Immer öfter schreiben

Jenseits des Alltagsgeschäfts mit CD-ROM-Laufwerken bastelt die Branche eifrig an High- Density-Lösungen. Es soll der guten alten Compact Disc wohl bald an den Kragen gehen - oder vielleicht doch noch nicht? Denn: wer schreibt, der bleibt, sagt der Volksmund.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Bernd Behr
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Das Drehzahl-Tuning bei CD-ROM-Laufwerken hält an. Während bisher erst ein kleiner Kreis von Herstellern Laufwerke mit sechsfacher Drehzahl am Markt hatte, haben jetzt zur 96er CeBIT so gut wie alle ein 8x-Drive parat - auf der Messe jedenfalls. Die bekannten japanischen CD-ROM-Bauer betonen dabei, daß ihre Laufwerke neu konzipiert seien und nicht etwa nur getunet. Plextor behauptet zudem, ihr Laufwerk bringe im Gegensatz zu den schon am Markt befindlichen 8x-Drives die Transferrate von 1200 KByte/Sekunde kontinuierlich. Der Vorreiter bei 8x, Optics Storage aus dem Stadtstaat Singapore, wagt auch diesmal als erster mit dem Stingray 8522 den nächsten Schritt, den zur 10fachen Drehzahl. Erste Geräte sollen in Kürze zu einem voraussichtlichen Preis von knapp 500 Mark lieferbar sein. Im Laufe des Jahres wollen auch andere Hersteller wie beispielsweise Philips und Pioneer mit 10x- Drives folgen. Der Beobachter fragt sich, warum läßt man die neuen 8xe nicht gleich mit 10facher Geschwindigkeit drehen?

Statt brachialer Drehzahlerhöhung scheint nun aber auch in der CD-ROM-Branche Innovation eine größere Rolle zu spielen. Nakamichi stellte schon vor der CeBIT einen neuen 4-Disc-Wechsler vor, der ohne Magazin auskommt. Bei Einzug und Auswurf werden die Discs von der Mechanik nur an der Außenseite angefaßt, wo sich keine Daten mehr befinden. Auch Panasonic stellte einen neuen 4-Disc-Wechsler vor, der ebenfalls ohne Magazin arbeitet. Zum Einlegen und Herausnehmen von Discs fährt die Schublade immer so heraus, daß die angewählte CD obenauf liegt. Beide Wechsler sind Einbaulaufwerke und lesen mit vierfacher Geschwindigkeit.

Pioneer verfolgt bei dem angekündigten 10X-Laufwerk eine radikal neue Idee. Das Unternehmen mit viel Know-how in der Laserdisc-Technologie verbindet im CD-ROM-Laufwerk DR-10X die Lesetechniken der beiden Technologien CAV und CLV. Bei der Constant Angular Velocity (CAV) ergibt eine konstante Drehzahl unterschiedlich hohe Transferraten, je nach dem, ob innen oder außen im Disc-Durchmesser gelesen wird. Constant Linear Velocity bedeutet entsprechend eine stets angepaßte Drehzahl, um eine konstante Transferrate zu erhalten; so wird zum Beispiel bei der Compact Disc verfahren.

Das Pioneer-Drive entscheidet nun in jeder Situation selbständig, welches Verfahren gerade das günstigste ist; das hängt davon ab, ob eine schnelle Zugriffszeit oder eine maximale Transferrate gefragt ist. Auf diese Weise garantiert es eine konstante Transferrate von 1500 KByte/Sekunde, und stellenweise auch mal ein bißchen mehr. Auf der CeBIT gab's nur einen Prototypen zu sehen, vor dem Sommer wird es wohl nicht auf dem Markt sein.

Der CD-Standard-Mitbegründer Sony wagt sich einen Schritt über den Standard hinaus, bleibt mit einem Bein aber weiterhin fest drinnen verwurzelt. Mit kostenlosen Treibern und geringen Lizenzgebühren für Softwareentwickler wirbt das Unternehmen für ein Filesystem namens CD Recordable File System (CDRFS), das das Beschreiben von CD-R- Medien vereinfachen soll. Mit CDRFS soll das Speichern von Daten auf der nur einmal beschreibbaren CD-R so einfach sein wie auf Diskette. Das schließt das `Löschen' und `Überschreiben' von Dateien ein - jedenfalls sieht es für den Benutzer so aus. Beim `Überschreiben' verschwendet das CDRFS allerdings keinen Platz durch deren völliges Neuschreiben, sondern speichert nur die Sektoren, die sich geändert haben. Der Trick ist, daß die erste Session normal nach ISO-9660-Standard beschrieben ist und sowohl Treiber als auch Installer für das CDRFS enthält. Außerdem findet der Treiber hier den Einstieg in die weiteren CDRFS-Sessions.

Auch JVC bietet unter dem Namen `CD-R Direct' Software (+ Recorder) an, womit sich Daten wie auf Diskette speichern lassen. Während JVCs Direct mit einem mehr oder weniger großen Puffer auf der Festplatte arbeitet und das JVC-eigene Feature `Variable Packet Write' nutzt, kommt bei Sony das `Fixed Packet Recording' zum Tragen, wobei offensichtlich kleinere Blöcke geschrieben werden können.

Neuvorstellungen im Bereich CD-Recording boten JVC, Mitsumi und Teac mit neuen CD- Brennern. Der CD-R50S von Teac schreibt und liest mit vierfacher Geschwindigkeit. JVCs Schreiber XR-W2010 wurde schon an mehreren Ständen als Vorführstück zum CD-Recording benutzt. Auch Mitsumis zweites Modell ist ein SCSI-Device, jetzt für den breiteren Markt mit nur noch 1 MByte Puffer. Die Low-Cost-Variante mit IDE/ATAPI-Interface liegt weiterhin auf Eis. Die Software-Hersteller Astarte und CeQuadrat führten eifrig die neuen Versionen ihrer Schreibsoftware vor, die aber beide noch nicht fertig sind. Astarte liegt mit der Toast 3.0 allerdings besser im Rennen.

Der niederländische CD-Erfinder Philips will 1996 - nach 200 000 verkauften CD- Writern im vergangenen Jahr - 2 Millionen Recorder an den Kunden bringen. Philips erwartet für CD-R-Medien einen Preisrückgang auf 5 Dollar. Der Entwickler und Hersteller von Speichermedien aller Art, Verbatim, stellte eine verbesserte CD-R vor. Die einmal beschreibbare, silberne DataLifePlus ist unempfindlicher gegen Kratzer oder Fingerabdrücke und läßt sich besser beschriften. Sie ist aufgrund der speziellen Farbschicht an ihrer blauen Farbe zu erkennen. In die Farbschicht werden beim Schreiben die Bits gebrannt.

Seit der Einigung auf ein einziges Format für die High-density-CD zeigt auch Philips einen Video-CD-Player für DVDs (Digital Video Disc) als Prototyp. Nachdem vor der Einigung für die HD-CD die beiden Namen mit MM-CD und SD existierten, war nun der Begriff DVD und überraschenderweise DVD-ROM in aller Munde. Im Vorjahr galt noch die Absicht, zuerst die DVD-Consumer-Player herauszubringen und vielleicht so im Laufe des Jahres 1997 DVD als Computerperipherie anzubieten. Um so überraschender, daß die Hauptprotagonisten Philips, Sony und Toshiba, aber auch Panasonic und Hitachi auf der CeBIT '96 die DVD-ROM in den Vordergrund stellten. Wie ein Philips-Sprecher sagte, glaubt man inzwischen, daß im Computerbereich der Anforderungsdruck in bezug auf Kapazität und Videoqualität am größten ist. Zudem sei schon in 1997 für DVD-ROM-Drives ein OEM-Preis von 200 Dollar zu erwarten, während DVD-Video-Player noch 500 bis 800 Dollar einbringen müßten, was aber für den Consumermarkt noch zu hoch sei. Beides werde die Entwicklung im Computer-Sektor vorantreiben.

Die einfachste DVD, einseitig mit nur einer Informationsschicht (Layer) versehen, bietet eine Kapazität von 4,7 GByte, also rund siebenmal mehr als eine herkömmliche CD-ROM. Eine doppelseitige DVD böte schlicht das Doppelte, allerdings nicht am Stück, die Disc müßte umgedreht werden. Eine einseitige DVD mit zwei Layern faßt nur 8,5 GByte, weil der zweite Layer nicht ganz die Dichte des ersten Layers erreichen kann. Der `Big Mac' mit zwei Layern auf jeder Seite - das ergäbe 17 GByte - steht noch nicht auf dem Speiseplan, damit haben die Entwickler noch ihre Probleme. Die Hersteller geben unterschiedliche Transferraten für DVD-ROM-Laufwerke an. Während Sonys Datenblatt 1,2 MByte/ Sekunde verzeichnet, soll Toshibas Drive 1,35 MByte/Sekunde erreichen. Diese Geschwindigkeit erreicht das Toshiba übrigens bei einer Drehzahl von 570 bis 1390 Umdrehungen pro Minute. Wenn man bedenkt, daß ein CD- ROM-Laufwerk 8fache Geschwindigkeit bei Drehzahlen von zirka 1600 bis 4200 Umdrehungen pro Minute erreicht, könnte man bei der DVD durchaus noch Reserven vermuten. Entgegen anfänglichen Befürchtungen sollen DVD-Player auch heutige CDs lesen können. Panasonic zeigte sogar ein DVD-Laufwerk, das die proprietären PD-Medien liest - oder sollte man sagen, ein PD-Laufwerk, das auch DVD-Scheiben liest? PD- Medien werden nach dem Phase-Change-Verfahren aufgezeichnet und bieten 650 MByte Kapazität.

Gleichfalls überraschend war, wie konkret die Hersteller von Geräten als auch von DVD-Medien (z. B. TDK) über DVD-R und DVD-RAM sprachen - wenn auch derzeit nur Prototypen derartiger Medien existieren. Die DVD-R würde der CD-R beziehungsweise CD-WO entsprechen und entsprechend nur einmal beschreibbar sein; die Kapazität soll 3,8 GByte betragen. Die DVD-RAM basiert auf der Phase-Change- Technologie und wird x-mal beschreibbar sein, wobei für x derzeit eine Zahl über 1000, später etwa 1 Million eingesetzt werden muß. Der DVD-Standard ist in bezug auf die DVD-RAM noch nicht vollständig fixiert, so haben die Prototypen zur Zeit eine Kapazität von 2,6 GByte pro Seite, sollen aber später die 3,8 GByte der DVD-R erreichen.

Spätestens seit dem Run auf die CD-Recorder weiß man, daß in der Beschreibbarkeit der Scheiben ein großes Marktpotential steckt. Beschreibbare Medien und entsprechende Recorder hätten vielleicht noch vor DVD und DVD-ROM auf dem Markt sein sollen. Denn wer produziert DVD-Titel, wenn die Player sich nicht verkaufen, und wer kauft Player, für die es keine Medien gibt?

Was bedeutet es nun, wenn Philips außer DVD-ROM mit Ausblick auf DVD-R und -RAM auch noch CD-E, ebenfalls für Ende 1996 ankündigt? CD-E ist die CD- Erasable oder auch Rewritable genannt auf Basis der jetzigen CD-Formate. Es werden Phase- Change-Recorder sein, die sowohl herkömmliche CDs lesen als auch CD-R-Medien beschreiben können sollen. Leider - und das ist das Ärgerliche - können herkömmliche CD-Laufwerke die CD-E-Medien nicht lesen. Immerhin, so behauptet Ricoh, wären nur unwesentliche Änderungen an CD-ROM-Laufwerken nötig, damit diese auch CD-E-fähig werden. Im vierten Quartal sollen erste Recorder auf den Markt kommen. Die Preise für die Recorder sollen laut Philips schnell auf das Preisniveau von CD-Writern sinken, die CD-E-Medien bei Einführung 20 bis 25 Dollar kosten. Immerhin hat Philips bei dieser Entwicklung zehn andere Firmen auf seiner Seite, zum großen Teil wieder diejenigen, die auch schon bei den HD-CD-Vorschlägen mit Philips gegen die Toshiba-Gruppe standen. (bb) (bb)