Weltereignis

Höhere Eintrittspreise, kein Direktverkauf, verkürzte Messedauer: Das Anliegen, die CeBIT schärfer auf Fachbesucher auszulegen, ist erfolgreich umgesetzt worden.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Frank Möcke
Inhaltsverzeichnis

Neblig war's und kalt, hier und da spätwinterliche Schneeflocken, die Wirtschaftsteile der Zeitungen voller Hiobsbotschaften und auch noch Komet Hyakutake ante portas - abergläubischen Charakteren sind diese Himmelskörper seit je her Künder drohenden Unheils. Griesgrämigkeit rundum zum Messestart. Doch je schlechter die Zeiten, desto forscher die Zukunftshoffnungen. Mit der Schlagzeile `CeBIT: Giga-Schub für die Konjunktur' ließ die Messezeitung schon am Eröffnungsmorgen eitel Sonnenschein aufblitzen. Aber noch ungerührt rückten sich die Aussteller ihre Krawatten zurecht, harrten der Hoffnungsträger, die da kommen sollten und rieben sich fröstelnd die Hände.

Der Kanzler erschien nicht zum Auftakt - Helmut Kohl wärmte sich auf dem Antiterror-Gipfeltreffen in Scharm el Scheich auf. Seiner statt sollte Bildungsminister Jürgen Rüttgers für gut' Wetter sorgen. Sieben Tage später rieb sich das Gros der Firmenvertreter erneut die Hände, wärmer ums Herz war es ihnen geworden. Zufrieden äußerten die meisten von ihnen, es sei gut gelaufen und 90% würden zur CeBIT im nächsten Jahr wiederkommen.

Auch die Rechnung der Messe AG ist aufgegangen: drastische Erhöhung der Eintrittspreise von 32 auf 50 DM zur Abschreckung reiner Seh-Leute, Verkürzung der Messedauer, um den Ausstellerwünschen nach Kostenreduzierung zu entsprechen. Billig ist die Messepräsenz nämlich nicht: Ein Quadratmeter Standfläche ist für knapp 400 DM zu haben, rechnet man alle Kosten (Standbau, Unterhaltung, Nebenausgaben) zusammen, kommen für eine gar nicht einmal üppige Präsentation auf 100 m2 gut und gerne 100 000 DM zusammen. Da stellt mancher Unternehmer stirnrunzelnd eine Kosten-Nutzen-Analyse an. Rund 600 000 Besucher wußten den Tribut zu würdigen und zogen durch die Hallen, ein Sechstel weniger als im Vorjahr, aus aller Herren Länder kommend: 50 000 EU- Bürger (ohne die Deutschen) gaben sich die Ehre, und 12 400 scheuten den weiten Weg aus Asien nicht, 2500 mehr als 1995.

Einen Anstieg der Aussteller aus dem Ausland konnten die Organisatoren registrieren. Kamen im letzten Jahr 2442 internationale Unternehmen in die Leinestadt, bezogen dieses Mal 2557 Firmen aus 66 Ländern ihren Stand. Die USA (491), Taiwan (339), Großbritannien (282), Frankreich (127), die Schweiz (114) und die Niederlande mit 90 Ausstellern ragten heraus. Die Chinesen aus Taiwan steigerten ihre Präsenz damit um fast 20 Prozent.

Trotz gesunkener Besucherzahl gelangten die Verkehrkapazitäten an ihre Grenze. Überbuchungen der ICE-Sitzplätze von bis zu 50 Prozent mußte die Bahn AG einräumen. Die zur Expo fließenden Gelder machen einen Ausbau des `Messeschnellweges' zur kreuzungsfreien Verkehrsader möglich, so daß dieser zukünftig endlich seinem Namen gerecht wird. Trotz zahlreicher Baustellen gelang es der Polizei, einen Infarkt zu vermeiden. Die Aufwertung des Schnellweges während der An- und Abreise der Besucher zur vierspurigen Straße erfordert großen logistischen Aufwand - bis hin zu dem Beamten, der pünktlich um 10.15 Uhr mit dem Fahrrad das kleine Wäldchen vor der Pferdeturmkreuzung durchquert und auf Kommando die Verkehrsschilder zur Seite dreht. Stauunwilligen Zeitgenossen blieb der Ausflug auf die Datenautobahn. Das Internet-Team der CeBIT zählte täglich 400 000 virtuelle Gäste im Netz. Bereits am ersten Tag hat es eine halbe Million Zugriffe auf CeBIT-Rechner gegeben, das sind so viele wie 1995 während der gesamten Computermesse erfolgten.

Wer die CeBIT-Tage nicht in Hannover verbringen wollte oder konnte, wer angesichts des Übermaßes an Eindrücken müden Fußes resigniert hat oder sich zum Messeschluß eingestehen mußte, er habe dies und das gar nicht gesehen - der findet auf den c't-Seiten 17 bis 89 die Zusammenstellung dessen, was die Redaktion für berichtenswert erachtet. Unter anderem dies:

  • Chance verpaßt: `Merlin' (Nachfolger von OS/2 Warp) fehlte am Stand von IBM.
  • Ausblick: DVD (Digital Video Disc) schickt sich als DVD-ROM mit 4,7 beziehungsweise 9,4 GByte an, zum Massen-Datenlieferanten zu werden.
  • Speicherriesen: Wechselplatten mit einer Kapazität von 1 GByte sind schon unter 1000 DM zu haben.
  • Speicherkrieg: Was wird sich durchsetzen, Burst-EDO oder SDRAM?
  • Offengelegt: Intel präsentiert den MMX-Standard (Multimedia-Extensions für Pentium-Prozessoren).
  • Intranet: Der Einstieg übers lokale ins weltweite Netz wird selbstverständlich.
  • Preiskrieg: Leistungsfähige Scanner werden für jedermann erschwinglich.
  • Datenbank: Die Entwicklung geht von `relational' zu `objektorientiert'.
  • Dritte Dimension: Softwareentwickler bringen 3D ins Internet.

Allenthalben flimmerten die Homepages diverser Aussteller dem Besucher entgegen. Doch das Internet verliert mit den Teleshopping-Applikationen mehr und mehr seine Unschuld. Dazu gehört selbstredend auch ein Standard, der fürs schnelle Bezahlen per Kreditkarte sorgt: SET, Secure Electronic Transactions. Die multimedialen Elemente kommen in den Vordergrund: Abspielen von Videosequenzen, Telefonieren und Integration von 3D-Grafik. Angst und bange wird es den Bankangestellten geworden sein. An ihrer Stelle droht sich das heimische Terminal zu etablieren. Anfangs von computerunerfahrenen Zeitgenossen eher als Buch mit sieben Siegeln betrachtet, lassen sich die Systeme mittlerweile immer einfacher bedienen: `Dialog-` beziehungsweise `Online-Banking'. Von Geld gar nicht zu sprechen: Geld ist da oder nicht da (meist nicht da), schon gar nicht mehr, wenn sich das elektronische Portemonnaie durchsetzt, die kleine Karte, die universell das Bezahlen mit herkömmlichem Geld ersetzt. An die meist männlichen Zeitgenossen, die mit hochwichtigem Gesicht telefonierend das Gelände durchmessen, hat man sich gewöhnt. Ihre kleinen Handies haben eine Abmagerungskur hinter sich und wiegen zum Teil schon unter 100 Gramm. Die größeren Brüder kümmern sich inzwischen auch schon ums Faxen, schieben EMails hin und her und sorgen für die stetige Anbindung ans Internet.

Der Großangriff auf den Endverbraucher soll im Spätsommer auf der `CeBIT Home electronics' (`Die Messe für die multimediale Generation') erfolgen. Moderate Eintrittspreise (Tageskarte 17 DM, Katalog mit CD-ROM 15 DM) und Showbrimborium wird den Aufgeschlossenen in die Multimediazukunft einstimmen. Halle 3 wird eigens zur `Abenteuerlandschaft' ausgestaltet werden. Von Wasserfällen umrauscht und angesichts potemkinscher Wolkenkratzer soll zwischen Hängebrücken und Lianen das Super- Mario-Feeling in die Hirne kriechen: Game City. Hörfunk und Fernsehen richten ihre Antennen vor Halle 19 ins Blaue und zeigen live, was sich in der `Event-Halle' oder auf dem Freigelände an Musikveranstaltungen tut.

Wie schon zur CeBIT soll auch auf der CeBIT-Home kein Direktverkauf stattfinden. Die Messe AG legt Wert darauf, den Status der `Mustermesse' beizubehalten. Eine Sonderveranstaltung soll die `kritische Auseinandersetzung mit der Informationsgesellschaft ermöglichen' (Messe AG). Das Motto steht schon fest: `Ja zur Informationsgesellschaft'. (fm) (fm)