Der Billionen-Dollar-Organismus

Der Biotech-Rebell Craig Venter hat einen neuen Coup gelandet: die US-Patentanmeldung auf die erste synthetisierte Lebensform. Kritiker befürchten, dass damit ein weit reichendes Monopol in der Synthetischen Biologie entstehen könnte.

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Von
  • Niels Boeing
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J. Craig Venter, der Mann, der mit seiner Firma Celera Genomics die Sequenzierung des menschlichen Genoms in ein medienwirksames Wettrennen verwandelte, ist erneut dabei, die Biotechnik-Welt aufzumischen. Mit dem nach ihm benannten J. Craig Venter Institute hat er am 31. Mai beim US-Patentbüro ein Patent auf die erste vollständig synthetische Lebensform angemeldet: das Bakterium „Mycoplasma laboratorium“. Dabei handelt es sich um eine Variante des natürlichen Mycoplasma genitalium.

Im Unterschied zu diesem enthält die Laborvariante nur ein „Minimal-Genom“ aus 381 Protein codierenden Genen, die für Stoffwechsel, Wachstum und Fortpflanzung unbedingt nötig sind – also 101 Gene weniger als die natürliche Form. Das Genom würde zuvor synthetisiert und in einen Bakteriencorpus eingepflanzt, dessen Genom vorher entfernt wird. Das Grundprinzip hat Venter zusammen mit dem Nobelpreisträger Hamilton Smith und Kollegen bereits im Januar 2006 im Journal PNAS publiziert.

Mycoplasma laboratorium wäre der vorläufige Höhepunkt des noch jungen Forschungsgebietes der Synthetischen Biologie, die gentechnisch manipulierte Einzeller in kontrollierte Biomaschinen verwandeln will. Die sollen als winzige Fabriken für Chemikalien ebenso wie als autonom agierende Agenten für medizinische Zwecke genutzt werden. Mycoplasma ist hier besonders interessant, weil es das Bakterium mit dem kleinsten Genom ist - das in der Forschung ebenfalls beliebte E.coli-Bakterium enthält etwa zehn Mal so viele Gene, was seine Komplexität erhöht.

Unklar ist bislang, ob das Venter-Institut bereits ein lebensfähiges Mycoplasma laboratorium herstellen konnte. Heather Kowalski, die Pressesprecherin des Instituts, will dies nicht bestätigen: „Wir haben noch keine entsprechende Bekanntmachung herausgebracht. Wenn es ein entsprechendes Paper gibt, werden wir dies der Presse mitteilen.“

Doch so unspektakulär, wie Kowalski es darstellt, ist die Angelegenheit nicht. Denn die Anmeldung des Patents genügt zumindest in den USA, vergleichbare Arbeiten anderer Forschungsgruppen für einige Zeit zu blockieren – solange nämlich die Anmeldung geprüft wird. Jim Thomas von der kanadischen ETC Group, die seit einigen Jahren Entwicklungen in Bio- und Nanotechnik kritisch begleitet, befürchtet, dass hiermit der Grundstein zu einem weit reichenden Monopol für die Biomaschinen der Zukunft gelegt werden soll: „Die Frage ist: Wird Venters Unternehmen zu einem ‚Microbesoft’ der Synthetischen Biologie?“ Venter versuche, so Thomas, eine Art ‚Betriebssystem’ für Biomaschinen zu patentieren.

Der Inhalt der Patentschrift hat es jedenfalls in sich. Sie beansprucht Patentschutz nicht nur für die 381 Gene des Minimalgenoms und jeden Organismus, der auf ihrer Basis hergestellt wird. Auch jede andere synthetische Variante eines Mycoplasma-Bakteriums, die auf mindestens 55 der 101 „unwesentlichen“ Gene verzichtet, würde darunter fallen.

„Wenn man von einem anderen – nicht mit Mycoplasma verwandten – Organismus ausgeht, sollten theoretisch andere Gene überflüssig sein. Solange man aber versucht ein Minimalgenom-Bakterium herzustellen, das auch nur entfernt mit Mycoplasma verwandt ist, wird man wahrscheinlich in den Schutzbreich des Patents fallen“, urteilt Marcus Graf vom internationalen Biotechnik-Unternehmen Geneart in einer ersten Stellungnahme. Tatsächlich enthält die Gattung Mycoplasma noch über 100 andere Arten.