Das Plutonium der Biotechnik?

Das J. Craig Venter Institute, das selbst an Bakterien mit synthetischen Genomen arbeitet, macht in einem neuen Report Vorschläge, wie die Sicherheitsrisiken der Synthetischen Biologie reduziert werden könnten. Gentech-Kritiker sehen allerdings rot.

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Von
  • Niels Boeing
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Nicht wenigen gilt die Gentechnik als moderner Sündenfall: Der Mensch greift in einem bislang nicht gekannten Maße in die Evolution ein, indem er artfremde Gene in Tiere und Pflanzen einbaut. Doch während Politik, Industrie und Öffentlichkeit noch immer über die möglichen Folgen streiten, hat in einigen Laboren die nächste Stufe begonnen, vor der sich die bisherige Gentechnik wie ein Vorgeplänkel ausnimmt: die so genannte Synthetische Biologie. Forscher wollen mit Hilfe von teilweise oder vollständig synthetisierten Genomen neue Lebensformen erschaffen, die sich wie Maschinen programmieren lassen. Die sollen eines Tages im grossen Stil Medikamente, Biokraftstoffe oder Wasserstoff für eine künftige Energieversorgung produzieren.

Ganz vorne dabei ist das amerikanische J. Craig Venter Institute, dessen Gründer Craig Venter bereits einen Milliarden-Dollar-Markt am Horizont sieht. Ende Mai reichte das Institut schon mal einen Patentantrag für den Bauplan eines synthetischen Bakteriums namens Mycoplasma laboratorium ein. Noch ist es nicht realisiert, und es wäre zunächst nicht mehr als ein Proof of Principle.

Doch nicht nur bei Gentech-Kritikern schrillen längst die Alarmglocken angesichts der Aussicht, dass die Synthetische Biologie auch Erreger für neue Biowaffen ermöglicht – auch die Szene selbst diskutiert die Risiken. Bereits 1999 hatten mehrere Autoren von der Ethics of Genomics Group im Wissenschaftsmagazin Science gemahnt, dass die Konstruktion neuer Genome „Fragen aufwirft, die angegangen werden müssen, bevor die Technologie weiter fortschreitet.“

Nun hat das Venter-Institut in dem Report „Synthetic Genomics: Options for Governance“ seine – vorläufigen – Antworten vorgelegt. „Wir haben Optionen für eine Regulierung formuliert, die Sicherheitsrisiken reduzieren sollen, ohne Forschern, Industrie und Regierung ihre Arbeit über Gebühr zu erschweren,“ sagt Michele Garfinkel, Analystin des Instituts. Damit soll Bioterrorismus vorgebeugt und die Sicherheit in Laboren und ihren Umgebungen gewährleistet werden.

Die Möglichkeit, ganze Genome zu synthetisieren, hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Noch 2002 benötigte ein Team um den Biologen Eckard Wimmer für die Synthese eines Poliovirusgenoms aus 7400 Basenpaaren rund ein Jahr. Bereits ein Jahr später gelang es dem Venter-Institut, die 5500 Basenpaare eines anderen Virusgenoms (phiX174) in zwei Wochen zusammenzufügen.

Doch es geht noch einfacher. „Heute kann jeder mit einem Laptop über das Internet auf öffentliche Datenbanken mit Gensequenzen zugreifen, DNA-Design-Software beziehen und synthetisierte DNA bestellen“, schreiben Garfinkel und ihre drei Mitautoren. Knapp 50 Unternehmen bieten inzwischen die Synthese von DNA-Strängen als Dienstleistung an. Dank neuer und schnellerer Verfahren ist der Preis pro Basenpaar – dem Grundbaustein aller Gene – seit Ende der neunziger Jahre um 95 Prozent auf etwa 70 Cent gefallen. Der Bestellvorgang ist simpel: Man gibt, nach der obligatorischen Online-Registrierung, auf einer Formularseite eine Basenfolge wie „AATCGAGC“ an und bekommt das Material kurze Zeit später per Post geliefert.

Was beeindruckend klingt, könnte sich recht bald zu einem ernsten Problem auswachsen: „In zehn Jahren dürfte es leichter sein, fast jedes pathogene Virus zu synthetisieren als es irgendwo anders zu beschaffen“, schätzen die Autoren des Reports. Bereits im letzten Jahr war es Forschern gelungen, das Genom des Virus der Spanischen Grippe von 1918 allein aus der veröffentlichten Sequenz der Basenpaare zu rekonstruieren. Wie kann man aber verhindern, dass kriminelle Gestalten dasselbe tun?

Der Report schlägt drei Ansatzpunkte vor: die Bestellungen von DNA-Sequenzen kontrollieren, den Bestand von Sequenziergeräten überwachen und die Forscher sensibilisieren.

Zwar setzen einige DNA-Synthese-Firmen bereits Software ein, um bestellte DNA-Sequenzen mit den Basenabfolgen bekannter Erreger abzugleichen. Aber die Software ist weder standardisiert noch besonders geeignet, kurze Sequenzen mit bis zu 100 Basenpaaren Länge, so genannte Oligonucleotide, zweifelsfrei zu identifizieren. Gerade bei diesen „Oligos“ sei das Problem, dass manche gleichermaßen von harmlosen Organismen und von Erregern stammen könnten, weil sie ziemlich häufig in der Natur vorkommen. Andererseits sollten auch die bestellenden Forschungseinrichtungen Verantwortung übernehmen, heißt es im Report. Die für Biosicherheit zuständigen Fachleute oder Gremien (IBC für „Institutional Biosafety Committee“) müssten Listen mit autorisierten Forschern erstellen. Dieser doppelte Ansatz, den der Report gegen Gefahren des Bioterrorismus empfiehlt, hat für die Forschergemeinde einen Haken: „Er ist wahrscheinlich am teuersten und mühsamsten“, schreiben die Autoren. Auf Hersteller von kurzen Sequenzen würden dabei höhere Kosten zukommen, weil der Aufwand hier wegen der Verwechslungsgefahr größer sei.