"Robust gegen Anrempeln sein"

Jochen Steil vom Cor-Lab an der Uni Bielefeld über die neuen, von Honda gestifteten Asimo, deren Schwierigkeiten in Fußgängerzonen und die Entwicklung von Aufmerksamkeit bei Robotern.

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Von
  • Denis Dilba

Nicht einen, sondern gleich zwei Asimo-Roboter überließ Honda dem neu gegründeten „Research Institute for Cognition and Robotics“, kurz Cor-Lab an der Uni Bielefeld bei der Eröffnung vergangene Woche. "Lernen lernen" solle Asimo bei ihnen, sagt Cor-Lab-Geschäftsführer Jochen Steil. Damit das möglich werden kann, stellt Honda der Hochschule, als erster in Europa, den am weitesten entwickelten humanoiden Roboter der Welt zu Forschungszwecken zur Verfügung. Der Technologiekonzern legt für die Zusammenarbeit sogar Teile der bisher wie ein Goldschatz gehüteten Steuerungssoftware der Maschine offen.

In dem interdisziplinären Institut werden Informatiker, Linguisten, Biologen, Psychologen und Sportwissenschaftler zusammenarbeiten. Ihr Ziel ist, humanoide Roboter wie Asimo mit kognitiven und sozialen Fähigkeiten auszustatten und sie damit zu alltagstauglichen Assistenten für den Menschen zu machen. Technology Review sprach mit Jochen Steil über die derzeitigen Fähigkeiten von Asimo, seine Schwierigkeiten in Fußgängerzonen und die Entwicklung von Aufmerksamkeit.

Technology Review: Wenn Asimo auf der Bühne herumläuft, ein Tablett mit Getränken trägt, präzise auf einem Tisch abstellt und dann die Person am Tisch informiert, ob er gerade Kaffe, Tee oder Orangensaft bringt, sieht es so aus, als habe der Roboter bereits eine Art Bewusstsein. Ist er wirklich schon so weit in seinen Fähigkeiten? Wie weit würde Asimo kommen, wenn man ihn heute in der Bielefelder Fußgängerzone aussetzen würde?

Jochen Steil: Motorisch kann Asimo zwar schon sehr viel, aber in der Fußgängerzone würde er vermutlich nicht weit kommen. Für die äußere Welt ist er noch nicht ganz geeignet. Da wollen wir hin, ganz klar, beginnen aber gerade erst mit unseren Arbeiten. Für so einen Einsatz müsste der Roboter aber auf alle Fälle robust gegen Anrempeln sein. Bis zu einem gewissen Grad kann Asimo zwar schon die Balance halten – wenn aber jemand wirklich versuchen würde, ihn umzuwerfen, dann würde er umfallen.

TR: Könnte er dann einfach wieder aufstehen?

Steil: Nein, ohne fremde Hilfe schafft Asimo das noch nicht. Alle großen humanoiden Roboter können in der Regel nicht wieder aufstehen, wenn sie einmal umgefallen sind - das hängt maßgeblich von der Größe ab. Deutlich kleinere Roboter, die auch laufen können, stehen teilweise schon wieder von alleine auf. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass sie es mit einem geringeren Gewicht und einem tieferen Schwerpunkt leichter haben. Größere Roboter werden aber auch irgendwann wieder von alleine auf die Beine kommen können.

TR: Was müsste noch verbessert werden, damit sich Asimo ohne Probleme zwischen vielen Menschen bewegen könnte?

Steil: Er müsste auf jeden Fall besser erkennen können, wo sich Menschen befinden und wohin sie sich bewegen. Mit dieser Fähigkeit könnte Asimo dann seine eigenen Bewegungen besser planen. Aber schon das Sehen ist eine enorme technische Herausforderung und funktioniert noch nicht so, wie das für diese Aufgabe nötig wäre. Blendet etwa die Sonne, kneift der Mensch einfach seine Augen zu – der Roboter kann das nicht.

TR: Mit welchen Schwierigkeiten, außer der Sonne, haben Roboteraugen denn noch zu kämpfen?

Steil: Generell kann man sagen, dass die Sehfunktion verlässlicher und flexibler werden muss. Wenn man etwa einen klaren Hintergrund hat, der einfarbig ist, können Robotersysteme schon gut sehen. Wenn aber im Hintergrund allerlei herumwuselt und viel Bewegung ist - wie eben in einer Fußgängerzone -, dann ändern sich die Bedingungen für die Bilderkennungssoftware ununterbrochen. Unter solchen Einschränkungen ist es für einen Roboter schwierig, ein Gesicht, ein Objekt oder ein Hindernis richtig zu erkennen. Künftig wollen wir daher unter anderem auch die Sehfunktion deutlich robuster machen.

TR: Ist die einwandfreie Sehfunktion die Grundvoraussetzung, um den Robotern das Lernen beizubringen?

Steil: Ja und nein. Wie gesagt, die Sehfunktion muss natürlich noch besser werden. Studien mit Kleinkindern zeigen etwa, dass das Erkennen von Gesichtern eine angeborene Fähigkeit ist. Also eine Art Grundlage, um sich in der Welt zurechtzufinden. Die größte Schwierigkeit ist aber, das Zusammenspiel aller Robotersinne so zu organisieren, dass sich ein Gesamtsinn hinter den Handlungen ergibt.

Dafür sind zunächst sehr viele technische Kontrollmechanismen nötig: für die Bewegung, für das Sehen, für das Hören und so weiter. Zu entscheiden, wann ist was wichtig, zu entscheiden, wann soll was gemacht werden, ist für einen Roboter eine Herausforderung. Wir versuchen das vom menschlichen Gehirn abzuschauen: Damit wir nicht immer alles gleichzeitig beachten und auf bestimmte Dinge fokussieren können, stellt es den Mechanismus der Aufmerksamkeit bereit. Deshalb versuchen wir, das gleiche Prinzip auch in Robotern anzuwenden, also den Maschinen Aufmerksamkeit zu geben. Diese steuert dann, auf was der Roboter achtet. Die nächste Lernaufgabe für den Roboter wird dann wiederum sein, diese künstliche Aufmerksamkeit zu steuern.

TR: Kann man sich diese Aufmerksamkeit ähnlich einer Interruptschaltung bei einem Computer vorstellen, also einer bestimmten Befehlshierarchie, welche dann entscheidet, auf was zu achten und was zu tun ist?

Steil: So eine Kontrollarchitektur gehört natürlich auch dazu. Man muss eine Funktion haben, die sicherstellt, dass der Roboter auf extrem wichtige Kommandos, wie "Halt" oder "Stopp" oder etwa in Gefahrensituationen interruptartig reagiert. Dass sind aber eigentlich außergewöhnliche Situationen. Mit Aufmerksamkeit ist etwas anderes gemeint: Die gewöhnliche Situation ist ja so, dass der Roboter über viele verschiedene Kanäle wie die Sensoren für das Sehen und Tasten oder von den Gelenken unterschiedliche Informationen bekommt. Und wie der Mensch ist auch ein Roboter nicht in der Lage, alles gleichzeitig zu bearbeiten. Die Aufmerksamkeit regelt dann, welche Information für das jeweilige Handeln herangezogen werden muss.

TR: Was werden jetzt Ihre ersten Forschungsschritte sein, die sie im Cor-Lab beschreiten, um Asimo das Lernen beizubringen?

Steil: Wir richten gerade ein Labor ein, das einem Wohnzimmer eingerichtet ähneln wird. Beginnen werden wir mit Interaktionsexperimenten, die wir auf Video aufzeichnen und bei denen wir bestimmte Körperfunktionen der Probanden messen. Damit wollen wir untersuchen, wie genau Menschen auf den Roboter reagieren und was an dem Roboterverhalten entscheidend ist, um es möglichst natürlich erscheinen zu lassen. Körpersprache und die Integration von Gestik und Sprache des Roboters sind dabei sehr wichtig, um ihn menschlicher werden zu lassen. Längerfristig wollen wir die Architekturen zum Roboterlernen, die wir hier in Bielefeld schon in vielen Jahren entwickelt haben, auf Asimo testen. Dazu müssen wir aber erst die Programmcodes in Asimo übertragen und anpassen.

TR: Können Menschen von solchen humanoiden Robotern auch etwas lernen?

Steil: Auf jeden Fall: Wir als Wissenschafter lernen den Respekt vor dem Menschen. Bei den Versuchen, die menschlichen Leistungen im Roboter nachzubilden, werden wir tagtäglich damit konfrontiert, wie schwierig es ist, einem Roboter beizubringen, was ein Mensch völlig intuitiv und ohne darüber nachdenken zu müssen tun kann.

TR: Wenn man Sie in zehn Jahren noch mal fragt – was, denken Sie, wird Asimo dann alles können?

Steil: Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir Asimo dann so weit haben, dass wir ihn an der Universität loslassen können. Die ist noch ein bisschen strukturierter als die Fußgängerzone – dort würde er wohl immer noch Probleme haben. Aber sicherlich würde er in einer solchen Umgebung deutlich länger durchhalten als heute. Die nächste Roboter-Generation wird in der Lage sein, gut auf den Menschen zu reagieren und zu erkennen, dass sich eine Person an ihn wendet. Auch ein begrenzter und sinnvoller Dialog wird sehr wahrscheinlich möglich sein. Bis es soweit ist, muss aber noch viel Forschungsarbeit geleistet werden. (nbo)