edelstahl. Zwischen den zwei Stahlschichten befindet sich ein Vakuum mit mehreren Isolationsschichten, die die Hitze reflektieren sollen. BMW gibt an, dass ein Schneeball in diesem Tank ganze 13 Jahre brauchen würde, um zu schmelzen. Leider reicht diese Isolation aber immer noch nicht aus, um Wasserstoff länger als ein paar Stunden vor der Erwärmung zu bewahren.

Geht der Wasserstoff dann in Gasform über, steigt der Druck im Tank. Ab einem bestimmten Punkt öffnet sich ein Entlastungsventil. Dabei treten dann geringe Menge Wasserstoffgas aus – ungefähr 10 bis 12 Gramm pro Stunde. Dieses wird dann durch einen Katalysator geführt, der es in Wasser umwandelt und über ein Spezialrohr im hinteren Stoßdämpfer nach außen führt. Wenn man das Auto nicht fährt, dauert es ganze 17 Stunden, bevor dieser Ablassprozess erstmals beginnt. Ein halb voller Tank ist so innerhalb von neun Tagen fast komplett "verpufft".

Sollte der Wasserstoffspeicher irgendwie beschädigt sein, entweicht sein Inhalt noch deutlich schneller. Dann öffnet sich ein zweites Ventil, das reinen Wasserstoff zu einem Auslass am Dach des Fahrzeugs leitet. Da sich diese Schutzmechanismen bislang noch in der Entwicklung befinden und ein potenzielles Sicherheitsrisiko darstellen, darf man den Wasserstoff-7er nicht in geschlossenen Garagen parken. BMW arbeitet zurzeit an einem Tank der nächsten Generation, bei dem leichtere Materialien verwendet werden sollen. Gleichzeitig schaut sich das Unternehmen auf dem Forschungsgebiet der Materialwissenschaften um – so seien womöglich Wasserstoff-Speicher aus Nanotechnik möglich.

Es war schon jetzt interessant, das Luxus-Fahrzeug an einer der wenigen Demonstrations-Wasserstoff-Tankstellen in der Nähe von Berlin zu befüllen. Eine Tankladung benötigt ungefähr acht Minuten, ein Kilogramm Wasserstoff, das in etwa den Energiegehalt von einer US-Gallone Benzin besitzt, kostete acht Euro.

BMW-Forschungsmanager Klaus Draeger glaubt, dass Wasserstoff heute da sei, wo das Benzin vor 100 Jahren war. Vor einem Jahrhundert habe sich auch noch niemand vorstellen können, dass es einst ein weltumspannendes Netzwerk an Benzintankstellen geben werde: "Nur wenige Visionäre sagten das damals voraus." Dennoch glaubt man bei BMW, dass diese radikale neue Infrastruktur keine wirkliche Herausforderung darstellt. Da könnte die Firma Recht behalten: Man schaue sich nur eine Stadt wie Berlin an, die sich in den letzten Jahren so radikal verändert hat – eine Infrastruktur lässt sich innerhalb von Jahrzehnten tatsächlich fast völlig umkrempeln.

Das geht aber nur dann gut, wenn es tatsächlich sinnvoll ist; in diesem Fall ist die Infrastruktur auch nicht das größte Problem, sondern der Wasserstoff selbst. Man kann ihn nicht einfach aus dem Boden holen und verbrennen, wie dies bei fossilen Brennstoffen der Fall ist. Man muss ihn entweder aus Kohlenwasserstoff-basierten Ausgangsmaterialien ziehen oder mit Hilfe von Elektrizität aus Wassermolekülen holen – beides Methoden, die nicht unbedingt umweltfreundlich sind. Entweder verbrennt man dann im Kraftwerk noch mehr fossile Brennstoffe oder zieht die bislang noch in viel zu geringem Umfang eingespeisten erneuerbare Energien aus dem Stromnetz.

Wer Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen gewinnt, generiert sogar in der Energiebilanz mehr CO2 als zuvor. Stammt der Wasserstoff etwa aus Erdgas, sind die CO2-Emissionen insgesamt doppelt so groß als bei der direkten Erdgasverbrennung. Die Wasserstoff-Gewinnung aus fossilen Brennstoffen würde aus Umweltschutzperspektive nur dann Sinn machen, wenn man das CO2 beispielsweise per Sequestrierung unter die Erde schickt.

Setzt man Elektrizität ein, um Wasserstoff aus Wasser zu generieren, muss man vorher sicherstellen, dass der Strom nicht selbst aus fossilen Brennstoffen stammt. Er müsste also aus erneuerbaren Quellen kommen, beispielsweise der Sonnenenergie oder dem Wind. Derzeit lässt sich jedoch noch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Wasserstoffproduktion tatsächlich die weiseste Verwendung erneuerbarer Energie darstellt. Immerhin könnte Wasserstoff genutzt werden, um die Überproduktion an besonders windigen oder sonnigen Tagen aufzunehmen.

BMW selbst glaubt fest daran, dass Fahrzeuge wie der Wasserstoff-7er problemlos in jeder Garage stehen könnten, sobald es eine entsprechende Weiterentwicklung bei der erneuerbaren Energie und dem Speichern des Treibstoffes gibt. Die Vorstellung eines durchzugsstarken Fahrzeugs, das nur noch Wasserdampf abgibt, hat durchaus viel für sich. Doch aktuell sieht es eher danach aus, dass es sich hierbei um ein Auto für eine Zukunft handelt, die womöglich niemals kommt.

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)