Wegelagerei an der Infobahn

`Internet für jedermann über Service-0130' verspricht der Wiesbadener Billig-Provider Protel seit Jahresbeginn. Ein verlockendes Angebot - aber die scheinbar so preisgünstige Auffahrt auf die Infobahn ist völlig verstopft. Viele Kunden fordern deshalb jetzt ihr Geld zurück, während Protel weiterhin abbucht.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ralf Hüskes

Protels 30-DM-Pauschalangebot, bei dem keine zusätzlichen Telefongebühren anfallen, hat offensichtlich riesigen Anklang gefunden. Schon bald waren die Ports aber derart überlastet, daß es praktisch kein Durchkommen mehr gab. Alternativ können sich die Kunden bei Protel in Wiesbaden einwählen, wobei dann aber jede Online-Stunde mit je nach Tarifzone und Tageszeit mit bis zu knapp 38 DM zu Buche schlägt. Dennoch schließt Protel auch weiterhin neue Verträge über das preiswerte Pauschalangebot ab - und kassiert jedesmal 90 Mark für die Mindestmietzeit von drei Monaten. Es gebe `das eine oder andere Problem mit den 130er-Nummern', gestand Protel-Geschäftsführer Sascha Kettner auf Nachfrage von c't ein. Man wolle den Dienst `durch ein neues Abrechnungsmodell entlasten'.

Kunden berichten, die Firma habe über eine Mailing-Liste die Anhebung der Monatspauschale auf 110 DM in Aussicht gestellt - um satte 266 Prozent. Sie wäre nicht anfechtbar, denn Protel hat sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorbehalten, die Benutzungsbedingungen und Leistungsbeschreibungen zu ändern. Viele der geprellten Kunden wollen sofort aus ihren Verträgen heraus und verlangen ihr Geld zurück. Protels AGB räumen aber erst zum Ablauf der Mindestmietzeit ein Kündigungsrecht ein. Dennoch kann der Kunde ein außerordentliches Kündigungsrecht geltend machen und die bezahlten Gebühren zurückfordern, meint Jürgen Rosner, Rechtsberater der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Er müsse aber zuvor Protel in nachweisbarer Form (also nicht per EMail) darauf hinweisen, daß er die zugesicherte Leistung nicht erhalten habe.

Für den einzelnen Kunden ist die Beweisführung zwar schwierig, doch die Geschädigten erhalten jetzt unverhoffte Schützenhilfe von der Telekom, die sich um den guten Ruf ihrer 130er-Nummern sorgt: Anbieter von Service-Nummern müssen eine minimale Verfügbarkeit von 30 Prozent garantieren, erklärte Telekom-Sprecher Bernd Schumann aus der Neustadter 130er-Zentrale gegenüber c't. Diese Verfügbarkeit werde von der Protel-Nummer `bei weitem nicht erreicht'. Die Telekom sei deshalb bereits mit dem Unternehmen in Verbindung getreten und überlege sich weitere Schritte. Unsere Tests bestätigen die Überlastung der Billigzugänge: Wir bemühten uns an verschiedenen Tagen und zu verschiedenen Tageszeiten, mit den Protel-Modems Kontakt aufzunehmen. Die erste Reihe brachen wir nach 100 vergeblichen Versuchen ab. Bei der zweiten und dritten Testreihe benötigten wir 79 beziehungsweise 84 Anwahlversuche, um zu Protel vorzudringen. Uns liegen detaillierte Protokolle anderer Kunden vor, die zu noch schlechteren Ergebnissen kamen. Während unserer Recherchen stießen wir obendrein auf eine Reihe von Widersprüchen, die Zweifel an der Seriosität des Unternehmens aufkommen lassen.

Gegenüber c't erklärte Protel-Chef Kettner, daß man das aktuelle Angebot mit den 130er-Nummern noch nie `aktiv vermarktet' habe - eine Falschaussage. Gleich die erste Seite der von uns verdeckt angeforderten Protel-Broschüre ziert der eingangs zitierte Werbeslogan `Internet für jedermann über Service-0130'. Neue Interessenten werden laut Kettner auf die nun `bevorstehenden Änderungen' hingewiesen - auch das eine Falschaussage. Unsere Testanruferin erfuhr zwar, daß Protel Anfang März neue Lines schalten wolle, doch von einem neuen Abrechnungsmodell war nicht die Rede. Auch die eingegangenen Unterlagen enthalten keinen Hinweis darauf. Zudem entpuppen sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Protel als Litanei unhaltbarer Paragraphen. Der Gipfel: sie verpflichten den Kunden, `dafür zu sorgen, daß die Netz-Infrastruktur oder Teile davon nicht durch übermäßige Inanspruchnahme überlastet wird'.

Das sei, so Verbraucherschützer Rosner, eine Klausel, die dem Vertragszweck zuwiderlaufe. Ein Provider, der einen Internet-Zugang über eine 130er-Nummer anbiete, müsse gerade deshalb von einer überdurchschnittlichen Belastung ausgehen und könne seine Leistungen nicht durch die Hintertür über die AGB relativieren. Vollzieht man die Kalkulation von Protel anhand der Preisliste der Telekom für 0130er-Nummern nach, ergibt sich Erstaunliches: Je nach Region, aus der der Kunde anruft, und Tageszeit reicht die monatliche Pauschale von 30 DM gerade mal, um die Telefongebühren von 1 bis 3,2 Stunden Online-Zeit zu decken. Die Kosten für den eigentlichen Internet-Zugang sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Demnach stellen für Protels Buchhalter bereits drei Online-Stunden monatlich eine `übermäßige Inanspruchnahme' der Zugänge dar.

Ein für geprellte Kunden unter Umständen hilfreicher Fehler ist Protel bei der Zusammenstellung der Vertragsunterlagen (Anschreiben, Benutzervertrag und Abbuchungsauftrag für Lastschriften) unterlaufen: Es fehlen die nach dem `GmbH-Gesetz' im `rechtsgeschäftlichen Verkehr' vorgeschriebenen Firmenangaben Handelsregisternummer, zuständiges Amtsgericht und Geschäftsführer. Ohne diese Angaben ist Protel juristisch nicht eindeutig identifizierbar. Laut Auskunft der Industrie- und Handelskammer war die `Protel Telekommunikations GmbH' Ende Februar nicht in Wiesbaden, sondern in Rüsselsheim registriert. Tatsächlich vermutet manch ahnungsloser Kunde hinter `Protel, Wiesbaden' eine gleichnamige Firma in Koblenz, die jedoch nichts mit dem Internet-Provider zu tun hat. Dort schlägt man sich derzeit mit monatlich rund 400 fehladressierten Anfragen herum. Protel-Kunden wurden also beim Vertragsabschluß möglicherweise irregeleitet und können schon deshalb ihr Geld zurückfordern. Denn so zustandegekommene Verträge sind - je nach Einzelfall - unwirksam. (ad) (ad)