Treibstoffe aus der Luft

Eine Pilotanlage in Kanada kann der Umgebungsluft pro Tag rund 1 Tonne Kohlendioxid entziehen und soll bald Kerosin und Diesel daraus erzeugen. Eine Lösung für das Klimaproblem ist das jedoch noch nicht.

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Von
  • Richard Martin

Eine Pilotanlage in Kanada kann der Umgebungsluft pro Tag rund 1 Tonne Kohlendioxid entziehen und soll bald Kerosin und Diesel daraus erzeugen. Eine Lösung für das Klimaproblem ist das jedoch noch nicht.

In der kanadischen Küstenstadt Squamish kamen am vergangenen Freitag Regierungsvertreter, Umweltschützer und lokale Größen zusammen, um den Auftakt von etwas feiern, das zu einer eigenen neuen Branche werden könnte: die Erzeugung von klimaneutralen Brennstoffen aus Kohlendioxid, das aus der Luft entnommen wurde.

Das Unternehmen hinter der Anlage, Carbon Engineering, wurde von einem Wissenschaftler namens David Keith gegründet. Schon vorher hatte es der Physik-Professor in Harvard mit seinem entschiedenen Eintreten für mehr Forschung an Geoengineering zu Bekanntheit gebracht (konkret wollte er Möglichkeiten erforschen, Schwefelsäure in der unteren Stratosphäre auszubringen, um Sonnenlicht zu reflektieren und so den Planeten abzukühlen). Bei Carbon Engineering achtet Keith jetzt jedoch sehr darauf, nicht zu viel zu versprechen: Die Anlage sei zwar in der Lage, pro Tag ungefähr eine Tonne Kohlendioxid aus der Luft zu entfernen – keineswegs aber dazu vorgesehen oder in der Lage, die Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre messbar zu verringern. Stattdessen ist die Motivation, Treibstoffe für Verkehrsmittel wie Flugzeuge oder schwere Busse und Lastwagen zu produzieren.

Das System arbeitet mit einer Wand aus großen Ventilatoren, genannt Kontaktor, um Luft durch eine Flüssigkeit zu befördern, die mit dem enthaltenen Kohlendioxid reagiert. Die kohlendioxidreiche Lösung wird dann in mehreren Verarbeitungsschritten zu gasförmigem Kohlendioxid, die verbleibende Flüssigkeit kommt zurück in den Kontaktor. Dabei haben Keith und sein Team geschickt industrielle Prozesse kombiniert, die in anderen Branchen wie der Papierherstellung bereits genutzt werden.

„Das ist keine neue Technologie“, sagt Keith.

Zudem ist der Prozess der Treibstofferzeugung mit der Abtrennung des Kohlendioxids noch nicht beendet – damit Kohlenwasserstoffe entstehen, muss das Klimagas zunächst noch mit Wasserstoff kombiniert werden. Bei diesem Vorhaben wird Carbon Engineering von der Provinzregierung von British Columbia finanziell unterstützt: Das Unternehmen will einen Elektrolyseur installieren, der Wasserstoff aus Wasser gewinnt. Der entstehende Treibstoff soll später – in frühestens einem Jahr – für Busse der Gesellschaft BC Transit genutzt werden.

Das Gesamtsystem ist relativ energieintensiv. Damit es wirtschaftlich arbeitet, wird also früher oder später eine billige, kohlendioxidarme Stromversorgung benötigt, vermutlich über Sonnenenergie.

Zu den Investoren bei Carbon Engineering zählt unter anderem Bill Gates. Andere Unternehmen, darunter Climeworks aus der Schweiz, arbeiten ebenfalls an Systemen zum Einfangen von Kohlendioxid (wobei die meisten von ihnen Kohlendioxid in Feststoffen binden statt in Flüssigkeiten). In der Vergangenheit wurden solche Technologien mit dem Argument beworben, sie könnten die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre signifikant verringern und so den Klimawandel verlangsamen. Das aber ist einstweilen nur ein ferner Traum. Denn erstens sind derartige Systeme viel zu teuer, um sie im nötigen großen Maßstab einzusetzen – ähnlich wie bei CO2-Sequestrierung aus den Abgasen von fossilen Kraftwerken. Und zweitens benötigen sie selbst viel Energie für den Betrieb.

Ein lebhafter Markt für Treibstoffe auf der Basis von Kohlendioxid aus der Luft könnte viel dazu beitragen, die Technologie wirtschaftlich interessanter zu machen, zumindest bei kleineren Systemen. Beim Verbrennen der Treibstoffe daraus würde natürlich wieder Kohlendioxid freigesetzt, doch anders als bei fossilen Treibstoffen würde sich die Gesamtmenge an Kohlendioxid in der Atmosphäre dadurch nicht erhöhen.

Die Kosten für Treibstoff aus der Pilotanlage in Squamish im Vollbetrieb werden deutlich höher sein als für konventionelle Varianten. Nach einer Hochskalierung und unter Nutzung von Sonnenenergie hofft Keith, auf Kosten von 1 Dollar pro Liter zu kommen (Kerosin für Düsenflugzeuge kostet derzeit rund 37 Cent pro Liter, Diesel knapp 1 Dollar). In ein paar Jahren könnte es so weit sein – oder auch nie. Mit der Eröffnung der Pilotanlage hat zumindest die konkrete Erkundung dieser Möglichkeit begonnen.

„Das ganze Thema ist stärker polarisiert als alles andere, an dem ich bislang gearbeitet habe“, sagt Keith. „Ich hoffe, dass wir irgendwann zu einer Welt kommen, in der diese Technologie als normal angesehen wird. Sie ist keine magische Kugel, aber sie ist auch kein Blödsinn.“

(sma)