Digitaler junger Werther

Eine App mit deutschen Literatur-Klassikern ist zwar keine bahnbrechende Innovation, doch mit bestimmten Features können auch Goethe, Heine und Kafka nochmal den Weg in die aktuelle Leseliste auf Smartphone und Tablet finden.

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Eine App mit deutschen Literatur-Klassikern ist zwar keine bahnbrechende Innovation, doch mit bestimmten Features können auch Goethe, Heine und Kafka nochmal den Weg in die aktuelle Leseliste auf Smartphone und Tablet finden.

Wenn sich Kultur mit modernen Technologien verbindet, finde ich das immer besonders interessant. Welche Mittel und Wege werden genutzt? Wie wird Altbekanntes neu aufbereitet? Welchen Effekt hat das? Sicher ist das alleinige Verfügbar-machen von literarischen Klassikern kein Meilenstein in der Digitalisierung von Kulturgütern. Doch die Bayerische Staatsbibliothek versucht, mit ihrem neuen Angebot das Prinzip "Allgemeinbildung auf vielen Kanälen bereitstellen" mit Mehrwert zu versehen. Seit ein paar Tagen bietet die Einrichtung die neue, kostenfreie App "Deutsche Klassiker in Erstausgaben". Mehr als 30 Erstausgaben aus dem deutschen Literaturkanon wurden dafür aus dem Bestand der Bibliothek digitalisiert – zunächst nur für das iPhone und iPad.

Die Bibliothek hat aber nicht einfach die Texte wie "Die Leiden des jungen Werther" oder "Die Verwandlung" hochgeladen. Sie bietet neben der klassischen E-Book-Seite und dem Scan des Original-Dokuments eine Hybrid-Ansicht, in der die teilweise schwer lesbare Frakturschrift mit besser lesbaren Buchstaben überblendet wird. Ein weiteres Features ist die Direktverlinkung mit Wikipedia.

Sicherlich gibt es bereits viele literarische Texte dank abgelaufenem Urheberrecht kostenfrei im Netz, etwa über Google Books oder auch das Projekt Gutenberg-DE. Doch ist es auch immer eine Frage, welchen Kenntnisstand die Interessierten haben. Wie gut kennen sie sich im Netz aus? Welche Kanäle nutzen sie? Wo kann man sie mit einem neuen Angebot abholen? Deshalb halte ich einen weiteren Weg, um sich Klassiker auf das Smartphone oder das Tablet zu holen, nicht für überflüssig. Im Gegenteil für eine sprichwörtlich neue Seite im Portfolio von digitalen Kulturangeboten.

Die – zwar wenigen – Kommentare zur App sind bisher positiv. Wenn gleich man sich fragen kann, wieso eine Anwendung, die für die breite Öffentlichkeit gedacht ist, zunächst nur auf die iPhone-Nutzer und hier erst ab dem iPhone 5 kompatibel ist. Doch prinzipiell wird gewünscht, dass der digitale Bestand der Klassiker-App erweitert wird – ein schönes Zeichen, wie ich finde. So rückt auch meine kleine Reclam-Sammlung aus dem Schrank durch neue Technologie wieder näher in meinen Alltag und damit auf meine Leseliste auf dem Tablet. (jle)