Abgas-Skandal: Razzia bei Volkswagen und immer neue Details

Vor drei Wochen wurde der Abgas-Skandal bei Volkswagen bekannt. Die Ausmaße werden immer größer. Wirtschaftsminister Gabriel fordert vom Autokonzern eine offensivere Aufklärung. Die Staatsanwaltschaft veranlasst derweil erste Durchsuchungen.

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VW Passat

(Bild: Volkswagen)

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  • dpa
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Im Abgas-Skandal bei Volkswagen kommen jeden Tag neue Details ans Licht: VW räumte nun ein, die Steuerung zahlreicher Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 könne nicht nur den US-Abgastest erkennen, sondern auch den europäischen Prüfzyklus NEFZ. Dies berichteten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung. Bisher war gesichert, dass der Autobauer US-Tests manipuliert hat. Der US-Chef von VW, Michael Horn, erklärte, er habe bereits im Frühling 2014 von möglichen Verstößen gegen Emissionsregeln in den USA erfahren.

Unterdessen gab die Staatsanwaltschaft Braunschweig am Donnerstag bekannt, dass Büros von Volkswagen in Wolfsburg und an anderen Orten durchsucht wurden. Auch Privatwohnungen von VW-Mitarbeitern seien im Visier der Ermittler gewesen, ergänzt die Süddeutsche Zeitung. Es gehe darum, Unterlagen und Datenträger zu finden und sicherzustellen, die in Verbindung zu dem Abgas-Skandal stehen.

Der Abgas-Skandal bei VW

Zuvor hatte ein Unternehmenssprecher erklärt, ob und wie weit die mutmaßlich manipulierende Software tatsächlich unerlaubt eingreife, sei derzeit noch Gegenstand von internen und externen Prüfungen. "Auch ist rechtlich noch unklar, ob es sich überhaupt um eine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne der europäischen Normen handelt." VW werde bei der technischen Lösung des Problems "keine Zeit" verlieren.

Bisher hatte VW mitgeteilt, bei der Mehrheit der betroffenen elf Millionen Fahrzeuge weltweit sei die Software zwar installiert, aber nicht eingeschaltet gewesen. Europas größter Autokonzern hatte vor drei Wochen eingeräumt, mit einem Computerprogramm die Abgaswerte bei Dieselwagen manipuliert zu haben.

In Washington wollte der US-VW-Topmanager Horn am Donnerstag vor dem Kongress Abbitte leisten und sich für die Manipulationen entschuldigen, wie aus einer vorab veröffentlichten Stellungnahme hervorgeht. Der Manager erklärte, ihm sei im Frühling 2014 auch mitgeteilt worden, dass die US-Umweltbehörde EPA Strafen verhängen könnte.

Unklar ist allerdings, wen in der Wolfsburger VW-Zentrale Horn daraufhin informiert hat und was dann unternommen wurde. Horn informierte den Kongress zudem, dass VW in den USA den Zulassungsantrag für die Fahrzeuge des Modelljahres 2016 zurückgezogen habe.

Das Kraftfahrt-Bundesamt prüft derzeit einen von VW vorgelegten Zeit- und Maßnahmenplan zur Bewältigung des Abgas-Skandals. Wie das KBA am Donnerstag mitteilte, geht es dabei um die Frage, inwieweit die von VW vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet sind, um einen "regel- und zulassungskonformen Zustand" der betreffenden Fahrzeuge herzustellen.

VW plant für die betroffenen Fahrzeuge je nach Motorvariante unterschiedliche Lösungen und will vor dem Rückruf von Millionen Autos zunächst "intensive Qualitätstests" vornehmen, wie es in Konzernkreisen hieß. Die Rückrufe sollen im Januar 2016 beginnen und Ende des Jahres beendet sein.

Für mögliche Steuerschäden durch die Abgas-Manipulationen von VW soll nach Ansicht von Nordrhein-Westfalens Landesregierung der Konzern und nicht der Steuerzahler geradestehen. Wegen der von VW eingestandenen Manipulationen könnten Kfz-Steuern zu niedrig festgesetzt worden sein, heißt es laut Süddeutscher Zeitung in einem Brief von NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Eine Sprecherin des NRW-Finanzministeriums hatte am Mittwochabend bestätigt, dass es einen Brief an Schäuble gibt. Details dazu nannte sie nicht. Beim Bundesfinanzministeriums hieß es, solange das Bundesverkehrsministerium den Abgasskandal nicht verkehrsrechtlich bewertet habe, könnten keine Aussagen über mögliche Folgewirkungen getroffen werden.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte dazu am Donnerstag nach einem Treffen mit VW-Betriebsräten in Wolfsburg, er halte nichts davon, dass es "von wem auch immer" eine politische Profilierung zulasten von VW gebe. "Auch solche Dinge gehören aufgeklärt. Und wenn es eine Aufklärung gibt, wird man auch über Konsequenzen sprechen."

Der Minister forderte außerdem von VW mehr Transparenz bei der Aufklärung der Abgas-Affäre. "Klar ist, dass das Unternehmen aufklären muss. Je offensiver es das tut, desto besser wird es werden. Je defensiver, desto schwieriger."

Gabriel warnte aber davor, übers Ziel hinauszuschießen. "Es hängen über 70.000 Arbeitsplätze an der modernen Dieseltechnologie", sagte er. "Ich kann nur dazu raten, jetzt nicht eine allgemeine Debatte über die Autoindustrie in Deutschland zu führen." Beim aktuellen Skandal gehe es "um ein strafwürdiges Verhalten von einem Unternehmen. Das ist schlimm genug, aber man muss aufpassen, nicht die ganze Industrie in Deutschland oder gar Europa zu schädigen." (mho)