Durchsuchung in Presseredaktion und Journalistenwohnung war verfassungswidrig

Durchsuchung darf nicht vorrangig der Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten dienen

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In einer heute veröffentlichten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht im Wege dreier Verfassungsbeschwerden die Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten in den dortigen Fällen für verfassungswidrig erklärt. Die Durchsuchung dürfe nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären. Erforderlich seien vielmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presseangehörigen, die den Beschlagnahmeschutz nach § 97 Abs. 5 Satz 1 Strafprozessordnung entfallen ließen.

Die Redaktion hatte einem Polizeihauptkommissar Spesen in Höhe von 3.149,07 € für eine Reise nach Amsterdam finanziert, um 2011 bei der Recherche über das Verschwinden zweier Kinder in den 1990er Jahren zu helfen. Zudem hatte der betreffende Journalist für einen Kauf zweier Jacken 100,- € ausgelegt, die zurückgezahlt wurden. Als die Polizei 2012 im Zusammenhang mit einem anderen Ermittlungsverfahren auf entsprechende Zahlungen stieß, witterte sie eine Bestechung mit einer Vergnügungsreise. Dies war für den Ermittlungsrichter am Amtsgericht Tiergarten in Berlin Anlass genug, die Durchsuchung von Redaktionsräumen und der Pivatwohnung eines Journalisten anzuordnen. Dabei wurden verschiedene Datenträger sowie elektronische Geräte (Notebook, Mobiltelefone) beschlagnahmt. Die Durchsuchung fand statt, obwohl entlastende Reisebelege dem den Einsatz leitenden Staatsanwalt übergeben wurden.

Das Bundesverfassungsgericht erkannte nun einen rechtswidrigen Eingriff in die Pressefreiheit. Die Durchsuchung in Presseräumen stelle wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Dieser Schutz sei unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten könne, diese Informationsquelle aber nur dann fließe, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen könne.

Ein bloß allgemeiner Verdacht, dass dienstliche Informationen an die Presse weitergegeben wurden, genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Durchsuchungsanordnung nicht. Soweit die Behörden wegen wegen Geheimnisverrats in einem anderen Fall ermittelt hatten, war eine vertrauliche Information nicht im Verlag der durchsuchten Redaktion, sondern bei einem ganz anderen Presseunternehmen erschienen.

Einen zur Durchsuchung erforderlichen "dringenden Tatverdacht" und eine Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen hatte zuvor das Landgericht Berlin gesehen. Der Polizist habe sich konspirativ verhalten. So hatte der inzwischen als dienstunfähig erkrankte Polizist von seinem Rechner aus nachts Daten mit Dienstbezug gesendet und ein auf eine fiktive Person angemeldetes Handy benutzt. Dies jedoch reichte für einen dringenden Tatverdacht jedenfalls gegenüber dem Verlag und dessen Journalisten nicht aus.

Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 13. Juli 2015, 1 BvR 1089/13, 1 BvR 1090/13, 1 BvR 2480/13