"Eines der saubersten Autos weltweit"

Erdgasautos verbrennen bereits jetzt sauberer als ihre Benzin- und Diesel-Pendants. Ein in der Schweiz entwickelter Katalysator soll die Umweltbilanz noch weiter verbessern.

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Von
  • Tom Sperlich

Ende August erregte ein Bericht der Schweizer Nachrichtensendung "10 vor 10" über einen neuartigen Katalysator für Erdgasautos viel Aufsehen. Mit der an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) entwickelten Komponente werde das "sauberste Auto der Welt" möglich, hieß es in der Reportage. Das Auto würde über 80 Prozent weniger Stickoxid, rund 50 Prozent weniger Feinstaub und rund 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen als andere Erdgasautos, hieß es.

Inzwischen haben die Wissenschaftler und Ingenieure der Forschungseinrichtung, die zur Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Dübendorf gehört, den etwas unscharfen Bericht gerade gerückt. Empa-Forscher haben demnach gemeinsam mit der Volkswagen AG und dem belgischen Katalysatorspezialisten Umicore die katalytische Abgasreinigung für Erdgasfahrzeuge weiterentwickelt. Seit einigen Monaten werden in Basel in drei VW-Fahrzeugen des Typs "Touran EcoFuel" drei verschiedene, optimierte Katalysatoren von Umicore erprobt. Der Dauereinsatz soll Eigenschaften wie Alterung, Langlebigkeit, Stabilität und Störanfälligkeit im realen Einsatz auf der Straße untersuchen.

Das bisherige Fazit klingt gut: Auch nach 45.000 Kilometern sind die Stickoxidkonzentrationen, die zur Ozonbildung beitragen, im Abgas fünfmal geringer als der aktuelle "Euro-4"-Norm-Grenzwert; zudem blieb die Leistung des Katalysators während der gesamten Testphase unverändert hoch. Bereits vor zwei Jahren hatten die Empa und die ETH Zürich ein Katalysatorenkonzept vorgestellt, bei dem die Stickoxidkonzentration im Auspuff niedriger ist als in der angesaugten Luft; der Katalysator "reinigt" also effektiv die Umgebungsluft von Stickoxiden.

Gegenüber der Online-Ausgabe der Tageszeitung "NZZ" erläuterten die Forscher allerdings, dass anders als in "10 vor 10" impliziert dies nicht nur am Katalysator liege, sondern auch an der Ansteuerung der Motoren. Bei diesem anderen, ebenso wichtigen Teil der Forschung und Entwicklung geht es laut Empa um die Qualität der Gemischaufbereitung, Lambdaregelung, Sauerstofffüllstandsregelung des Katalysators, die Kompensation von Querempfindlichkeiten der Lambdasonden und vieles mehr.

Allerdings konnten die Forscher um Christian Bach, Empa-Abteilungsleiter Verbrennungsmotoren, nicht bestätigen, dass die in "10 vor 10" postulierte Reduktion von Feinstaubemissionen um 50 Prozent durch den Katalysator erreicht werden könne. Doch sei auch der Ausstoss an gesetzlich zwar nicht beschränkten, aber Krebs erzeugenden oder giftigen Schadstoffen wie Feinpartikeln, Benzol und Ammoniak sehr niedrig. "Hier weisen Benzin- oder Dieselfahrzeuge zum Teil erheblich mehr beziehungsweise schädlichere Emissionen auf", sagte Bach.

Sechs Jahre lang haben die Motorenforscher der Empa an dem völlig neuartigen Erdgas-Katalysator gearbeitet. Entstanden ist wohl tatsächlich eines der weltweit saubersten Autos mit Verbrennungsmotor. Dies deshalb, so Christian Bach, weil die Emissionen bereits wenige Sekunden nach einem Kaltstart sehr niedrig sind. Ausserdem sei das Emissionsverhalten über den gesamten Betriebsbereich – also von Teillast bis Volllast, während schneller Lastwechsel und bei hoher Dauerlast – sehr gut.

Der Katalysator ist speziell auf die Reduktion des Treibhausgases Methan ausgelegt, dem Hauptbestandteil von Erdgas. Mit den neuen Katalysatoren erreicht man laut Bach einen Wert von 0,02 bis 0,03 Gramm Methan pro Kilometer, etwa 50 Prozent weniger als mit den üblichen Katalysatoren für Erdgasautos. Eine Senkung der Methanemissionen sei deshalb wichtig, so Bach, weil diese einen Teil der Treibhausgas-Einsparung wieder zunichte machen, die durch die Umstellung von Benzin auf Erdgas gewonnen werden kann.

Eine CO2-Reduktion durch den Katalysator ist allerdings schon rein technisch nicht möglich. Erdgasfahrzeuge emittieren allerdings wegen des geringeren Kohlenstoffgehalts des Treibstoffs generell rund 20 Prozent weniger CO2 als vergleichbare Benzinfahrzeuge. Dies habe mit dem Katalysator aber nichts zu tun, teilte die Empa mit. Eine weitere CO2-Reduktion bis 30 Prozent sei nur dann möglich, wenn der Motor konsequent auf Erdgas ausgelegt werde. Die Empa und ETH Zürich haben im Rahmen des in 2005 abgeschlossenen Gemeinschaftsprojektes "Clean Engine Vehicle" ein solches Konzept entwickelt.

Eine zusätzliche CO2-Einsparung werde laut Empa erzielt, wenn aufbereitetes Biogas (z.B. Kompogas) oder dem Erdgas beigemischtes Kompogas getankt werden kann. Wo es sinnvoll machbar ist, sei der Umstieg auf Erd-/Biogasfahrzeuge auf alle Fälle zu empfehlen. Das überlegt auch das Baudepartement des Kantons Basel-Stadt und testet derzeit diese Autos.

Regierungsrätin Barbara Schneider ist überzeugt und konstatiert den Erfolg: "Es ist eine sehr gute Alternative zu den Fahrzeugen, die heute eingesetzt werden." Auch die Empa selbst prüft derzeit einen Umstieg ihrer Fahrzeugflotte von rund 30 Fahrzeugen auf Erd- bzw. Biogas. Dadurch wäre eine signifikante CO2-Reduktion möglich. Die Nachteile von Erdgasfahrzeugen wie verminderte Reichweite und die derzeit noch geringe Tankstellendichte fallen bei Flottenanwendungen weniger ins Gewicht. Und die niedrigeren Treibstoffkosten kompensieren relativ rasch die etwas höheren Anschaffungskosten.

Laut Presseberichten will VW die Empa-Katalysatoren serienmässig in Erdgasautos einbauen. Der Konzern gibt aber noch nicht bekannt, wann das sein wird. Die drei in Basel getesteten Konzepte bieten jedenfalls laut Christian Bach eine gute Ausgangsbasis für eine Serieneinführung. Allerdings muss der Fahrzeughersteller zum Teil recht aufwändige Tests durchführen.

Als nächstes wollen Bach und seine Kollegen die Ergebnisse dieser Katalysatorentwicklung gemeinsam mit der ETH Zürich in einem neuen Erdgasmotorenkonzept einsetzen. "Die Kombination eines effizienten Erdgasmotors mit einem "sauberen" Katalysator und erneuerbarem Biogas, beispielsweise Kompogas, ist eine energetisch, lufthygienisch und klimatechnisch äußerst attraktive Fahrzeugtechnologie, die sich relativ einfach und schnell umsetzen lässt", so der Empa-Forscher. (bsc)