Bitcoin: Die Banken drehen den Spieß um

Bitcoin war als Frontalangriff auf das Bankensystem gedacht. Nun könnte sich die Krypto-Währung tatsächlich daranmachen, den Finanzmarkt zu revolutionieren – wenn auch ganz anders als gedacht.

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Bitcoin
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Über den Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto ist praktisch nichts bekannt. Gewiss ist nur, dass er ein völlig neues Geldsystem schaffen wollte. Sein Prinzip hieß "trustlessness": Traue keinen Menschen oder Institutionen, sondern nur Open-Source-Algorithmen und der Crowd. Damit war theoretisch der Weg frei für eine globale Währung unter Umgehung der Banken. Nun sind die Geldinstitute allerdings dabei, den Spieß umzudrehen, wie das Magazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 10/2015 berichtet (jetzt am Kiosk oder online zu bestellen).

Deutsche Bank, UBS, ABN Amro, Citibank und andere Großbanken sondieren schon länger Chancen und Risiken. Mitte September gaben nun auch neun der weltgrößten Banken die Gründung einer Partnerschaft bekannt, um einheitliche Protokolle und Industriestandards für Blockchain-basiertes Banking zu entwickeln – darunter Barclays, Credit Suisse, Goldman Sachs, UBS und JPMorgan. Sie bündeln ihre Aktivitäten im US-Startup R3CEV.

Die Finanzkonzerne reizt nicht so sehr das Kunstgeld an sich – das ist für sie vor allem ein Proof-of-Concept –, sondern das dahinterliegende "Blockchain"-Prinzip: ein dezentrales Kassenbuch aus einer endlosen Kette von Datenblöcken.

"Die Blockchain ist die entscheidende Innovation", sagt Matthias Kröner, Chef der kleinen Münchner Fidor Bank. Gemeinsam mit der Herforder Tauschbörse bitcoin.de bietet er seinen Kunden den An- und Verkauf der Kryptowährung an. Gleichzeitig ist Fidor deutscher Pilotkunde des Branchenpionier Ripple Labs. Dieser hat sich darauf spezialisiert, die IT der bestehenden Banken mithilfe der Blockchain-Technologie auf Trab zu bringen. Im Devisengeschäft ersetzt zum Beispiel die eigene Krypto-Währung XRP den Dollar als Brücke zwischen "illiquiden" Währungspaaren, die wegen eines zu geringen Handelsvolumens nicht zu einem fairen Kurs direkt umgetauscht werden können.

Möglicherweise könnten Banken eines Tages auch normale Währungen wie den Euro an die Blockkette legen – natürlich unter den Fittichen der jeweiligen Zentralbank. Das könnte beispielsweise den internationalen Geldtransfer vereinfachen und günstiger machen.

Da Blockchains nicht nur Einnahmen und Ausgaben protokollieren können, sondern jeden beliebigen Geschäftsvorgang, eignen sie sich als Universalwerkzeug für alle Fälle, in denen Rechte oder Ansprüche dauerhaft dokumentiert oder auf einen neuen Inhaber übertragen werden müssen. "Es gäbe hochspannende Möglichkeiten, wenn der Staat seine Grundbücher auf Blockchain-Basis digitalisieren würde", sagt Oliver Flaskämper, Chef von bitcoin.de. Ein Hausbesitzer könne dann seine Immobilie unkompliziert in Anteilsscheine splitten und für diese separat bei Banken Hypotheken aufnehmen. Mit Blockchains ließen sich auch "smart contracts" abwickeln, also digitale Verträge, die ihre Einhaltung automatisch überwachen – beispielsweise den pünktlichen Eingang von Ratenzahlungen oder Dividenden.

Eine der entscheidenden Fragen ist eher rechtlicher als technischer Natur: Wenn der Münzbesitzer seinen privaten Schlüssel verliert oder ihm das Handy mit Wallet-App gestohlen wird, ist das Geld ohne ein Backup unwiederbringlich weg. Das darf bei einer Blockchain, an der die Eigentumsrechte an Häusern, Autos, Aktien oder Kunstwerken hängen, nicht passieren. Und eine Blockchain, die nur eine Kopie des Grundbuchs, Kfz-Registers oder Echtheitszertifikats wäre, bringt wenig Nutzen. An einem Ausweg aus diesem Grunddilemma arbeiten nach eigenem Bekunden viele Start-ups. Eine Lösung ist allerdings noch nicht auf dem Markt. (grh)