Buchungskosten: Ihre Daten sind der Lufthansa teuer

16 Euro Aufschlag für Buchungen die nicht direkt bei der Lufthansa-Group erfolgen – dagegen laufen Reisebüros und Großkunden Sturm. Der Kranich will aber nicht nur die 16 Euro, sondern auch Ihre Daten. Damit kann er Sie nämlich besser melken.

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Ihre Daten sind der Lufthansa teuer

(Bild: Aero Icarus, CC BY-SA 2.0)

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Verbraucher können sich kaum vorstellen, welchen Wert ihre Daten haben. Für die Lufthansa-Gruppe sind bestimmte Daten aber offensichtlich so wertvoll, dass sie dafür einen Krieg mit ihren besten Kunden und wichtigsten Vertriebspartnern vom Zaun bricht. Seit 1. September zieht sie 16 Euro ein, wenn ein Flug mit Austrian, Brussels, Lufthansa oder Swiss über eines der internationalen Reservierungssysteme (GDS) gebucht wird. Das hat wütende Proteste in Nordamerika, Europa und darüber hinaus zur Folge.

Der Konzern begründet die "DCC" genannte Gebühr damit, dass die Kosten einer GDS-Buchung 18 Euro ausmachten. Bei einer Buchung, die ausschließlich über die Lufthansa-eigenen Systeme erfolge, seien es nur zwei Euro. Die Differenz von 16 Euro werde nun in Rechnung gestellt – außer in jenen Staaten, in denen es noch juristisch-bürokratische Hindernisse gibt. Dazu zählen unter anderem China, Brasilien, der Iran und Neuseeland.

Nonstop you ist der aktuelle "Claim" der Lufthansa.

"Die Zahlen der Lufthansa können wir nicht nachvollziehen", meinte Thorsten Schäfer, Pressesprecher des Deutschen ReiseVerbands (DRV), im Gespräch mit der c't. Zwar arbeiteten die GDS nicht für Gottes Lohn, ein Zusammenhang zwischen deren Gebührenstruktur und den 16 Euro sei aber nicht erkennbar. Der DRV vertritt die Interessen von Reiseveranstaltern und Reisevermittlern und ist beim deutschen Bundeskartellamt vorstellig geworden.

Für Reisebüros ist die Gebühr ein enormer Nachteil, weil sie jetzt mit den auf Lufthansa-Webseiten angezeigten Tarifen nicht mithalten können. Die 16 Euro zu schlucken ist ihnen unmöglich, weil die Lufthansa keine Provisionen mehr zahlt. Lufthansa-Manager Jens Bischof hat in Bezug auf die DCC "weiterreichende technisch fortgeschrittene Alternativen" angekündigt. Für den gemeinen Reisenden klingt das wie eine Drohung.

Der Konzern hat ein Online-Portal für Reisevermittler eingerichtet. Doch für diese ist das keine gleichwertige Alternative, wie der US-Verband Business Travel Coalition (BTC) betont: "Wie sollen normale oder schwierige Ticketänderungen, Stornos, Umbuchungen, Erstattungen, Kreditkartenabrechnungen, Streiks, Notfälle, Reisestörungen, und Interlining (mit anderen Fluglinien) gehandhabt werden? Die Lufthansa-Gruppe schweigt darüber, wie sie diese tagtäglichen Probleme handhaben würde, außer dass sie sagt, sie habe Telefonleitungen."

Man stelle sich die Wartezeiten an den Hotlines vor, wenn die Lufthansa diese bisher von Reisevermittlern vorgenommenen Änderungen telefonisch abwickeln würde. Auf Fragen der c't zum Thema hat die Lufthansa Group bislang nicht reagiert.

Für Großkunden ist die Lage besonders verzwickt. "Für eine Privatperson, die einmal im Jahr nach London fliegt, ist es nicht so dramatisch", stellte Schäfer fest, "Sie zahlt dann die 16 Euro oder bucht auf der Website der Fluglinie. Bei großen Unternehmen, die viele Tickets kaufen, kann das aber in die Millionen gehen."

Die Reisemanagement-Systeme der Großkunden sind direkt mit den GDS verbunden. Daten über Dienstreisen der Mitarbeiter werden direkt in Buchhaltungs- und Auswertungssysteme eingespielt. Neben den reinen Kosten müssen auch Arbeitszeiten und Visavorschriften verwaltet werden; dazu kommen Sonderregeln, etwa das bestimmte Personen aus Sicherheitsgründen nicht gemeinsam reisen sollen oder gewisse Transitländer gemieden werden müssen.

Dem Lufthansa-Portal fehlen die erforderlichen Schnittstellen. Die Großkunden müssten ihre Daten im Nachhinein manuell erfassen, was mühsam und fehleranfällig ist. Die Großkunden sind also gezwungen, mehr zu zahlen, um ihre eigenen Daten auslesen und verwalten zu können.

Anhand der "Bedürfnisse ihrer Kunden" kann Lufthansa ihre Website "optimieren". Für wen, sagt sie nicht.

Kleinere Unternehmen trifft das Schnittstellen-Problem weniger. Dafür droht Ihnen ein ganz anderes Ungemach: Dynamische Preisgestaltung. Gelingt es der Lufthansa, mehr Buchungen auf ihre Website zu verlagern, kann sie frühzeitig Reisemuster erkennen.

Bucht beispielsweise derselbe User oder dasselbe Unternehmen regelmäßig Dienstagsflüge von Wien nach Brüssel, ist das ein wertvolles Datum für den Carrier: Offensichtlich sind das keine Freizeitreisen, sondern geschäftlich veranlasste Buchungen. Der Passagier MUSS am Dienstag nach Brüssel. Ein dynamisches Pricing-System kann diesem speziellen User oder Unternehmen sofort teurere Preise anzeigen, als anderen Kunden, die nicht unbedingt Dienstags fliegen müssen.

Einige Absätze später in den Datenschutzbestimmungen ist dann die Rede vom "maßgeschneiderten Angebot". Preisbewusste Verbraucher könnten darauf bisweilen verzichten.

Ähnliches gilt, wenn aus demselben Unternehmen mehrere Buchungen von unterschiedlichen Orten aus zum selben Ziel erfolgen: Offenbar gibt es dort eine Veranstaltung. Nachdem die halbe Mannschaft gebucht hat, könnte dynamische Preisgestaltung die Preise für die übrigen Teilnehmer stark anheben. Der Tagungsort kann dann ja kaum noch geändert werden.

Damit diese Preisschraube greift, muss das System wissen, wer denn da bucht. Trudeln die Reservierungen über GDS-Systeme ein, erfährt die Fluglinie erst dann wer ihr Passagier sein wird, wenn es "zu spät" ist. Die Reise ist ja dann schon reserviert.

Wird die Buchung indes auf der konzerneigenen Website eingeleitet, gibt es schon vor Abschluss der Reservierung wertvolle Signale: Selbst bei gelöschten Cookies ermöglichen Daten wie IP-Adresse, Browsereinstellungen und Plug-Ins eine erstaunlich hohe Wiedererkennungsrate. Kaum ein Computer ist wie der andere. Da muss sich der Kunde noch gar nicht einloggen, um "mehr Komfort" und "individuelle Angebote" zu bekommen.

Ironie der Geschichte: Die GDS wurden überhaupt erst mit Hilfe der Fluglinien ins Leben gerufen, um weltweiten Ticketvertrieb und Kundenservice zu vereinfachen. Sie sollen auch Buchungen ermöglichen, die mehrere Fluglinien betreffen. Dabei werden die Abläufe im Hintergrund besonders komplex.

Unabhängige GDS sind gerade dazu gedacht, die Flüge der meisten Fluglinien anzuzeigen, um mehr Transparenz im Markt zu schaffen. Für Europas größte Airline sind einfache Preisvergleiche inzwischen jedoch ein Nachteil; das Lufthansa-Portal zeigt daher nur ausgewählte Carrier. Sollte sich dieses Konzept dank der GDS-Strafgebühr durchsetzen, müssten Reisebüros und Reisemanager bei jeder Buchungsanfrage die Portale zahlreicher Fluglinien abklappern.

Das wäre verhindernd zeitaufwändig. Dank der laufenden Preisschwankungen wären die Ergebnisse am Ende der Suche schon wieder veraltet. Und wie vor 30 Jahren wären Interlining-Buchungen mit Flugunternehmen, die nicht der selben Allianz angehören, wieder mühsame Handarbeit.

Der Traum der Airline-Manager ist ein Flugplan, der nur gegen Entgelt zu sehen ist.

(Bild: Chris Downer, CC BY-SA 2.0 )

Anders ausgedrückt: Die zentrale Datensammlung ist von erheblichem Wert. Das wissen auch die Fluglinien. Sie träumen davon, diesen Wert für sich in bare Münze zu verwandeln. Sie wollen nicht nur für ihre Flüge, die Entgegennahme der Bezahlung, das Einchecken, die Bordkarte, die Gepäckbeförderung, die Sitzplatzwahl, das Einsteigen, Umbuchungen, Bordunterhaltung, WLAN, Handgepäck, oder das Einlösen von Vielfliegermeilen kassieren.

Bereits die Information, wann man theoretisch zu welchem Preis wohin fliegen könnte, soll etwas kosten. Das wäre vergleichbar mit einem Restaurant, dessen Speisekarte erst nach Einwurf von Münzen einsehbar ist.

Delta, eine der größten Fluglinien der Welt, hat bereits einigen Preisvergleichern untersagt, ihre Daten zu verwenden. Andere Dienste, wie etwa Google Flight, werden von manchen Fluglinien gezwungen, in den Suchergebnissen ausschließlich auf die Website der Fluglinie zu verlinken. Reisebüros bleiben außen vor, und Verbraucher bekommen alternative Tarife oder komfortablere Verbindungen vielleicht nie zu sehen.

Setzt sich die Lufthansa-Idee durch, müssten Kunden bei jeder Buchung die Webseiten aller möglichen Fluglinien einzeln abfragen. Das würde die Chancen weniger bekannter Flugunternehmen drastisch reduzieren und den großen Fluglinien deutliche Preiserhöhungen ermöglichen.

Delta verbietet die Anzeige ihrer Daten, um Vergleiche mit der Konkurrenz zu erschweren.

Außerdem ist auf den Airline-eigenen Webseiten regelmäßig nur ein Bruchteil der möglichen Reiserouten und -tarife zu sehen. Im Unterschied zu vielen anderen Airlines verlangt die Lufthansa selbst dann einen saftigen Telefon-Zuschlag, wenn ihre Website eine bestimmte Reisemöglichkeit gar nicht anzeigt und daher telefonisch gebucht werden muss.

Ein Manager von United Airlines soll dazu aufgerufen haben, transatlantische Flüge der Lufthansa-Gruppe doch über United-Codeshares zu buchen. Dann fallen die 16 Euro nämlich nicht an. Vorerst, denn insgeheim sind viele Airline-Manager euphorisch über den deutschen Vorstoß. Sie beobachten die Entwicklung genau, in der Hoffnung, auch selbst bald mehr Gebühren und mehr Daten ernten zu können.

Da überrascht es nicht, dass ein Protestbrief der BTC gleich von 135 Unternehmen unterzeichnet wurde, darunter neben Reisebüros und -managern auch mehrere Großkunden. Sie hoffen, dass sowohl europäische als auch US-Behörden juristische Schritte gegen die Lufthansa-Gruppe ergreifen.

Entsprechend hat sich der europäische Branchenverband ECTAA bei der EU-Kommission beschwert. Er hält die GDS-Gebühr für illegal. Das Portal der Lufthansa sei ein GDS, wenn auch ein schmächtiges; konkurrierende GDS mit einer Strafgebühr zu belegen sei folglich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Die Lufthansa-Gruppe sieht das naturgemäß anders.

Ob die Behörden der Sache auf den Grund gehen, bleibt abzuwarten. Diese Mühlen mahlen auf beiden Seiten des Atlantik langsam. (mho)