Nachwachsende Zähne

Forscher an der Tokyo University of Science arbeiten an einer Methode, aus Stammzellen Zähne nachzuzüchten - inklusive Wurzeln.

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Von
  • Jennifer Chu

Laut Angaben des US-Gesundheitsministeriums verliert der durchschnittliche Amerikaner im Schnitt acht Zähne, bevor er das 51. Lebensjahr erreicht hat. Ersatz kommt normalerweise in Form von Prothesen, von denen bekannt ist, dass sie auf längere Sicht den Kieferknochen angreifen können. Auch manche Gebissimplantate haben Nachteile – spätestens nach mehreren Jahren im Einsatz neigen sie zum Herausfallen. Ergo: Gäbe es eine Möglichkeit, natürliche Zähne mit darunter liegenden Knochen, Wurzeln und Nerven erneut sprießen zu lassen, wäre dies eine wesentlich gesündere Alternative.

Forscher an der Tokyo University of Science wollen dies nun möglich machen. Was wie eine Zukunftsvision klingt, hat bei Mäusen bereits geklappt: Juniorprofessor Takashi Tsuji und sein Team züchteten erfolgreich aus Mäuse-Embryozellen einen Zahn ("Nature Methods", aktuelle Ausgabe). Und, noch erstaunlicher: Dieser Zahn ließ sich auch einer ausgewachsenen Maus implantieren, wo er zu voller Größe heranwuchs.

Mäusezähne entwickeln sich ähnlich wie beim Menschen in der embryonalen Entwicklungsphase aus zwei Hauptzellgruppen: Bindegewebs- und Deckgewebszellen. Deckgewebszellen lassen den Zahnschmelz wachsen, während die Bindegewebszellen die enthaltenen Blutgefäße und das innere Verbindungsgewebe bilden. Takashis Team isolierte beide Zellarten aus mehreren Mäuseembryos und übertrug sie dann in eine Gel-Kultur aus Collagen. In dieser interagierten die Zellen dann, um eine Zahnknospe zu bilden. Diese Knospe wurde dann in die Leber einer erwachsenen Maus implantiert. Dort sorgte die gute Durchblutung für die weitere Entwicklung. Anschließend wurde der Zahn in eine leere Zahnhöhle im Mäusemund implantiert, wo er zur vollen Größe heranwuchs.

Ob sich diese oder ähnliche Techniken auch für den Menschen eignen, ist allerdings noch völlig unklar. Paul Sharpe, Leiter des Instituts für Schädel- und Gewebeforschung am King's College in London, sieht vor allem in der Zellgewinnung ein Problem. Bekanntermaßen sind embryonale Stammzellen beim Menschen kaum in großer Zahl zu bekommen – auch aufgrund einer heiß geführten ethischen Debatte. Außerdem sei unklar, ob der Körper eines erwachsenen Menschen einen so gebildeten "Fremdzahn" auch tatsächlich annehme, so Sharpe.

Ein besserer Ansatz wäre daher wohl, Stammzellen von Erwachsenen zu verwenden, die sich aus Haaren, Haut und anderem Gewebe gewinnen lassen. Übergibt man diesen die richtigen molekularen Signale, können sie jede Art von Gewebe produzieren. Ein weiterer Vorteil: Die aus der Eigenspende stammenden Zähne ließen sich dann problemlos beim Spender zurück implantieren, ohne dass es zu einem Abstoßverhalten kommt. Sharpes Labor untersucht derzeit Stammzellen aus Knochenmark und Zahnfleisch als mögliche Kandidaten, Zähne nachzuzüchten. Erste Erfolge konnte der Forscher mit Knochenmarkzellen bereits verzeichnen – diese bildeten auch Zähne, die sich implantieren ließen. Wenn man sich diese Zellen jedoch bei einem Menschen besorgen will, wäre dies mit einer schmerzhaften Prozedur verbunden, die kaum jemand über sich ergehen ließe. In den nächsten drei Jahren will Sharpe daher leichter zu erreichende Stammzellquellen finden. Diese würden dann womöglich nicht nur Zähne, sondern (wesentlich wichtiger) auch Wurzeln bilden: "Sie transplantieren hier ja einen Zahn unter weiches Gewebe im Zahnfleisch. Der Zahn muss sich ausformen und Wurzeln bilden, damit sich eine Verbindung bildet. Ohne Wurzel macht das alles keinen Sinn."

Einer Forschergruppe an der University of Southern California (USC) ist diese Wurzelzüchtung bereits gelungen. Sie ließen Zahnwurzeln bei Schweinen sprießen. Ausgangspunkt waren dabei Stammzellen aus Weisheitszähnen. Das Team unter Leitung von Songtao Shi, Dozent an der Fakultät für Zahnmedizin, isolierte die Stammzellen aus den entnommenen Weisheitszähnen 18- bis 20jähriger Menschen. Aus diesen Zähnen bildeten die Forscher Zahnwurzeln und Wurzelhaut. Beides ließ sich in die Mundhöhle eines Schweines verpflanzen. Das Gebilde war stark genug, eine künstliche Krone zu halten.

Shi hält seine Ergebnisse für einen viel versprechenden Anfang. Sein Team hofft nun, die Technik in den nächsten Jahren auch am Menschen zu testen. Die Idee dabei: In Zukunft könnte man sich dann Stammzellen aus sowieso regulär entnommenen Weisheitszähnen extrahieren lassen, um sie dann für die spätere Verwendung "auf Eis" zu legen. Gibt es dann Zahnprobleme, könnte man die Zellen wieder nutzen.

Shi, Sharpe und andere Experten erwarten in den nächsten Jahren Großes auf diesem Forschungsgebiet. Die dort gewonnenen Erkenntnisse könnten zudem auch Forschern helfen, die in anderen Bereichen Gewebe und Knochen züchten wollen.

"Wir haben es hier ja mit einem Organ zu tun, mit dem der chirurgische Umgang recht einfach ist. Gibt es Probleme beim Patienten, kommt man viel leichter heran", meint Sharpe. Gäbe es Komplikationen, lasse sich vieles leicht korrigieren: "Der Patient muss nur vorbei kommen und seinen Mund öffnen. Das lässt sich mit einer Leber oder einem Herzen kaum machen." (wst)